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6. Verhalten gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung[26]

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Die Autoren empfehlen aus mehreren Gründen, mit § 28 VVG (Versicherungsvertragsgesetz), den AKB (Allgemeine Kraftfahrzeugbedingungen) in der jeweils für den/die Mandanten/in gültigen Fassung[27] und mit §§ 5 und 6 KfzPflVV (Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) sollte sich auch der/die Strafverteidiger/in befassen. Es besteht die Pflicht zur allgemeinen, umfassenden und erschöpfenden Beratung des/der Mandanten/in durch seine/n Rechtsanwalt/seine Rechtsanwältin. Insoweit droht dem/der Strafverteidiger/in möglicherweise sogar ein Regress. Denn das LG Düsseldorf[28] bejaht eine Pflichtverletzung des Anwaltsvertrags, wenn der/die Rechtsanwalt/in den/die Mandanten/in (allerdings bei einer Widerklage im Schadenersatzprozess) nicht auf die Schadenanzeigepflicht gegenüber der eigenen Haftpflichtversicherung hinweist, „ggf. sei der Versicherungsvertrag im konkreten Fall zu prüfen“. Dann kann in den Strafverfahren, in denen versicherungsvertragliche Fragen betroffen sind, nichts anderes gelten. Das OLG Hamm hat entschieden, dass die Meldung eines Schadens bei der Vollkaskoversicherung erst knapp 6 Monate nach dem Verkehrsunfall bei der Vollkaskoversicherung eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung darstelle, die zum Leistungsausschluss führe[29], selbst wenn man erst auf den Ausgang des Strafverfahrens zuwarten wollte. Man stelle sich die Reaktion des/der Mandanten/in vor, wenn das der Rat des/der Strafverteidigers/in gewesen wäre.

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Damit ist nach Auffassung der Autoren der/die Strafverteidiger/in gezwungen, sich bei der Verteidigung von Verkehrsstrafsachen auch mit den versicherungsvertraglichen Folgen der anwaltlichen Beratung/Vertretung zu befassen mit der Folge, dass dann mit dem/der Mandanten/in natürlich über die Honorierung dieser zweiten (versicherungsvertraglichen) Tätigkeit[30] zu sprechen ist. Im freien Mandat wird das sicher gut darstellbar und vermittelbar sein. Schwieriger ist das dem/der rechtsschutzversicherten Mandaten/in zu vermitteln.

Denn die Kostenübernahme durch Rechtsschutzversicherungen, das zeigt die Praxis, ist – vorsichtig formuliert – als zurückhaltend zu bezeichnen. Denn einerseits wird dem/der Rechtsanwalt/Rechtsanwältin entgegengehalten, es handele sich um eine vorläufige Interessenwahrnehmung, es sei also noch gar keinen Rechtsschutzfall entstanden; oder es handele sich nur um die Meldung von Schadensersatzansprüchen bei der eigenen Haftpflichtversicherung bzw. um die Abwehr fremder Schadensersatzansprüche und das seien keine Leistungen der Rechtsschutzversicherung. Da ein unentgeltliches Arbeiten immer ausscheidet, wird auch der/die rechtsschutzversicherte Mandant/in mit den Kosten zu belasten sein müssen; auf § 34 RVG wird verwiesen.

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Allerdings entsteht durch das Befassen mit den versicherungsvertraglichen Folgen ein strategischer Konflikt. Gegenüber den Ermittlungsbehörden ist das Berufen auf das Schweigerecht als Beschuldigter der richtige anwaltliche Rat; das Schweigen gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung birgt die Gefahr einer Obliegenheitsverletzung. Denn gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung besteht zum einen eine Schadenmeldepflicht, die sog. Anzeigepflicht (E.1.1.1 Muster-AKB 2015 des GDV) und zwar den Versicherungsfall – d.h. das Ereignis, welches geeignet ist eine Leistungspflicht der Kfz-Haftpflichtversicherung nach sich zu ziehen – betreffend[31] und zusätzlich das Bestehen jedweder behördlicher oder amtlicher Aktivitäten bzw. Ermittlung betreffend (E.1.1.2 Muster-AKB 2015 des GDV); d.h. wenn also die Polizei, Staatsanwaltschaft oder eine andere Behörde ermittelt, ist das der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung mitzuteilen.[32]

