Читать книгу Erotic Collection I - Chloé Césàr - Страница 11

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In dieser Nacht entdeckte Amanda endlich die Kassette, die Adrian versteckt hatte, ehe er das Taxi rief. Damals, vor mehr als einem halben Jahr. Er musste das Ding einfach unter ein Couchkissen geschoben haben. Aber irgendwie war es dann wohl in eine Ritze gerutscht und dort hängen geblieben. Eingeklemmt zwischen Rückenlehne und Sitzfläche.

Weil Amanda ausgerechnet heute Abend einen ihrer seltenen Anfälle von Putz- und Aufräumsucht erleiden musste, war es endlich so weit.

Sie brauchte dann noch einmal fast eine Stunde, bis sie endlich auch ihren uralten Kassettenrecorder wiedergefunden hatte. In der Küche, unter der Spüle. Sie hatte keine Ahnung, wie er ausgerechnet dorthin gekommen war. Aber eigentlich wichtig war das auch nicht. Hauptsache, er funktionierte noch.

Für Amanda

hatte Adrian unnötigerweise mit wischfestem Filzschreiber auf die durchsichtige Plastikhülle geschrieben, in der die Kassette steckte.

Für wen auch sonst?, dachte sie ärgerlich.

Ungeduldig vor angespannter Erwartung wie sie war, hätte Amanda beinahe das Kassettendeck beschädigt, als sie das Ding einlegen wollte. Sie war kurz davor, es mit Gewalt zu versuchen, als der erste Versuch kläglich scheiterte. Gerade noch rechtzeitig dämmerte es ihr: Sie brauchte die Kassette nur umzudrehen, schon ging es.

Erleichtert drückte sie auf die Play-Taste. Ein leises Rauschen und Rascheln ertönte, dann setzte unvermittelt harter Gitarrensound ein.

Amanda spürte ihr Herz wie wild hämmern. Die eingesetzte Grifftechnik war ihren Ohren noch immer vertraut. Auf intime, beinahe schon obszöne Weise vertraut. Fast so vertraut wie ihren Händen der Umgang mit den Werkzeugen, wenn sie an einer Marmorskulptur arbeitete.

Jeder Künstler, egal welcher Richtung, besaß eine eigene unverwechselbare Handschrift. Und diese Klänge hier stammten eindeutig von Adrian.

Die Musik brach so plötzlich ab, wie sie eingesetzt hatte. Wieder einige Sekunden Rauschen, dann sagte Adrians Stimme: »Wenn du diese Kassette abspielst, bin ich schon nicht mehr da. Ich habe mir lange überlegt, wie ich es dir am besten beibringen könnte, und mich schließlich für diesen Weg entschieden. Es gab für mich nichts mehr zu tun … auf der Insel nicht, und in deinem Leben auch nicht, Amanda.

Wenn du ehrlich zu dir selbst bist, so wirst du zugeben müssen: wir beide sind an einem Punkt angelangt, wo wir nur mehr gegenseitig die schlimmsten Seiten aus uns herausholen.

Zugegeben … der Sex ist nach wie vor phantastisch!

Diese Seite unserer Beziehung war es wohl auch, die mich so lange hat an deinem Haken zappeln lassen. Dieser wilde, animalische Sex hat ein starkes Band zwischen uns entstehen lassen. Aber eben leider nur auf körperlicher Ebene. Und vor dieser Ebene habe ich Angst, sie zerstört meine Kreativität als Künstler. Weil ihr keine wirkliche innere Harmonie zugrunde liegt.

Ich bin mir sicher, du spürst diese Gefahr ebenso wie ich. Auch du bist Künstlerin. Auch du ringst jedes Mal wieder, bei jedem neuen Werk, um die eigene Weltsicht, dein Einssein mit dem Unbewussten, deinem innersten Wesen.

Dabei musst du dich durch mich ebenso gestört gefühlt haben, wie ich mich durch dich. Nur so kann ich mir deine häufigen Ausbrüche und launenhaften Anfälle erklären.

