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Wieder in Deutschland 16.11. Feld

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Draußen ist der Himmel nun täglich grau in grau. Die Temperatur mindestens zwanzig Grad kälter als es mir lieb ist. Den ganzen Abend und die Nacht regnete es bereits und es hörte morgens auch nicht damit auf. Trotzdem zog ich mir um acht Uhr dreißig brav meine Jacke an, schlüpfte in meine Stiefel, setzte meine Mütze auf und stülpte mir meine Handschuhe über. Zusätzlich grabschte ich mir noch widerwillig einen Schirm und stiefelte los.

Kurz grüßte ich noch mein Auto in Gedanken und erklärte ihm, dass es die nächste Zeit wohl so oft wie möglich von mir stehen gelassen wird. Bis ich die eineinhalb Kilo abtrainiert habe, die ich seit dem Urlaub mit mir rumschleppe. Wieder besser in meine Kleidung passe und in meinem Bauch und auf meinen Hüften Platz für die ganzen Lebkuchen und Plätzchen ist, die nun in der Adventszeit von mir vertilgt werden. Ich liebe Lebkuchen. Sie warten schon auf ihren Einsatz. Ganz oben im Küchenschrank. Versteckt hinter Milch, Saft und Gurkengläsern. Dass sie mir ja niemand weg isst.

Heute waren es gerade mal vier Grad als ich aus dem Haus ging. Und es wurde auch den ganzen Tag nicht wärmer. Brav spannte ich meinen Regenschirm auf und stapfte los zur ersten Patientin. Normalerweise laufe ich durch die Seitenstraßen. Diese kenne ich aber nun schon in- und auswendig, deshalb suchte ich mir den Weg übers Feld aus. Dieser ist komplett geteert oder zumindest mit Schotter belegt, so dass dort mit Sicherheit alles schön trocken ist.

Mit Sicherheit.

Alles.

Schön.

Trocken.

Na klar.

Wie sollte es denn sonst dort aussehen, wenn es die letzten zwei Tage und Nächte durchgeregnet hat. Aber ich habe bestimmt Glück. Ich werde dafür belohnt, dass ich diesen weiten Weg zu Fuß auf mich nehme.

Anfangs ging auch alles gut. Bis riesige Pfützen kamen, die ich irgendwie überwinden musste. Am besten ausweichen. Rechts oder links war eigentlich egal, denn da war das Feld.

Das matschige Feld.

Vielleicht sollte ich umkehren? Ne, denn dann hätte ich Zeit verloren und wäre umsonst diesen Weg bisher gelaufen. Also vorsichtig durch den Schlamm. Allein das Geräusch ließ mich jetzt schon erahnen, wie meine Schuhe nach diesem Marsch aussehen würden. Nur nicht hinfallen. Dass ich im Winter gut gesehen werde, trage ich immer eine weiße Jacke mit passenden weißen Handschuhen. Eine schöne lange Jacke, so dass auch meine gesamten Oberschenkel schön warm bleiben. Der Matsch wird bestimmt nicht bis zu meiner weißen Jacke spritzen. Bestimmt nicht.

Zwischendurch war der Weg wirklich o.k. Bis die nächste Überschwemmung kam oder ein Traktor und ich wieder auf das Schlammfeld ausweichen musste. Irgendwie kam ich kaum voran. Aber gut, dass ich rechtzeitig los bin und viel Zeit eingeplant habe. Einmal hatte ich auch die Möglichkeit das geringere Übel zu wählen, zwischen versifftem Weg vor einer Baustelle oder bräunlich schmierigem Feldweg. Ich nahm den Feldweg. Meine Lieblingsstelle war jedoch diese: Entweder weiter geradeaus - bis die Schnellstraße kam und dann auf der Schnellstraße noch zwei Kilometer laufen, den LKWs entgegen mit weißer Jacke. Jedenfalls zu Beginn der zwei Kilometer wären sie noch weiß. Oder über eine Wiese mit Apfelbäumen, eine kleine Böschung hinunter und die Schnellstraße nur überqueren.

Ich entschied mich für die Wiese. Das nasse Gras konnte meine von Schlamm beschmierten Stiefel sicherlich ganz nebenbei säubern. Meinen Schirm umklammerte ich mit beiden Händen, denn mittlerweile stürmte und regnete es immer mehr. Ich glaubte mich daran zu erinnern, dass es eine mini kleine Böschung gab.

Wenn überhaupt.

Wahrscheinlich führte einfach ein Trampelpfad von dieser Wiese auf den eigentlichen Weg. Also alles kein Problem. Mittlerweile war ich seit einer Stunde unterwegs und hatte überhaupt keine Lust mehr hier herumzueiern. Anders konnte man das auch gar nicht nennen. Überall waren Einbuchtungen und Löcher auf dieser Wiese und schon mehrfach entkam ich knapp einer Verstauchung meines Fußgelenks.

Das Ende der Wiese rückte immer weiter ins Sichtfeld. Endlich konnte ich die Straße sehen. Vor mir. Ne... Vor mir war der Horizont. Treffender müsste ich sagen: Unter mir war die Straße. Das waren mindestens vier Meter Höhenunterschied. Steiler Höhenunterschied. Wie sollte ich denn da runterkommen. Ich war den Tränen nahe. Völlig erschöpft. Scheiß Lebkuchen und Plätzchen. Nur deshalb habe ich diesen super Pfad ausgesucht. Extra lange Strecke. Super Idee. Entweder musste ich diese riesige Wiese wieder zurücklaufen oder mich hier irgendwie am Gebüsch und der Wiese langsam nach unten hangeln.

Langsam ließ ich mich Millimeter für Millimeter nach unten gleiten. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich unversehrt unten an. Noch nie habe ich mich so gefreut auf einem ganz normalen Gehweg zu laufen. Nach einer weiteren halben Stunde kam ich völlig erschöpft bei meiner Patientin an. Mit letzter Kraft klingelte ich. Frau Brückner fragte mich ganz erschrocken, ob ich überfallen worden sei und ob sie die Polizei verständigen soll.

Ich sah an mir herunter. Ich sah wirklich total zerfleddert aus. Man konnte tatsächlich nicht mehr viel von meiner weißen Jacke erkennen. Sie war über und über mit braunem Schlamm, Blättern und Grashalmen versehen. Meine ehemals schwarzen Schuhe bestanden nur noch aus braunen Dreckbatzen und als ich mein Gesicht im Spiegel sah, erkannte ich mich kaum wieder. Große aufgerissene Augen, dunkle Augenringe, schief sitzende Mütze, rot erhitzte Wangen und zerzauste Haare. So konnte ein Arbeitstag doch wirklich prima beginnen.

MannJana

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