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Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung › II. Vorläufiger Verlust des Führerscheins, die richtigen Rechtsbehelfe

II. Vorläufiger Verlust des Führerscheins, die richtigen Rechtsbehelfe

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Schon im ersten Gespräch mit dem/der Mandanten/in (vgl. Rn. 11) muss die Verteidigung auch die Problematik des möglichen vorläufigen Verlusts der Fahrerlaubnis erörtern. Dabei muss zunächst genau erfragt werden, ob der Führerschein schon „weg“ ist und falls ja, wie genau es zum Verlust des Führerscheins gekommen ist, denn danach richtet sich die Statthaftigkeit der Rechtsbehelfe (vgl. dazu Rn. 61 ff., 67). Oftmals hat der/die Mandant/in den Führerschein schon freiwillig nach Aufforderung durch die Polizei herausgegeben (dann ist dieser sichergestellt) oder der Führerschein wurde von der Polizei nach Widerspruch des/der Mandanten/in beschlagnahmt oder der/die Mandant/in kommt erst zum/r Rechtsanwalt/in, wenn bereits ein Beschluss des Gerichts nach § 111a StPO über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vorhanden ist. Konsequenz aller Maßnahmen ist, dass der/die Mandant/in gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 StVG Kraftfahrzeuge nicht mehr fahren darf (vgl. auch Rn. 65 f.).

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Die wirtschaftliche oder (auch nur) persönliche Not ist in diesen Fällen sehr groß. Dennoch sollte man sich die Verteidigung nicht dazu verleiten lassen, ohne Akteneinsicht „ins Blaue hinein“ einen Antrag auf Herausgabe des sichergestellten Führerscheins oder sogar eine Beschwerdeschrift (vgl. Rn. 67 ff.) zum Landgericht zu verfassen. Der/die Mandant/in wird allerdings oft meinen, man setze sich nicht genug ein. Zeugenaussagen und Indizien kann man nämlich nur dann widerlegen, wenn man sie genau kennt; die Erwartungshaltung des/der Mandanten/in ist zu dämpfen(vgl. zur Einlassung des Mandanten Rn. 23 ff. und zur Akteneinsicht Rn. 86).

Hinweis

Die Autoren empfehlen, bei vorläufigem Verlust des Führerscheins den statthaften Rechtsbehelf (vgl. dazu Rn. 61, 62, 63, 67) einzulegen und zur Begründung des Rechtsbehelfs die Gewährung von Akteneinsicht zu beantragen (vgl. dazu Rn. 86). Oftmals kommt die Staatsanwaltschaft dem nach und es kann eine überraschende Entscheidung „nach Aktenlage“ verhindert werden und mit dem/der Mandanten/in können die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs fundiert besprochen werden (vgl. dazu Hinweis Rn. 74 a.E.). Oftmals übermittelt auch der Ermittlungsrichter, wenn dort der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines § 111a-Beschlusses vorliegt, die Akte zur Einsicht, bevor über den Antrag entschieden wird.

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Ist der Führerschein von der Polizei im Ermittlungsverfahren, z.B. bei Befragung des/der Mandanten/in oder bei der Besichtigung des eigenen Pkw sichergestellt worden und der/die Mandant/in hat dem nicht widersprochen, sondern sich dem polizeilichen Begehren auf Herausgabe des Führerscheins ohne Widerspruch gebeugt, dann ist der richtige Rechtsbehelf der Widerspruch gegen die Sicherstellung (vgl. § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO a.E.) und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO mit dem Antrag auf Herausgabe des Führerscheins.

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Ist der Führerschein von der Polizei im Strafverfahren beschlagnahmt worden, da der/die Mandant/in mit dem polizeilichen Begehren auf Herausgabe des Führerscheins nicht einverstanden war und hat selbst widersprochen, dann soll die Polizei gemäß § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO binnen drei Tagen die gerichtliche Bestätigung seiner Beschlagnahme beantragen und es ergeht von Amts wegen eine Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts. Auch wenn das Gesetz von einem von Amts wegen zu führenden Verfahrensablauf ausgeht, so empfiehlt sich, zumindest zur Beschleunigung, den Widerspruch gegen die Beschlagnahme schriftlich nochmals zu erheben und den Antrag auf Herausgabe des Führerscheins zu stellen.

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Ist der Führerschein noch im Besitz des/der Mandanten/in, da die Polizei im Ermittlungsverfahren von einer Sicherstellung bzw. Beschlagnahme der Fahrerlaubnis nicht ausgegangen ist oder die Maßnahme vergessen wurde oder es ergibt sich in dem weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens z.B. erst nachträglich durch Feststellung ein „bedeutender“ Fremdschaden gem. § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB (vgl. dazu näher unter Rn. 429 ff.) bzw. die bisher vergessene Maßnahme wird nachgeholt, so folgt ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO. Dabei ist zu unterscheiden, ob sich z.B. die nachträgliche Feststellung eines bedeutenden Fremdschadens vor oder nach Abschluss der Ermittlungen ergibt. Vor Abschluss der Ermittlungen stellt die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 3 StPO gemäß § 162 Abs. 1 StPO beim Ermittlungsrichter. Oftmals wird der Antrag auch mit Erhebung der Anklage oder dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gegenüber dem für die Hauptsache zuständigen Gericht gemäß § 162 Abs. 3 StPO gestellt. Der richtige Rechtsbehelf der Verteidigung ist dann, den Antrag der Staatsanwaltschaft gegenüber dem zuständigen Amtsgericht zurückzuweisen.

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Der Verteidiger sollte seinem/r Mandanten/in auch die praktischen Abläufe erklären: Der Beschluss gemäß § 111a StPO wird gelegentlich von der Polizei dem/der Mandanten/in persönlich an seiner Wohnanschrift oder Arbeitsstätte zugestellt und versucht gleichzeitig mit Aushändigung des Beschlusses auch den Führerschein zu beschlagnahmen. Regelmäßig wird der Beschluss auch mit der Post dem/der Mandanten/in in Person und nicht der Verteidigung zugestellt und später erst die Polizei bemüht, falls der Führerschein nicht freiwillig abgegeben wird.

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Da der/die Mandant/in meist „Fahrerlaubnis“ und „Führerschein“ gleichsetzt, sollte man auch darüber belehren, dass nach Kenntnis des Gerichtsbeschlusses nicht mehr gefahren werden darf und der/die Mandant/in sich anderenfalls nach § 21 StVG strafbar macht, gleichgültig, ob man noch im Besitz des Führerscheins ist oder nicht. Es ist somit sinnvoll, in einem solchen Fall den Führerschein sofort bei der Polizei abzugeben und die Abgabe des Führerscheins nebst Zeitpunkt sich quittieren zu lassen.

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Wenn der/die Mandant/in nicht nach dem 1.4.1965 geboren ist, dürfte er in einem solchen Fall allerdings weiterhin mit einem „Mofa“ oder „Leichtmofa“ fahren, weil diese Fahrzeuge zu den fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen gehören. Zu beachten ist, dass Personen, die nach dem 1.4.1965 geboren sind, eine Prüfbescheinigung erwerben müssen, bevor sie ein Mofa fahren dürfen. Wer also eine Prüfbescheinigung benötigt und diese nicht vor dem Erwerb seiner – nunmehr vorläufig entzogenen – Fahrerlaubnis erworben hatte, darf kein Mofa fahren. Die Führerschein-Behörde kann auch später u. U. das Führen eines „Mofas“ oder eines Fahrrads untersagen.[1]

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