Читать книгу Kein Kaviar für Killer: 4 Krimis - Cedric Balmore - Страница 30
Оглавление24
Melanie Stockton lag gefesselt auf dem Bett im Schlafzimmer der Kellerwohnung. Ein Knebel steckte in ihrem Mund. Es war Tag. Die Vorhänge vor dem Fenster waren zugezogen. Nichts rührte sich. Dumpf schlug das Herz in Melanies Brust. Die Angst fraß in ihr wie schleichendes Gift. Sie wusste, dass sie sich in der Gewalt des „Schlitzers von Harlem“ befand. Ihre Zuversicht, ihm zu entkommen, war gleich Null.
Melanie Stockton hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Muffiger Geruch stieg ihr in die Nase. Melanie mutete es an wie der Geruch von Tod und Verderben. Wahrscheinlich war der Raum schon seit Monaten nicht mehr gelüftet worden. Melanie ahnte, dass hier die Mädchen festgehalten worden waren, die man später tot, mit herausgeschnittenen Herzen, aufgefunden hatte.
Ihr Peiniger hatte sie im Auto – einem weißen Ford Lincoln – bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt, dann gefesselt und geknebelt und hierher gebracht. Hier war sie erst zu sich gekommen. Über ihr spannte sich eine helle Zimmerdecke. Die vier Wände waren kahl und schmucklos. An vielen Stellen war der Putz abgebröckelt.
Jetzt öffnete sich die Zimmertür, und der Killer betrat das Schlafzimmer. Es war ein großer Mann mit eingefallenen Wangen und einem dünnlippigen Mund. Seine Haare begannen sich grau zu färben. Seine Augen blickten kalt. Melanie hatte das Gefühl, unter diesem Blick frösteln zu müssen.
Der Killer beugte sich über sie. „Du bist die Nummer fünf hier in New York. Ich bin gespannt, wie lange deinesgleichen noch die Straßen unsicher macht. Pech gehabt, Kleine. Du warst zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber dann hätte es eine andere von deiner Sorte erwischt. Im Endeffekt ist es doch egal.“
Der Killer löste Melanies Fußfesseln, dann knüpfte er die Fessel um ihre Handgelenke auf. Zuletzt zog er ihr den Knebel aus dem Mund. „Zieh dich aus. Ganz nackt. Du wirst mir zu Willen sein, ehe du in die Hölle fährst. Euch zu erniedrigen ist Teil unserer Rache ...“
Der Mann verstummte und lachte kehlig.
Dann erhob er wieder das Wort. „Und denk nicht, dass du mir entkommen kannst. Deine Vorgängerin hat es auch versucht. Es ist sinnlos. Also sei artig und versuch nichts.“
Da dudelte im Livingroom ein Telefon.
Der Killer packte Melanies linkes Handgelenk und drehte ihr brutal den Arm auf den Rücken. Das Mädchen schrie auf, dann beugte es den Oberkörper nach vorn, um dem Schmerz im Schultergelenk etwas entgegenzuwirken. Der Killer bugsierte sie durch die Tür, zum Tisch, auf dem sein Handy lag und griff mit der Linken nach dem Mobiltelefon. Er drückte die OK-Taste. „Was ist?“
„Das FBI – scheint mir – ist auf der richtigen Spur. Die Agenten Trevellian und Tucker waren vor einer Stunde bei mir und haben meinen Wagen beschlagnahmt. Allerdings werden sie Pech haben, denn in meinem Ford hat keines der Mädchen gesessen. Aber der Verdacht ist da. Es war dumm von dir, einen Ford Lincoln als Zweitwagen anzumelden.“
„Jeder fünfte in New York fährt wahrscheinlich einen Ford Lincoln. Außerdem habe ich zuletzt gestohlene Kennzeichen benutzt. Sollen Sie doch deinen Ford durchsuchen. Wie du schon sagtest wurde in dem Wagen nie eine der Huren befördert.“
„Wo bist du im Moment?“
„In der Wohnung in Harlem. Ich will mich ein wenig mit der Nutte vergnügen, ehe ich sie über den Jordan schicke und ihr das Herz herausschneide.“
„Verdammt, lass die Finger von den Weibern! Das bringt uns möglicherweise noch in Teufels Küche. Lass die Bullen nur auf die Idee verfallen, einen genetischen Fingerabdruck von dir zu nehmen und mit den gespeicherten DNS-Analysen zu vergleichen.“