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Zum anderen besteht gegenüber der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung eine sog. Aufklärungspflicht (E.1.1.3 Muster-AKB 2015 des GDV), d.h. der Versicherungsnehmer hat Alles zu tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und zum Umfang der Leistungspflicht erforderlich ist. Dabei sind in E.1.1.3 Muster-AKB 2015 des GDV, fünf Pflichten ausdrücklich ausformuliert und eine lautet: „Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartezeit zu beachten (Unfallflucht)“.[33] Dabei geht es der Kfz-Haftpflichtversicherung insbesondere darum, Feststellungen zum Unfallhergang, zur Fahreigenschaft (vgl. D.1.1.3. Muster-AKB 2015 des GDV: Pflicht nur mit Fahrerlaubnis zu fahren) und zu einem möglichen Alkoholisierungsgrad (bzw. Konsum von BtM) des/der Fahrers/in zu treffen (vgl. D.1.2.Muster AKB 2015 des GDV: Pflicht nicht alkoholisiert bzw. anderweitig berauscht zu fahren).

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Da heute jede Kfz-Haftpflichtversicherung über eine Hotline bzw. „Unfall- und Pannennotrufzentrale“ verfügt, sollte dem/der Mandanten/in empfohlen werden, dort den Schaden (ggf. unter Zuhilfenahme eines Dritten) mündlich zumindest anzuzeigen und auch das Bestehen von polizeilichen Aktivitäten mitteilen. Oftmals reichen an einer Hotline die Angaben, dass man „Besuch von der Polizei hatte bzw. Post von der Polizei habe“, dabei „sei die Beteiligung an einem Unfall behauptet worden“ und die Benennung der Statusangaben zum (behaupteten) Unfall. Von einigen Versicherungen wird dieses so toleriert, da ein Schadenvorgang oftmals erst dann vollständig angelegt wird, wenn der/die Geschädigte konkret Ansprüche anmeldet. Dem/der Mandanten/in sollte empfohlen werden, sich über die telefonische Meldung des Schadens einen Vermerk mit dem Namen des Gesprächspartners von der Hotline zu fertigen, denn sollte es einmal streitig werden, ob ein Schadenfall überhaupt angezeigt wurde, so ist der/die Mandant/in beweisbelastet.[34] Bei strenger Auslegung stellt diese Vorgehensweise ggf. sogar einen Verstoß gegen die Anzeigepflicht dar, denn eigentlich muss die Anzeige inhaltlich so bestimmt sein, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung ausreichende Ansatzpunkte für eigene Ermittlungen und Nachfragen bekommt.[35]

Hinweis

Von der Anzeigepflicht gibt es eine Ausnahme (vgl. E.1.2.2 Muster-AKB 2015 des GDV), wenn als Fremdschaden lediglich ein Kleinstschaden (z.B. max. 600,-/800,- €, je nach Versicherungsbedingungen) zu erwarten ist. Dann kann eine Meldung des Schadens zunächst unterbleiben und der Versicherungsnehmer kann sein sog. Selbstregulierungsrecht gegenüber dem Geschädigten wahrnehmen. Sollte die Selbstregulierung misslingen, ist der Schaden dann anzuzeigen. Weiter gilt, sollte sich später herauszustellen, dass doch kein Kleinstschaden vorliegt, kann der Schaden noch nachträglich, ohne versicherungsvertragliche Sanktionen zu befürchten, gemeldet werden.[36]

