Читать книгу Schwefel, Tran und Trockenfisch. Wie Hamburger Kaufleute Island eroberten - Brigitte Bjarnason - Страница 7
ОглавлениеDie Islandfahrer
Etwa um das Jahr 874 brachen wagemutige Wikinger mit ihren Knorr aus Norwegen auf und gelangten über Irland, Schottland und die Hebriden bis nach Island, wo sie sich bis etwa 930 in den fruchtbaren Teilen des Landes ansiedelten. Der erste Deutsche, der seinen Fuß im Jahre 981 auf die Vulkaninsel im Nordatlantik setzte, war der sächsische Missionsbischof Friedrich gewesen. Zusammen mit dem Isländer Þorvaldur Koðránsson, der den Beinamen víðförli, der Weitgereiste, trug und sich in Deutschland vom Bischof hatte taufen lassen, wollte er die heidnischen Isländer zum christlichen Glauben bekehren. Die Mission der beiden Männer scheiterte. So gelang es Þorvaldur nicht, seine Widersacher von seinem Glauben zu überzeugen. Voller Hass gegen ihn und seine Reden wurden Schriften verfasst, die ihm ein lasterhaftes Verhalten vorhielten. Die Schreiber dieser Texte wurden daraufhin von Þorvaldur ermordet. Der deutsche Bischof fand wenig Gefallen an dem Verhalten seines Freundes und kehrte daraufhin in seine Heimat zurück. Im Jahre 1000 wurde in Island durch Gesetz das Christentum und damit der katholische Glaube eingeführt. Bis zum Jahre 1103 gehörte die Insel dem Erzbistum Hamburg-Bremen an. Danach ist wenig über Verbindungen zwischen Deutschland und Island bekannt.
Im Jahr 1262 verliert Island seine Selbstständigkeit. Nun herrscht der norwegische König über das Land, bis es 1397 dem Königreich Dänemark unterworfen wird.
Bis Island sich 1944 zur Republik erklärte und von der Herrschaft Dänemarks löste, war das Land wegen eines Mangels an eigenen Schiffen und inneren Machtkämpfen von Norwegen (13. und 14. Jh.) und Dänemark abhängig gewesen. Keines der beiden Länder konnte jedoch die Versorgung der Insel gewährleisten. Daraufhin zeigten ab 1412 die Engländer Interesse an Handelsbeziehungen mit Island. Zu dieser Zeit kam es zu einer Reihe von Neuerungen im westeuropäischen Schiffsbau. Die Zahl der Masten und Segel nahm zu und die Schiffe wurden seetüchtiger. Fischerboote (dugga), Barken (barkskip) und Balinger (balinger) zählten zu den zur Islandfahrt gebräuchlichen Schiffstypen jener Zeit.
Die englischen Kaufleute, the merchant adventure doggers, aus Hull, Lynn, Yarmouth, Ipswich, London und Bristol brachten qualitativ bessere und billigere Waren auf die Insel. Ihre Handelsplätze befanden sich überwiegend im Westen und Süden des Landes. Da es die Engländer auf den isländischen Fisch abgesehen hatten, zog ein Großteil des Gesindes der Bauern an die Küsten, um dort Fischfang zu betreiben. Schon bald beherrschten die Engländer den Islandhandel. Dann fingen sie an, mit eigenen Booten (dugga) in den isländischen Gewässern zu fischen. Das missfiel den Isländern, da die Ausländer ihnen damit die Ware zum Tausch wegnahmen. Auch die Dänen blickten beunruhigt auf den wachsenden Einfluss der Engländer im Islandhandel. Als 1467 der dänische Präfekt auf Island von Engländern ermordet wurde, nahm dies der dänische König zum Anlass, die deutschen Hansekaufleute zu fördern, denen der Stockfischhandel der englischen Konkurrenz ein Dorn im Auge war. Schon Ende des 14. Jahrhunderts hatte es Streitereien zwischen Engländern und Hansekaufleuten in Bergen gegeben mit der Folge, dass die Handelsbeziehungen zwischen England und Norwegen zum Erliegen kamen. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts brauchten die Engländer keine Schwierigkeiten zu fürchten, denn auf Island gab es weder militärische Streitkräfte, die ungebetene Gäste aus den Gewässern hätten vertreiben können, noch Rivalen, die ihnen ihre Vorherrschaft hätten streitig machen können. Aber die Engländer sollten nicht lange allein am Handel mit Island verdienen. In Norddeutschland machten sich hanseatische Kaufleute mit ihren Koggen für die Fahrt ins ferne Island bereit.
