Читать книгу Kein Kaviar für Killer: 4 Krimis - Cedric Balmore - Страница 28
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Zunächst besorgten wir von der Telefongesellschaft eine Liste mit den Gesprächen, die Dr. Martin am Vortag geführt hatte. Es waren in der Tat lediglich drei Anrufe bei der Columbia Universität. Im Besitz eines Handys zu sein hatte der Professor bestritten.
Sein ausgebrannter Wagen war abgeschleppt worden und stand nun in der Werkstätte der SRD, wo er auf Spuren untersucht wurde. Wobei ausgeschlossen war, dass Spuren der Personen auffindbar waren, die vor dem Brand mit dem Fahrzeug gefahren waren. Es ging nur noch um letztendliche Klärung der Brandursache.
Milo und ich fuhren nach Brooklyn. Carol Jackson ließ uns in ihr Apartment. Fragend schaute sie von einem zum anderen. „Ich habe Ihnen alles erzählt“, sagte sie. „Was führt Sie noch einmal zu mir?“
„Sie wurden gestern mit einem weißen Ford nach Queens zum Sit-in Ihrer Selbsthilfegruppe chauffiert“, sagte ich. „Wem gehört der Wagen?“
„Meinem Bruder Josh. Ich habe Ihnen doch von ihm erzählt. Er unterstützt mich finanziell.“
„Wie heißt Ihr Bruder mit vollem Namen, und wo wohnt er?“
„Josh Meredith. Er wohnt in Manhattan, in der Henry Street. Warum wollen Sie das wissen? Sie verdächtigen doch nicht meinen Bruder, der Schlitzer von Harlem zu sein?“
„Wir müssen seinen Wagen einer Routineüberprüfung unterziehen“, versetzte ich. „Bringt Sie Ihr Bruder immer zu den Versammlungen der Selbsthilfegruppe?“
„Ja.“
„Wie steht Ihr Bruder zu Ihrem Mann?“
„Warum fragen Sie das?“
„Beantworten Sie einfach meine Frage.“
„Was soll ich sagen? Mein Bruder und ich hatten schon immer eine sehr enge Beziehung miteinander. Das änderte sich auch nicht, nachdem ich Richard geheiratet habe. Als Josh erfuhr, dass Richard mich mit Aids infiziert hatte, drohte er im ersten Impuls, ihn umzubringen. Aber schon bald besann er sich. Er gab nicht Richard die Schuld, sondern der Hure, bei der sich mein Mann angesteckt hatte. Die Huren gehören ausgerottet, meinte Josh.“
„Haben Sie eine Ahnung, was Ihr Bruder treibt, sobald er Sie jeweils zu Hause abgeliefert hat?“
„Nun, ich denke, er fährt zu sich nach Hause.“
„Haben Sie mit ihm schon einmal über den Schlitzer von Harlem gesprochen?“
„Josh brachte einmal die Sprache darauf. Er meinte, dass es wohl noch mehr Menschen gibt, die voll Hass auf die Huren sind.“
„Die Zeitungen schrieben von Ritualmorden. Wie kommt Ihr Bruder darauf, dass Hass auf die Mädchen das Motiv ist?“
„Das müssen Sie meinen Bruder schon selber fragen.“
„Das werden wir“, versicherte ich. „Ist Ihr Bruder beschäftigt?“
„Ja, er arbeitet bei der Welsh Corporation in der Leroy Street. Josh ist Buchhalter. Zu Hause werden Sie ihn um diese Zeit nicht antreffen.“
Wir verabschiedeten uns von Mrs. Jackson.
Eine Stunde später sprachen wir Josh Meredith. Er hatte ein eigenes Büro bei der Welsh Corporation. Eine Sekretärin meldete uns an. Josh Meredith war in gehobener Position bei der Firma tätig. Das wurde uns sehr schnell klar.
Ich glaubte ein unruhiges Flackern in seinen Augen wahrzunehmen, als wir sein Büro betraten. Er bot uns an dem runden Konferenztisch Sitzplätze an. Wir ließen uns nieder. Meredith verließ seinen Platz hinter dem Schreibtisch und setzte sich zu uns. „Was darf‘s sein, meine Herren?“, fragte er.
„Wo waren Sie in der vergangenen Nacht nach zweiundzwanzig Uhr?“, fragte ich und fiel damit gleich mit der Tür ins Haus.
Der Mann überlegte nicht lange. „Ich habe um zweiundzwanzig Uhr meine Schwester vom Treffen ihrer Selbsthilfegruppe abgeholt. Zwischen zweiundzwanzig Uhr fünfzehn und zweiundzwanzig Uhr dreißig haben ich sie vor ihrem Haus in Brooklyn abgesetzt und bin anschließend nach Hause gefahren. Ich wohne in der Henry Street in Manhattan.“
„Haben Sie ein Alibi für die Zeit zwischen zweiundzwanzig Uhr dreißig und zwei Uhr?“
„Wozu brauche ich das?“
„Haben Sie ein Alibi?“, wiederholte ich meine Frage.
„Ich bin geschieden und lebe alleine. Meine Schwester kann bezeugen, dass ich sie gegen halb elf abends vor ihrer Wohnung in Brooklyn abgesetzt habe.“
„Sie fahren einen weißen Ford Lincoln.“ Das war keine Frage, sondern eine glasklare Feststellung.
„Das ist richtig. Warum fragen Sie?“
„Ein weißer Ford Lincoln spielt eine große Rolle bei der Entführung und Ermordung einiger Mädchen vom Straßenstrich.“
Josh Meredith lächelte starr. Aber er schwieg.
