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Zwölf ELIZABETH WILLOUGHBYS TAGEBUCH

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7. Januar 1915

Heute kam ein Photograph zu Besuch. Aus seinen Aufnahmen werden Postkarten gemacht, die die Patienten an ihre Familien nach Hause schicken können und die in der Stadt verkauft werden. Ich finde es etwas seltsam, mir diese Bilder neben Bildern vom Aquarium und vom Palace Pier vorzustellen, aber ich nehme an, über Geschmack lässt sich nicht streiten.

Mr. Fry war ein adretter kleiner Mann, der von einem Assistenten begleitet wurde, Mr. Cartwright, dessen Aufgabe es zu sein schien, die umfangreiche Ausrüstung zu tragen, während Mr. Fry dafür sorgte, dass jedes Porträt genau so war, wie er es wollte.

Wir hatten uns viel Mühe mit den Vorbereitungen gegeben: Von ganz oben war die Order gekommen, einen guten Eindruck zu hinterlassen, und so wurden die Patienten hergerichtet, die Betten geglättet, Blumen gepflückt und hübsch arrangiert, aber Mr. Fry machte ein Gewese und wollte, dass wir die Betten den Bruchteil eines Zolls hierhin und dorthin rückten und dann wieder zurück, und sagte, seine Photos müssten die Tatsache widerspiegeln, dass der PAVILION ein Militärkrankenhaus ist und deshalb, wie er es nannte, »perfekte Linien« haben müsse.

Mir bereitete es Sorge, die Betten zu bewegen, während die Patienten darin lagen, aber ich rief mir Colonel MacLeods Order in Erinnerung und wies die Pfleger an, Mr. Frys Anweisungen zu befolgen. Als die Betten positioniert waren, musterte Mr. Fry sie lange, blinzelte, legte den Kopf schief, wandte sich dann an mich und fragte, ob ich die Decken glätten könnte, da sie ein wenig faltig seien.

Obwohl ich leicht indigniert war über seine Andeutung, dass die Betten vielleicht nicht ganz perfekt waren, tat ich, was er wünschte.

Plötzlich war Hari an meiner Seite.

»Sie sollten so etwas nicht tun«, murmelte er. »Erinnern Sie sich?«

»Oh«, flüsterte ich erschrocken. »Ja. Natürlich.«

Während der Pfleger sich durch die Bettenreihe arbeitete, die Decken flachklopfte und glattstrich, drehte ich mich zu Hari um und bedankte mich im Flüsterton. Der Anflug eines Lächelns huschte über seine Lippen, und er quittierte meinen Dank mit einem kleinen Achselzucken.

In der Zwischenzeit hatte Mr. Fry seine Aufmerksamkeit darauf gelenkt, wie wir uns aufstellen sollten. Die Patienten sollten aufrecht im Bett sitzen, die Hände auf der Decke übereinandergelegt, den Blick geradeaus gerichtet, nicht auf die Kamera, die Mr. Cartwright geduldig am anderen Ende des Raumes in Position brachte. Mr. Fry wählte sorgfältig sechs Mitarbeiter aus und hieß uns neben den Betten der Patienten Stellung nehmen.

Der Tag war frisch, aber nicht kalt, und so wurden einige der Patienten überredet, gruppenweise im Garten zu posieren: die Sikhs zusammen, dann die Gurkhas, Dogras und Pathans. Ich fühlte mich an die Schule erinnert, als Mr. Fry sie dirigierte wie für eines dieser scheußlichen Klassenphotos am Ende des Schuljahrs: einige saßen vorne, die anderen standen hinter ihnen, und ich dachte an Miss Hewitt, die uns herumkommandierte, während der Wind in Böen vom Meer her wehte und wir mit unseren Lacrosse-Schlägern zitterten.

Ich hatte nicht erwartet, dass ich auf den Bildern des Operationssaals zu sehen sein würde, da ich für gewöhnlich nichts darin zu suchen habe, aber Mr. Fry wollte eine Frau dabeihaben, damit es weniger streng aussah. Ich stand zwischen den britischen Ärzten und Hari und versuchte auszusehen, als ob ich dazugehörte.