Schiffe aus mehreren Hansestädten betrieben im 15. Jahrhundert den Islandhandel. Der erste urkundliche Hinweis auf eine Islandfahrt eines Hamburger Schiffes stammt aus dem Jahre 1423. Der erste bekannte Islandfahrer war Henning Steen. Da er als in Island verschollen galt, schickte sein Bruder Cordt 1442 einen Kundschafter auf die Insel, um nach ihm zu suchen. Eine andere Quelle gibt an, dass 1431 oder 1432 ein deutsches Schiff ohne Halt in Norwegen Island anlief. Zwei Jahre später bezeugten fünf Männer in Danzig, dass ein Matrose von Peter Dambecks Schiff am 20. März 1432 auf Island ermordet wurde. Dambeck hatte nach eigenen Angaben eine Schiffsladung in England an Bord seines Schiffes Jurien genommen und war dann weiter nach Island gesegelt. Es ist anzunehmen, dass er auf seiner Rückfahrt isländischen Fisch geladen und nach England gebracht hat.
Auch Danziger und Bremer Schiffe liefen Island an. Weniger bekannt ist, dass die Hansestadt Lübeck sich ebenfalls an der Islandfahrt beteiligte. Laut einem Testament aus dem Jahre 1429 hatte damals ein Lübecker Handelsbeziehungen zu Island. Für das Jahr 1442 gibt es ebenfalls Hinweise, dass sich Lübecker Kaufleute nach Island aufmachten. Da die Bergenfahrt eine wichtige Rolle für die Stadt spielte, versuchte der Rat, die Islandfahrten geheim zu halten. Später, als das Monopol der Bergenfahrt aufgehoben und keine Rücksicht mehr auf das dortige Hansekontor genommen zu werden brauchte, beteiligte sich 1565 sogar der Lübecker Bürgermeister Bartholomeus Tinnappel an der Islandfahrt.
Um die Zeit von 1468 bis 1473 herrschten starke Spannungen zwischen den Hansestädten, Dänemark und England. Die Deutschen erhielten 1468 die Erlaubnis des dänischen Königs für die Islandfahrt und der Schiffsverkehr nahm zu. Hamburg nahm bald eine zentrale Stellung im Warenaustausch mit Island ein, obwohl der Hanse der direkte Handel der Hamburger mit Island missfiel. Bergen beharrte auf sein Stapelrecht. Dennoch führte der Hamburger Rat seine Handelspolitik weiter fort. 1475 wurde die De Hispanigerd auf die Reise geschickt, um den Handel mit Island zu erkunden. Das Schiff fuhr zur Hälfte auf Rechnung der Stadt Hamburg und zur anderen Hälfte auf Rechnung des Kaufmanns Diderich Fryensteen (Vriensteen) und Genossen. De grote Marie lief ein Jahr später allein auf Rechnung Hamburgs aus. Im Jahre 1533 sollen sechzehn oder siebzehn Schiffe im Hamburger Hafen gelegen haben, um nach Island oder Bergen zu segeln.
Die Seekarte »Carta Marina« des schwedischen Geistlichen und Kartografen Olaus Magnus von 1539 illustriert die nördlichen Länder und die dort vorkommenden wunderlichen Dinge. Dabei verdeutlicht sie auch die Vorrangstellung der Hamburger auf Island. Dargestellt wird eine Hamburger Kogge, die ein schottisches Schiff beschießt und versenkt.
Bis Ende des 15. Jahrhunderts schienen vor allem die Hamburger den Islandhandel zu beherrschen. Von der Stärke der Deutschen beunruhigt, erteilte der dänische König 1490 England und Holland ebenfalls offiziell die Handelserlaubnis. Die Holländer zeigten wenig Interesse an der Islandfahrt. Die Deutschen dagegen segelten weiterhin mit ihren Koggen Richtung Island und gerieten von 1486 bis 1532 mehrmals in Auseinandersetzungen mit den Engländern. Den Bergenfahrern missfiel die Entwicklung. Sie wollten die direkte Islandfahrt verbieten und erreichten 1513 beim dänischen König das Gebot, dass die Kaufleute den isländischen Fisch nur nach England bringen durften. Dennoch wurde weiterhin in Hamburg und Bremen mit isländischem Fisch gehandelt.