Ich fuhr fort: „Fünf der Girls wurden in der Morningside Avenue entführt, Nummer sechs gestern Nacht in der hundertsechzehnten Straße. Die Entführungen geschehen jeweils nach den Sit-ins der Selbsthilfegruppe, der Ihre Schwester angehört. Einige Tage später werden die Mädchen ermordet aufgefunden. Der Killer schneidet ihnen die Herzen aus dem Leib.“
Meredith nickte. „Sie sprechen vom Schlitzer von Harlem, nicht wahr?“
Ich nickte. „Laura Bennett und Melanie Stockton wurden zuletzt gesehen, als sie in einen weißen Ford Lincoln stiegen.“
„Ich stelle Ihnen meinen Wagen gerne zur Verfügung, damit Sie ihn auf Spuren nach den Mädchen untersuchen können“, sagte Meredith. „Was sollte ich für einen Grund haben, irgendwelche Mädchen vom Straßenstrich zu ermorden?“
„Ihre Schwester hat sich bei ihrem Mann mit Aids infiziert. Richard Jackson hat sich auf dem Straßenstrich angesteckt. Vielleicht sind Hass und Rachsucht das Motiv.“
Meredith erhob sich, ging zu einem Kleiderschrank, öffnete ihn und griff in die Tasche seiner Jacke, die da an einem Bügel hing. Seine Hand förderte einen Schlüsselbund zu Tage, von dem er einen Schlüssel abnahm. Den Schlüsselbund ließ er wieder in die Tasche gleiten. Er kam zu uns zurück und reichte mir den Schlüssel. „Er ist für die Tür und das Zündschloss“, sagte er.
Ich nahm den Schlüssel und war ein wenig verdutzt. Entweder Meredith hatte mit der Sache wirklich nichts zu tun, oder er war ganz besonders unverfroren und kaltschnäuzig.
Ich schob den Schlüssel ein.
„Der Wagen steht im Hof“, sagte Meredith, und ein hintergründiges Lächeln umspielte seinen Mund. „Es gibt nur den einen weißen Ford Lincoln auf den Firmenparkplätzen. Sie können ihn gar nicht verfehlen.“
„Haben Sie noch Kontakt zu Richard Jackson?“
„Nein. Er hat meine Schwester auf dem Gewissen.“
„Hassen Sie ihn deswegen?“
„Nun, ich bin ihm nicht gerade freundlich gesonnen. Schließlich und endlich aber ist er selbst Opfer seines Sexualtriebes geworden. Nein, ich hasse ihn nicht. Vielleicht bedauere ich ihn sogar. Er hat das Leben meiner Schwester nicht vorsätzlich zerstört. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem klar wurde, dass er meine Schwester mit der tödlichen Seuche angesteckt hatte, führten die beiden sogar eine harmonische Ehe.“
„Zu Ihrer Schwester sprachen Sie davon, dass der Täter kein Ritualmörder sei, sondern vom Hass getrieben werde.“
„Ja, das ist meine Auffassung. Aber eben nur eine Vermutung. Vielleicht spielt sogar beides eines Rolle. Ritual und Hass.“
Das war eine dritte Variante, die Josh Meredith ins Spiel brachte. Ich ging nicht mehr weiter drauf ein. „Sie erhalten Ihren Wagen zurück“, sagte ich, „sobald die erforderlichen Untersuchungen stattgefunden haben.“ Als ich es sprach, war ich davon überzeugt, dass wir in seinem Wagen nichts finden würden, was auf seine Täterschaft hindeuten würde.
Was hatten wir bisher?
So gut wie nichts.
Einige Verdächtige. Richard Jackson, Dr. Steven Martin, Josh Meredith. Jackson fuhr einen Chevrolet, der auf Spuren untersucht worden war. Ergebnis negativ.
Dr. Martin hatte einen weißen Ford Lincoln besessen, der in der Nacht Opfer einer Brandstiftung wurde. Das warf natürlich Fragen auf. Wurde der Wagen angezündet, um Spuren zu vertilgen? Wer hatte den Wagen in Brand gesetzt? Sollten wir auf eine falsche Spur gelockt werden? Wenn es so war, dann war ich vom „Schlitzer“ überwacht worden.
Und auch Josh Meredith besaß einen weißen Ford Lincoln. Er überließ ihn uns freiwillig, damit wir ihn auf Spuren untersuchen konnten. Soviel Sicherheit wie Meredith kann nur ein Mann vermitteln, der weiß, dass sein Wagen „sauber“ ist.
Es sah ganz und gar nicht danach aus, dass sich eine Lösung des Rätsels, vor dem wir standen, anbahnte.
Wie eine tonnenschwere Last legte sich das Wissen auf mich, dass sich seit der vergangenen Nacht wieder ein Mädchen in den Händen des Mörders befand. Wir tappten im Dunkeln. Laura Bennett zu retten war uns nicht gelungen. Der „Schlitzer“ hatte uns geradezu vorgeführt. Irgendwann würde sich Mr. McKee einer Pressekonferenz stellen müssen. Und er würde eingestehen müssen, dass wir mit unseren Ermittlungen noch kein Jota weitergekommen waren. Ein gefundenes Fressen für die Medien!
Aber darum ging es nicht. Es ging um ein Menschenleben. Es ging um das Leben Melanie Stocktons. Nicht unser Ansehen in der Öffentlichkeit musste für uns Triebfeder sein, sondern die Rettung Melanies.
Wir verließen Josh Meredith. Milo übernahm es, dessen Ford zur SDR zu schaffen, damit er auf Spuren untersucht wurde.