Читать книгу Schwefel, Tran und Trockenfisch. Wie Hamburger Kaufleute Island eroberten - Brigitte Bjarnason - Страница 5
ОглавлениеDie Hanse
Die Deutsche Hanse war eine zwischen Mitte des 12. Jahrhunderts und Mitte des 17. Jahrhunderts bestehende Vereinigung niederdeutscher Kaufleute, die gemeinsam Handel betrieben. Ab dem 16. Jahrhundert verlor die Hanse allmählich an Bedeutung. Das Bündnis hatte sich die Vertretung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen und die Sicherheit der Überfahrten in fremde Länder zum Ziel gesetzt. Ihre Blütezeit erlebte die Hanse zwischen 1250 und 1400. Der erste »Hansetag« fand 1356 in Lübeck, dem Zentrum des Ostseehandels, statt. Etwa 200 Städte gehörten der Hanse an. Ihr Einflussbereich erstreckte sich von London im Westen bis Nowgorod im Osten, von Venedig im Süden bis nach Bergen im Norden. Die Hansekaufleute transportierten ihre Waren in bauchigen Frachtschiffen, den Koggen. Die Hanseflotten wurden nach ihren Bestimmungsorten Londonfahrer, Bergenfahrer, Flandernfahrer (Brügge) und Ostfahrer (Wisby, Nowgorod, Baltikum) genannt. Zu den allgemeinen Handelsgütern der Hansekaufleute gehörten Pelze, Wachs, Getreide, Fisch (besonders Dorsch und Hering), Flachs, Hanf, Holz und Holzbauprodukte wie Teer, Pech und Pottasche, die gegen Tuche, Metallwaren, wie z. B. Waffen, und Gewürze getauscht wurden. Die an der Ostsee liegende Hansestadt Lübeck, genannt »Königin der Hanse«, nahm eine zentrale Stellung ein. Es war vorgeschrieben, dass der gesamte Warenaustausch mit den jeweiligen Ländern über die Auslandsniederlassungen abgewickelt werden musste. Die wichtigsten Kontore befanden sich in London (Stalhof), Brügge, Bergen (Deutsche Brücke), Wisby auf Gotland und Nowgorod. Das Kontor in Bergen entwickelte sich unter der Führung Lübecks zum Stapelplatz für Waren aus dem Norden und umfasste nicht nur Norwegen, sondern auch Island, Grönland und die Färöer-Inseln. Den einflussreichen deutschen Kaufleuten wurde zunächst verboten, die Länder nördlich von Bergen anzulaufen, weil ihnen nach Meinung des norwegischen Königs schon zu viele Privilegien eingeräumt worden waren. Dazu zählte auch Island, das zum Randgebiet der Hanse gehörte. Dennoch fuhren im zweiten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts deutsche Schiffe dorthin. So ist bekannt, dass um 1432 ein Schiff aus Danzig Island angelaufen hat. Um den Islandhandel der unbeliebten Engländer, die schon um 1412 die Insel anliefen, zu unterbinden, erteilte der Dänenkönig Christian I. schließlich 1468 den Hansen die offizielle Erlaubnis, nach Island zu segeln. Nun nahmen Schiffe aus Hamburg, Danzig und Bremen die gefährliche Fahrt über den Atlantik auf. Auch wenn die Lübecker Bergenfahrer versuchten, den direkten Islandhandel zu unterbinden, um die Stellung ihres Kontors zu sichern, gibt es Beweise, dass Lübecker Schiffe mit stillschweigender Duldung des Lübecker Rates nach Island segelten. Bekannt ist, dass im Jahre 1490 fünf Schiffe und eines aus Lübeck Kurs auf die Insel nahmen.