Kurz vor 1500 soll Hamburg die einzige deutsche Stadt gewesen sein, in der sich eine Gesellschaft der Islandfahrer bildete. Im April 1500 wurde die St. Annen-Brüderschaft der Islandfahrer (Sunte-Annen-Broderschop der Isländer Varer tho Hamborch) gegründet, deren Aufgabe es war, Mitglieder, die in soziale und finanzielle Not geraten waren, zu unterstützen und gemeinschaftliche Interessen zu vertreten. Das Armenhaus der Brüderschaft stand in der Rosenstraße. Die Klosterkirche St. Johannis stellte der Brüderschaft für ihre Andachten einen Altar mit einem Raum und ein freies Grab für ihre Mitglieder zur Verfügung. 1513 kauften die Olderlude (Älterleute) der St. Annen-Brüderschaft der Islandfahrer einen unvollendeten Kapellenbau an der Südseite der St. Petrikirche. 1520 wurde die Kapelle eingeweiht. Allerdings gaben die Islandfahrer 1535 ihre Kapelle wieder auf, da die Kosten für die Fertigstellung zu hoch waren. Alle Einrichtungsgegenstände bis auf den Altar wurden verkauft. Es wird angenommen, dass die 1534 erstmals erwähnte Kirche »Karcken yn yslant« in »Hannenforde« (Hafnarfjörður) den Altar bekommen hat. Auch ein Petschaft soll noch erhalten sein. Dieser in Silber gegossene Stempel »der Islander Farer tho Hambroch« zeigt die Heilige Anna. Zu ihren Füßen ist das Wappen der Islandfahrer zu erkennen, bestehend aus dem damaligen Wappen Islands, dem Dorsch unter der Krone, und der halben Burg des Hamburger Stadtwappens.
In den Rechnungsbüchern des Hamburger Seefahrer-Armenhauses sind die Namen der Schiffer aufgeführt, die nach Island, zu den Färöern und Shetlandinseln gefahren sind, soweit sie Spenden für die Armen der Brüderschaft beigesteuert haben. Dennoch ist diese Auflistung nicht vollständig. 1534 wird geklagt, dass einige Schiffer keine schriftlichen Belege ihrer Zahlungen ablieferten. Von daher ist die Anzahl der in den Büchern aufgeführten Schiffe bis 1541 sehr klein. Ab 1542 steigt sie auf 10 und von 1544 bis 1562 liegt sie zwischen 14 und 17. Im Zeitraum von 1542 bis 1564 sollen im Durchschnitt 12 bis 13 Schiffe pro Jahr von Hamburg nach Island gesegelt sein. Zwischen 1565 und 1579 wurden die Fahrten seltener und zeitweise ganz eingestellt, da der damalige dänische König Friedrich II. den Hamburgern nicht wohlgesinnt war. Nun erhielten vor allem Kaufleute aus Buxtehude und Stade Lizenzen für isländische Häfen, während die Hamburger Kaufleute keine oder wenige bekamen. Nach Abschluss der Verträge von Flensburg 1579 und Kiel 1580 stieg ab 1581 die Zahl der Hamburger Schiffe wieder an. Der Jahresdurchschnitt von 1581 bis 1602 lag bei 17 Schiffen. Danach verbot König Christian IV. den Islandhandel der Deutschen. Er wurde dennoch eine Zeit lang, wenn auch nicht in großem Umfang und zum Teil mit dänischen Schiffen, fortgesetzt. Die Anordnung des Königs wirkte sich verhängnisvoll für die Isländer aus. Es gab keine Konkurrenz mehr, die die Preise niedrig hielt, und die Qualität und das Angebot der Waren verschlechterten sich. Den dänischen Kaufleuten fehlte es an Schiffsraum und Seeleuten, die mit der gefährlichen Islandfahrt vertraut waren. In kleineren Häfen blühte der Schmuggelhandel auf, an dem Deutsche, Engländer und Holländer beteiligt gewesen waren. Damit wenigstens ein Teil dieser isländischen Handelswaren nach Kopenhagen gelangte, wurde in der Handelsverordnung von 1619 festgelegt, dass mindestens die Hälfte der Waren dorthin verschifft werden sollte. Noch 1661 fuhren Hamburger und Lübecker mit ihren Schiffen nach Island, da die Isländische Gesellschaft in Kopenhagen weder über die Schiffskapazitäten noch die finanziellen Mittel verfügte, um den Warenbedarf der Isländer zu decken. So waren die Dänen weiterhin auf die Hilfe der Deutschen angewiesen.