„Keine Sorge. Ich habe den Narren ein Alibi präsentiert, als Laura Bennett entführt wurde. Ich war in der Arbeit. Die Spuren der Entführung sind mit Stevens Ford verbrannt. Ich fahre einen alten Chevy. Er wurde auf Spuren durchsucht. Ich bin aus dem Schneider. Die beiden FBI-Schnüffler lassen mich in Ruhe, nachdem der Wagen bei der Spurensicherung war.“
„Wir sollten einige Zeit aufhören. Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass uns Trevellian und Tucker dicht auf den Fersen sind. Ein Anfangsverdacht – scheint mir – ist vorhanden. Der Beweis fehlt den beiden Schnüfflern noch. Aber sie lassen sicher nicht locker.“
„Du machst dir viel zu viele Gedanken“, sagte Richard Jackson. „Der Verdacht nützt Trevellian und Tucker nichts. Ein Beweis lässt sich weder gegen dich noch gegen Steven finden. Ich bin über jeden Verdacht erhaben, nachdem ich ein Alibi lieferte und sich in meinem Wagen keine Spuren fanden. Aber meinetwegen. Hören wir für einige Zeit auf, Huren zu bestrafen. Ich bin allerdings der Meinung, dass gerade dies den Verdacht gegen dich und Martin verstärkt. Gerade in dieser Phase sollten wir nicht aufhören.“
„Dann musst du es alleine machen. Es ist nicht auszuschließen, dass Martin und ich überwacht werden. Erst wenn wir den Bullen über einen gewissen Zeitraum nichts liefern, was den Verdacht gegen uns erhärten könnte, werden sie ihre Aufmerksamkeit von uns nehmen.“
„Ich habe sowie fast die ganze Arbeit allein gemacht“, knurrte Jackson.
„Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Trevellian und Tucker sowohl mir wie auch Steven im Genick sitzen. Wir können uns im Augenblick keinen Fehler leisten. – Aber du hast Recht. Es würde sogar den Verdacht von uns ablenken, wenn sie uns observieren und trotzdem weiterhin Huren verschwinden und umgebracht werden. Ein besseres Alibi können Steven und ich uns gar nicht wünschen.“
„Na also. Wie sieht es bei unseren Verbündeten in Baltimore, Cincinnati und Indianapolis aus? Hat Steven irgendwelche Rückmeldungen erhalten? Schließlich ist er der Boss.“
„Sibley können sie nichts am Zeug flicken. Sie können ihn lediglich wegen tätlichen Angriffs auf die Hure und eventuell wegen Körperverletzung anklagen. Er kommt innerhalb kürzester Zeit wieder auf freien Fuß. James hat in Baltimore eine Hure in seine Gewalt gebracht. Er wird ihr noch den Garaus machen. Dann ist für eine Weile Schluss. Unsere Leute werden sich in den kommenden Wochen zurückhalten.“
„Dann wird also nur der Schlitzer von Harlem sein satanisches Werk fortführen“, knurrte Jackson. Dann gewann seine Stimme einen leidenschaftlichen Ausdruck. „Das gibt mir ein Gefühl tiefer Befriedigung. Ich übe Macht aus. Macht über die Huren, die in der Kellerwohnung landen. Ich kann sie meinen Hass spüren lassen, sie demütigen, mich an ihrer Angst weiden. Und wenn ich irgendwann an Aids zugrunde gehe, werde ich die Genugtuung mit ins Grab nehmen, mich gerächt zu haben. Sie haben mein Leben zerstört. Sie sind schuld daran, dass die Frau, die ich mit jeder Faser meines Herzens liebte, mit HIV infiziert ist. Sie haben meine Ehe zerstört ...“
„Du solltest klaren Kopf behalten, Rich“, sagte der Sprecher am anderen Ende der Leitung. „Wenn du dich von deinen Emotionen leiten lässt, haben sie dich schneller, als du denken kannst. Und du gefährdest auch mich und Steven.“
In diesem Moment riss sich Melanie los. Sie hatte bemerkt, dass der Druck in ihrer Schulter etwas nachließ, ein kraftvoller Ruck, und ihr Arm war frei.