Da der Stockfischhandel der Hamburger und Bremer immer stärkere Ausmaße annahm, fühlten sich die Bergenfahrer bedrängt. Christian II. beobachtete diese Entwicklung mit Besorgnis, da der Erhalt des Bergener Kontors in seinem eigenen Interesse lag. Im Jahre 1513 verbot er die Direktfahrt der Hansekaufleute nach Island. Zunächst segelten die Hanseschiffe mit ihrem Fisch nach England. Da es nicht gelang, das Verbot längere Zeit aufrechtzuerhalten, musste die Hanse sich schließlich auf die Islandfahrt einstellen. Damit begann unter der Führung Hamburgs der Aufstieg des Islandhandels. Hamburg hatte sich wegen seiner günstigen geografischen Lage zum Umschlagplatz für die skandinavischen und mitteleuropäischen Länder entwickelt. Insbesondere das in Hamburg gebraute Bier war vom 14. bis Ende des 16. Jahrhunderts ein begehrtes Ausfuhrprodukt. Auf 20.000 Einwohner kamen um das Jahr 1550 mehr als 500 Brauereien. Bier wurde auch nach Island exportiert und gegen isländische Produkte wie Eiderdaunen, Schafwolle, Felle, Talg und Tran eingetauscht. Der isländische Stockfisch war zunächst weniger begehrt als der norwegische, weil er härter war. Das änderte sich, als in Oberdeutschland Mühlen zum Weichklopfen gebaut wurden. Da in Europa in den Fastenzeiten große Mengen Fisch benötigt wurden, entwickelte sich der getrocknete oder gesalzene Fisch zur Hauptexportware der Isländer. Auch isländischer Schwefel, der ein Bestandteil des Schwarzpulvers ist, war begehrt, denn das Mineral wurde in Europa nur in Island und auf Sizilien abgebaut. Da Friedrich II. den Rohstoff für seine eigenen Bedürfnisse benötigte, verbot der dänische König im Jahre 1560 Ausländern den Schwefelhandel.
Mit dem Beginn des dänischen Handelsmonopols im Jahre 1602 endet offiziell die isländische Hansezeit. Es wird jedoch angenommen, dass auch über diese Zeit hinaus deutsche Kaufleute Verbindungen mit Island hatten. Der letzte Hansetag fand 1669 in Lübeck statt.
Seit 2006 gibt es ein internationales Forschungsprojekt, das mit archäologischen Forschungen die Spuren der Hanse auf Island verfolgt. Der erste schriftliche Hinweis für den Handel norddeutscher Kaufleute stammt aus dem Jahre 1419. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass vielleicht schon früher Handelsbeziehungen bestanden haben. Leider mangelt es an Untersuchungen wie zum Beispiel über die Schiffe der Engländer, Deutschen, Dänen, Norweger und Holländer, die im Nordatlantik und vor der Küste Islands zu Zeiten der Hanse untergegangen sind. Der isländische Archäologe Ragnar Edvarðsson schätzt, dass 450 Schiffe zwischen 1100 und 1900 gekentert sind. Viele davon an der Westküste Islands. Der archäologischen Forschung auf diesem Gebiet wurde wohl wegen der finanziellen Kosten auf Island bisher wenig Beachtung geschenkt.
Auch gestaltet sich die Suche nach alten Schiffswracks aus der Zeit der Hanse wegen des Mangels an Metall, das auf den Koggen nur in geringem Maß vorhanden war, schwierig für die Arbeit mit Messgeräten. Wenn ein Wrack entdeckt wird, passiert das meist zufällig. So wurde die bekannte »Bremer Kogge« aus dem Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven rein zufällig entdeckt, als ein Saugbagger das Flussbett der Weser vertiefen wollte. Da die Nordsee einen niedrigen Salzgehalt aufweist, tief und kalt ist, bietet sie positive Bedingungen zur Erhaltung von Schiffswracks. Schwierig ist es, den Standort der Schiffswracks zu bestimmen, da genaue Angaben zum Untergang fehlen. Ebenso ist wohl ein Teil der Schiffe durch die Gewalt des Meeres total zerstört worden, sodass statt eines vollständigen Wracks vielleicht nur Bruchstücke erhalten geblieben sind.
Die Forschungen zur Hanse sind ein spannendes Thema. Wer mehr erfahren möchte, sollte den Blog von Fish and Ships (https://fishandships.dsm.museum/) verfolgen.
Wussten Sie, dass ein hansisches Bierfass 406 Liter fasste, genau so viel wie das Taufbecken der Marienkirche in Lübeck?