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1 Mexiko

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Xantoxati, ein kleines Dorf im mexikanischen Bundesstaat Sonora, ächzt unter der gnadenlosen Kraft der Mittagssonne. Weit über 40 Grad lassen die Luft flirren. Jegliche Lebensform bewegt sich im Zeitlupentempo oder verharrt apathisch. Der staubige und rissige Boden sehnt sich nach Wasser. Steine scheinen in der unbarmherzigen Glut bersten zu wollen. Ein normaler Sommertag in dem kleinen Ort am Rande der Wüste. Im Hintergrund hört man das Rauschen der Bundesstraße 15D. Der Fernverkehr dort schert sich einen Dreck um Xantoxati. 99,99 Prozent der Richtung Süden preschenden Fahrzeuge fahren an der kleinen abzweigenden Straße vorbei, folgen den Lockrufen der Metropolen und Pueblos Magicos, die beschildert die Richtung zu sich weisen. Vermutlich 98 Prozent der Vorbeifahrenden wissen nicht einmal, dass am Ende der kleinen abzweigenden Straße Xantoxati liegt, überhaupt, dass es Xantoxati gibt. Die kleine Straße geht bis zum Dorf, durchquert es und hört dann einfach auf. Ohne irgendeine Ankündigung ist einfach Schluss und es beginnt die mexikanische Wüste. Die Häuser links und rechts der Straße tragen die Spuren der Sonne, der Jahre, der Region und der Menschen als Patina stolz nach außen. Prunk sucht man vergebens in diesem kleinen Ort. Hier ist nichts beschönigt, alles ist so, wie für seinen Zweck geschaffen. Selbst die Kirche, etwas erhöht hinter den Häusern stehend, mit ihrem verblichenen weißroten Anstrich, verzichtet auf jegliche Form der überzogenen Selbstdarstellung. Ein schlichtes Kreuz über dem Eingang zeigt, worum es geht. Im Inneren vom Sitzen und Knien gebogene Holzbänke. Als Altar dient eine geschnitzte Marien-Statue, angefertigt vor hundertfünfzig Jahren von Hugo Diego Morales, ein damals im Dorf lebender künstlerisch ambitionierter Ziegenhirt. Die Mauern der Kirche sind dick, gebaut für die Ewigkeit. Sie sind so dick, dass die sehr gläubigen Dorfbewohner die Befürchtung haben, ihre Gebete bleiben in ihnen hängen und erreichen den Adressaten nicht, oder zumindest nur mit Verspätung. Es wird viel gebetet in Xantoxatis Kirche, damit die neuen Gebete die alten aus den Mauern drängen. Die Gottesdienste selbst werden bei sperrangelweit geöffneter Kirchentür durchgeführt. Vermischt mit dem Rauschen der D15 finden die himmlischen Fürbitten so hoffentlich ihren Weg.

Die Menschen im Dorf wohnen schon immer da, so wie ihre Vorfahren und deren Vorfahren. Sie tun das Gleiche wie ihre Vorfahren und deren Vorfahren und leben davon. Die Zeit schrammt, genau wie die Bundesstraße, an dem Dorf und seinen Bewohnern vorbei. Rasend schnell, man merkt es kaum. Die Berührung ist unterschwellig. Nur manchmal bleibt etwas hängen. Statistisch gesehen 0,01 Prozent.

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