Als Mr. Fry fertig war, drehte ich mich zu Hari um, der sich vor der Kamera genauso unbehaglich gefühlt hatte wie ich, und gestand, dass ich froh war, dass es vorbei war und dass es mir schwergefallen war, mich unbefangen zu geben.

»Ich mache mir Sorgen darüber, wofür man sie benutzen wird«, sagte er.

Ich fragte, was er damit meine, und er äußerte die Vermutung, dass man die Postkarten zur Rekrutierung verwenden würde. Wenn die Patienten die Postkarten an ihre Familien schickten, würde jeder in Indien denken, wie wundervoll das Krankenhaus war, und dankbar sein und noch mehr Söhne in den Krieg schicken.

Ich dachte einen Moment darüber nach. »Nun, unser Krankenhaus ist ziemlich gut. Und wir brauchen in der Tat mehr Männer an der Front.«

»Ich habe eine Theorie«, sagte er. »Erinnern Sie sich an unser Gespräch über die Bemühungen, den Männern gerecht zu werden und alles getrennt zu halten?«

Ich nickte.

»Und haben Sie von dem indischen Aufstand gehört?«

Ich nickte wieder. Roberts Großvater war bei der Belagerung von Delhi ums Leben gekommen – Robert hatte mir alles darüber erzählt.

»Und wissen Sie, dass er durch das Gerücht ausgelöst wurde, die Patronen für die Armee der East India Company seien mit Schweineschmalz und Rindertalg behandelt worden?«

Ich bejahte, begierig darauf, mein Wissen zu zeigen. »Die Sepoys mussten sie aufbeißen, um das Schießpulver freizusetzen, und das war für Moslems und Hindus gleichermaßen ein Verstoß gegen ihre religiösen Vorschriften.«

Er schien überrascht, dass ich das wusste, und sagte, seiner Theorie zufolge hätten die Briten aus ihren Fehlern gelernt: Sie wüssten jetzt, dass sie diese Dinge richtig handhaben müssten. Mit Tausenden von indischen Soldaten an der Front sei ein weiterer Aufstand das Letzte, was sie wollten. Was sie jedoch wollten, waren mehr Männer, um ihren Feldzug fortzusetzen, und so sei es wichtig zu zeigen, dass man sich um die Inder, die bereits hier waren, gut kümmerte.

»Von den anderen Hospitälern machen sie keine Postkarten, oder? Sie haben den PAVILION ausgewählt, weil er so beeindruckend aussieht.«

Vielleicht hatte Hari recht: Nichts ist so einfach, wie es scheint, und alles Gute geschieht aus verborgenen Gründen, aber ich war mir da nicht so sicher.

»Ich pflege die Männer, weil ich möchte, dass sie sich erholen. Ich will etwas bewirken. Wollen wir das letzten Endes nicht alle?«

Er stand einen Moment lang ganz still und dachte nach; dann lächelte er. »Natürlich. Aus dem Grund bin auch ich hier.«

Erleichtert erwiderte ich sein Lächeln. Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie möchte ich, dass Hari Mitra gut von mir denkt.

Er schaute mich etwas seltsam an, als ob er versuchte, etwas zu ergründen, und sagte dann etwas Merkwürdiges. »Ich bin nicht … nicht immer sehr gut in …«

»Worin?«

»Ich meine, ich sehe nicht immer das Beste in einer Situation oder in den Menschen. Das ist ein Fehler, den ich habe, ich weiß.«

Ich war überrascht über die Intimität seines Geständnisses.

»Sie … Sie sind der erste Mensch, seit …«

Er brach ab, holte tief Luft, als wolle er noch etwas sagen, aber dann drehte er sich um und ging schnell davon. Ich stand da und wusste nicht recht, was gerade passiert war und was er hatte sagen wollen. Das frage ich mich auch jetzt noch.

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