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Hamburg, 15. Jahrhundert

»Es ist Zeit zum Aufstehen, Henrick Rode!«, rief Anna, unsere Magd, und zog mir lachend die Schlafmütze vom Kopf. Ich hörte meine Mutter Grete in der Küche hantieren. Mein Vater, Jacob Rode, saß sicher schon am Pult in seinem Kontor über den Büchern. Mit einem Federkiel in der Hand kontrollierte er die mit sorgfältiger Schrift eingetragenen Vermerke. Ich zog mich in Windeseile an. Am liebsten wäre ich gleich zum Hafen gelaufen, wo heute die Ladung von zwei Koggen aus dem fernen Island erwartet wurde. Es waren die letzten in diesem Jahr, da die Fahrt in den Norden im Herbst und Winter zu gefährlich für die Schiffe war. Aber ohne meinen Frühstücksbrei würde mich die Mutter nicht aus dem Haus gehen lassen. Auch musste ich erst noch für den Vater eine Besorgung machen. Als ich endlich ein paar Stunden später über die Trostbrücke die Gasse zum Anlegeplatz der Einmastsegelschiffe hinunterlief, sah ich schon von Weitem, dass am Kai geschäftiges Treiben herrschte. Flöße und Kähne hatten schon seit den frühen Morgenstunden die Güter der im Hafen liegenden Koggen in die Stadt gebracht. De grote Anne und die Hispanigerd waren zu groß, um die Speicher der Hamburger Fleete direkt anzulaufen. Gerade wurden schwere Tranfässer aus einem Kahn gehievt und auf Karren verladen. »Jung, du stehst im Weg!«, pöbelte mich einer der Schauermänner, ein Hafenarbeiter, an und stieß mich grob beiseite, damit er durchkam. Auf seinem Rücken trug er eine Ladung Stoffballen. Ich sprang erschrocken zur Seite und landete in einer Pfütze mit nach Fäkalien stinkendem Wasser. Zwei Jungknechte, die alles beobachtet hatten, brachen in schallendes Gelächter aus.

»Warum bist du nicht im Speicher?«, hörte ich plötzlich eine strenge, mir bekannte Stimme fragen. Ich drehte mich um. Vor mir stand mein Vater, gekleidet in feines Tuch und ein mit Silberknöpfen verziertes Wams. Mein Vater sah es nicht gerne, wenn ich im Hafen herumstreunte, denn auch bei Tage trieb sich dort allerlei Gesindel herum. Ein junger Kaufmannssohn hatte dort nichts zu suchen.

Nach dem Willen meines Vaters sollte ich das Handwerk eines rechtschaffenen Kaufmanns von der Pike auf lernen, deshalb musste ich schon in jungen Jahren von morgens bis abends im Lagerhaus nach Anweisung der Kaufgesellen Säcke stapeln, Tuchballen und Felle zählen. Entlohnt wurde ich nicht, obwohl das Geschäft von Jacob Rode gut ging. Aber ich wollte nicht mein Leben in Speichern oder gebeugt über Geschäftsbüchern in düsteren Kontoren verbringen. Ich träumte davon, mit einer Kogge in das ferne Island zu fahren. Jedes Mal, wenn ich aus einer der Luken im Speicher den Schiffen nachsah, wie sie mit aufgeblähten Rahsegeln die Elbe Richtung Nordsee herabfuhren, schmerzte mir das Herz vor Abenteuerlust. Fragte ich meinen Vater, wann ich endlich einmal mit auf die Reise gehen dürfe, hieß es, ich sei zu jung und die Reise nach Island zu gefährlich. Dabei war die Nordsee so sicher wie schon lange nicht mehr, seit man Klaus Störtebeker und seine Gefährten auf dem Hamburger Grasbrook hingerichtet hatte. Die Hansekaufleute hofften, nach dem Tod des Freibeuterkapitäns wieder freien, ungestörten Handel betreiben zu können, ohne dass sie mit Überfällen zu rechnen hatten.

Schwefel, Tran und Trockenfisch. Wie Hamburger Kaufleute Island eroberten

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