„Verdammt!“, blaffte Richard Jackson. Er warf das Telefon auf den Tisch und setzte hinter Melanie her, die zur Tür gelaufen war. Melanie warf sich dagegen, drehte den Türknauf herum. Die Tür war verschlossen.
Das Mädchen wirbelte herum. Jackson sprang. Behände wich Melanie zur Seite aus. Jackson prallte gegen die Tür. Da lief Melanie schon in Richtung Schlafzimmer. Sie erreichte das Fenster und riss den Vorhang herunter. „Hilfe!“, brüllte sie. „Hiiilfe!“
Ehe sie das Fenster hochschieben konnte, war Jackson bei ihr. Er griff mit beiden Händen nach dem Mädchen, das jetzt herumwirbelte und sein Bein in die Höhe schnellen ließ. Es traf Jackson in den Leib. Ein dumpfer Ton brach aus seiner Kehle, seine Hände verkrampften sich über seinem Leib, sein Oberkörper pendelte nach vorn.
Melanie schlug ihm die kleine Faust ins Gesicht, dann stieß sie ihn zur Seite und rannte wieder in den Livingroom. Und wieder schrie sie gellend nach Hilfe.
Einer jähen Eingebung folgend packte sie einen Stuhl und warf ihn in das Fenster. Glas klirrte. Scherben regneten draußen auf den Boden. „Hilfe!“ Die Stimme des Mädchens überschlug sich. Melanie musste husten.
Jetzt kam Jackson aus dem Schlafraum. Der Hass verzerrte sein Gesicht zur dämonischen Fratze. Er hatte die Hände erhoben und zu Klauen geformt. In seinen Augen loderten der Irrsinn und die Mordlust. Dieser Mann war nicht mehr Herr seiner Sinne. Der Hass hatte ihn verrückt gemacht.
Melanie wandte sich ihm zu.
„Du bist tot“, flüsterte Jackson heiser. „Wir befinden uns hier in einer Straße mit Abbruchhäusern. Niemand hört dich dreckige Hure. Ich werde dich töten und dein Herz dem Satan opfern. Er gibt mir die Kraft, die Krankheit zu ertragen. Er hält mich am Leben, um mich zu rächen. Denn ich führe ihm Seelen zu. Seelen, die im Feuer der Hölle brennen werden, wie auch deine Seele. Er ist der Herr des Lichts – und mich wird er zum Licht führen.“
Die Besessenheit leuchtete aus seinen Augen. Das Mädchen erschauerte. Ein Eishauch schien es zu streifen.
Schnell bückte sich Melanie nach dem Stuhl, mit dem sie die Fensterscheibe zertrümmert hatte. In dem Moment, als Jackson sie ansprang, schlug sie zu. Und sie traf. Jackson ging zu Boden. Der Aufprall nahm ihm die Luft. Er japste. Melanie holte noch einmal mit dem Stuhl aus und ließ ihn auf den Killer niedersausen. Der Stuhl ging zu Bruch. Melanie hatte nur noch ein Stück der Rückenlehne in den Händen. Und damit schlug sie erneut zu.
Jackson, der im selben Moment auf die Knie gekommen war, kippte mit einem verlöschenden Seufzen zur Seite und blieb liegen.
Melanie trieb die Angst. Sie nahm ihr jeden klaren Verstand. Sie sprang zum Fenster und löste voll Panik die Verriegelung. Gezackte Scherben ragten aus den vier Seiten des Rahmens. Sie schob das Fenster hoch. Das Holz knirschte in der Führung. Das Mädchen warf noch einen gehetzten Blick auf den besinnungslosen Killer, der am Boden lag. Dann stieg es durch das Fenster und sprang ins Freie.
Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Ihre Hilferufe hatte wohl wirklich niemand gehört. Am Straßenrand stand ein weißer Pkw. In diesen Wagen war Melanie in der Nacht zuvor gestiegen. Es war ein Ford Lincoln.
Melanie begann zu laufen. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung. Das Grauen trieb sie!