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Sollte die Kfz-Haftpflichtversicherung des/der Mandanten/in nicht wie in Rn. 34 vorgeschlagen verfahren wollen oder spätestens dann, wenn die Kfz-Haftpflichtversicherung, an den sich der Unfallgegner gewandt hat, seine Formulare zum Schadenfall übermittelt, muss der/die Mandant/in zur Vermeidung einer Obliegenheitsverletzung weiter aktiv werden. Da die Kfz-Haftpflichtversicherung in den entsprechenden Formularen oder an der Hotline immer nach den „Personalien des Fahrzeugführers“ fragen, kommt der Antwort auf diese Frage zentrale Bedeutung zu. Einerseits muss der/die Versicherungsnehmer/in, um sich nicht der Gefahr einer Obliegenheitsverletzung auszusetzen, der Kfz-Haftpflichtversicherung gegenüber wahrheitsgemäße Angaben machen. Andererseits haben Staatsanwaltschaft und Gericht die Möglichkeit, die Schadenakten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung anzufordern, einzusehen und diese zu beschlagnahmen, um im Strafverfahren die Tatsache zu verwerten, wer dort vom dem/der Beschuldigten (bzw. Versicherungsnehmer/in, wenn der/die Mandant/in nur Fahrer/in war) als „Fahrzeugführer“ angegeben wurde.[37] Dasselbe Problem stellt sich bei Fragen zur Konkretisierung des Unfallhergangs, denn jede Frage die nicht vollständig beantwortet wird, birgt das Risiko einer Obliegenheitsverletzung einerseits, andererseits will der/die sich schweigend verteidigende Angeklagte sich nicht durch Schilderung eines Unfallhergangs für das Strafverfahren festlegen.

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Hinweis

Staatsanwaltschaften und Gerichte haben die Möglichkeit, die Kfz-Schadenakten bei der Kfz-Haftpflichtversicherung anzufordern, einzusehen und diese zu beschlagnahmen, um im Strafverfahren die Tatsache zu verwerten, wer dort vom/von der Mandanten/in (bzw. Versicherungsnehmer/in, wenn der/die Mandant/in nur Fahrer/in war) als „Fahrzeugführer“ angegeben wurde. Ein Beweisverwertungsverbot bezüglich der Angaben des/der Mandanten/in gegenüber seiner Kfz-Haftpflichtversicherung besteht im Strafverfahren nicht.

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Die Kfz-Haftpflichtversicherung interessiert bei der Schadenmeldung in erster Linie, ob der/die Fahrer/in berechtigt war, das Kfz zu benutzen und ob er/sie im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war. Um einer möglichen Beschlagnahme der Kfz-Schadenakten die von Staatsanwaltschaft bzw. Gericht gewünschte Wirkung zu nehmen, könnte eine zugegebenermaßen kritische Lösung sein, die Frage der Versicherung nach dem/der Fahrer/in zunächst wie folgt zu beantworten: „Der/die Fahrer/in war zur Benutzung des Kfz berechtigt und im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Weitere Angaben erfolgen erst später nach Abschluss des gegen mich laufenden Strafverfahrens“.[38] Damit ist die Frage der Versicherung zwar nicht vollständig beantwortet; von manchen Kfz-Haftpflichtversicherungen wird dieses Verhalten jedoch toleriert. Allerdings gilt, eine ideale Lösung gibt es nicht.

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Bei strenger Auslegung stellt eine solche ausweichende Antwort, insbesondere zur Person des/der Fahrers/in, allerdings schon einen Verstoß gegen die Aufklärungspflichten dar[39] und dieses kann gem. § 28 Abs. 2 VVG bei vorsätzlicher Verletzung zum Verlust des Versicherungsschutzes der Kfz-Haftpflichtversicherung im Innenverhältnis führen bzw. bei grob fahrlässiger Verletzung dieser Obliegenheit zur Leistungskürzung. Allerdings ist in der Kfz-Haftpflichtversicherung die Leistungsfreiheit bei „normalen“ Obliegenheitsverletzungen gem. § 6 Abs. 1 KfzPflVV auf maximal 2.500 € beschränkt und bei besonders schwerwiegender vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung auf maximal 5.000 € gem. § 6 Abs. 3 KfzPflVV erweitert. Allerdings ist die Obliegenheitsverletzung besonders schwerwiegend, wenn sich der Versicherungsnehmer seiner Kfz Haftpflichtversicherung gegenüber weigert, den Fahrer zum Unfallzeitpunkt anzugeben.[40]

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Zur Obliegenheitsverletzung des Kfz-Versicherungsvertrages bei Verkehrsunfallflucht bzw. dem Regress der eigenen Kfz-Haftpflichtversicherung bei Beendigung des Strafverfahrens bzw. Einstellung nach § 153a StPO vgl. Rn. 100 ff.

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