Die zwei, vier oder gar acht Wochen langen Reisen über den Nordatlantik und der Handel auf Island verliefen nicht immer reibungslos. Es musste neben lebensbedrohlichen Wetterbedingungen und eventuellen Zwischenstopps auf den Färöer- oder Shetlandinseln auch mit Überfällen auf See und zu Lande gerechnet werden. Zu einem Konflikt kam es im Jahre 1532 als Hamburger und Bremer Kaufleute in Verbindung mit dem dänischen Vogt ein englisches Schiff im isländischen Hafen Bossande (Básenda) überfielen und dabei 15 Engländer ermordeten. Auch die Geschäftsbeziehungen unter den deutschen Kaufleuten verliefen nicht immer friedlich. So versuchten die Hamburger einen Boten, der dem dänischen Vogt eine königliche Erlaubnis des Lübecker Schiffers Herrmann Vürborn zum Betreten der Insel vorlegte, zu erschlagen.
Trotz des Beschlusses des dänischen Königs ab 1562 regelmäßig Lizenzen für bestimmte isländische Häfen zu vergeben, die auch wieder entzogen werden konnten, weitete sich der Handel aus. Kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den hanseatischen Kaufleuten, wurde der isländische Vogt zur Schlichtung angerufen. 1583 wurde ein Streit zum isländischen Althing verwiesen, wo die Parteien ihre Beweismittel vorbringen mussten. Immer wieder gab es Komplikationen mit den Liegeplätzen, wie z. B. im Falle des Platzes Stappe (Arnarstapi) auf der Halbinsel Snæfellsnes. Bremer Kaufleute und Schiffer hatten damals den Hafen Bodenstede (Búðir) gepachtet und beklagten sich darüber, dass im Januar 1571 der Hamburger Schiffer Hans Gronewoldt, der den Hafen Reff (Rif) gepachtet hatte, auch den zwischen beiden Häfen gelegenen Liegeplatz Stappe (Arnarstapi) benutzte. Dann gab es Fälle, wo mehrere Lizenzen für einen Hafen vergeben wurden, wie 1582 in Ostfjord (Djúpivogur).
Der Wettbewerb der Deutschen um die isländischen Häfen bot dem dänischen König die Gelegenheit, seine Macht zu demonstrieren. So bestrafte er die Bremer, die die Schweden im Krieg 1563 –1570 unterstützt hatten, indem er ihnen die Handelserlaubnis entzog und die Hamburger, indem er ihnen den Handel mit Schwefel verbot und diesen 1561 einem Stettiner Handelshaus überließ. Auch wurden drei ihrer Häfen an den Bürgermeister von Kopenhagen vergeben. 1562/63 war der Warenverkehr zwischen Island und Deutschland beträchtlich eingeschränkt. 1572 gerieten die Hamburger wieder in Streit mit dem König, was zur Folge hatte, dass er ihnen verbot, mit isländischem Fisch nach Hamburg zu segeln. Um das Verbot zu umgehen, segelten die Hamburger Kaufleute nach Kopenhagen, Lübeck, Kiel und Buxtehude. 1577 verbot er den Hamburgern schließlich den allgemeinen Handel. Mit dem Flensburger Vertrag von 1579 wurde das Verbot aufgehoben und der Zustand von 1562 wiederhergestellt. Damit verstärkte sich abermals der Konkurrenzkampf zwischen Hamburg, Bremen, Lübeck und Oldenburg. So vergab 1585 der dänische König neue Lizenzen an Graf Hans von Oldenburg für Kummerwage (Kumbaravogi) und 1584 an den Administrator des Erzstifts Bremen für Nesvogur (Stykkishólmur) und Grundefjord (Grundarfjörður).
Der dänischen Monarchie missfiel offensichtlich, dass der Islandhandel den Deutschen hohe Gewinne brachte. Damit auch seine Gefolgsleute an dem Islandgeschäft verdienten, verpachtete der Dänenkönig nun einzelne Häfen an dänische Kaufleute. Zum Beispiel beteiligte sich der dänische Großkaufmann Markus Hess, der es insbesondere auf den isländischen Schwefel abgesehen hatte, an dem Islandgeschäft und lief die Häfen im Norden der Insel an. Seine aus Dänemark importierten Waren galten jedoch bei den Isländern als teuer und von schlechter Qualität. Die Blütezeit des Handels auf Island hatte mit der Monopolstellung Dänemarks ein Ende genommen. Das Warenangebot wurde knapper und für die Allgemeinheit unbezahlbar. Zusätzlich hatten die Inselbewohner mit einer anhaltenden Kälteperiode zu kämpfen, die die Armut im Land verschärfte.
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