Und dann: Himmel noch mal eins, Amanda! Was macht es denn schon aus, wenn ich ab und an mal mit einer anderen Frau gevögelt habe?

Dabei ging es doch immer nur um Sex, um eine andere, meist viel normalere Spielart, als wir beide sie miteinander praktizierten. Gefühle waren da nie im Spiel. Gefühle hatte ich immer nur für dich!

Wir hätten es miteinander schaffen können, wenn du weniger besitzergreifend gewesen wärst. Aber jetzt ist es zu spät für diese oder andere Einsichten.

Ich habe mich entschieden, Amanda. Vielleicht bereue ich diesen Schritt eines Tages, aber im Moment erscheint er mir als die einzig mögliche Lösung.

Versuche nicht, mich zu finden, es wird nicht klappen. Ich gehe weit, ganz weit fort. Mein Handy habe ich in eine Schlucht geworfen vor einigen Stunden.

Warte auch nicht auf mich, denn ich werde nicht zurückkommen. Nie mehr. Ich würde nie wieder mit dir leben wollen und können. Sobald die Erinnerungen an deinen prachtvollen Körper und an deine heiße Muschi verblasst sein werden, bin ich endgültig und vollkommen frei – und Erinnerungen verblassen IMMER, wie du ja selbst weißt.

Du brauchst einfach nur abzuwarten. Und dich hier und da ein wenig anderweitig trösten zu lassen, das hilft ebenfalls. Habe ich mir sagen lassen. Leb wohl, meine Göttin.«

Erneut setzte Gitarrenmusik ein. Dieses Mal leise und gedämpft, wie bei einer traurigen Liebesballade.

Der Schweinehund schreckt wirklich vor nichts zurück, er hat sämtliche Register schamlos gezogen!, dachte Amanda.

Sie warf sich auf den Boden und hämmerte wütend mit beiden Fäusten auf die unschuldigen Steinfliesen ein. So lange, bis sie vor Erschöpfung in einen unruhigen Schlummer fiel.

Sie erwachte etwa eine Stunde später von einem aufdringlichen Piepston.

Es war Amandas Handy. Sie hatte eine Textmeldung erhalten.

»Adrian?«, murmelte sie ungläubig und noch halb verschlafen.

»Bin seit gestern auf der Insel. Habe ein wenig Zeit mitgebracht. Und einen interessanten Freund, den du vielleicht auch mal treffen solltest. Wann sehen wir uns? Ich kann es kaum erwarten. Peter, der Pilot.«

»Scheiße«, fluchte Amanda halblaut. »Wieso musst du ausgerechnet jetzt auftauchen, hm? Um mir die Erinnerungen aus dem Hirn zu vögeln? Dazu hast du kein Recht, als kleine Liebe, mein Lieber!«

Einige Minuten später wählte Amanda eine Nummer in Hamburg. Es dauerte ein Weilchen, ehe eine tief verschlafene Katrin den Hörer abnahm.

»Amanda? Ich kann es nicht fassen! Hast du eine Ahnung davon, wie spät es ist?«

»Nein, ehrlich gesagt. Aber ich kenne den Satz aus unzähligen mittelklassigen Hollywoodschinken. Komm schon, Katrin. Verzeih mir einfach und nimm das Telefon mit zurück ins Bett.«

»Es wird also eine längere Sitzung?«

»Ich brauche deinen freundschaftlichen Rat. Oder vielmehr … ich brauche ihn eigentlich nicht. Ich kenne deine Antwort bereits. Ich muss sie mir nur schmackhaft reden. Und du hast die ehrenvolle Aufgabe, mir dabei zuzuhören und mich am Ende kräftig in den Hintern zu treten.«

»Warte«, sagte Katrin in Hamburg, »ich wanke nur eben rüber auf die Couch mit dem Telefon. Ins Bett kann ich nicht zurück, dort schnarcht Sam zu laut.«

»Deine kleine Liebe«, sagte Amanda, »wobei wir auch schon mitten im Thema wären. Hurra.«

»Hat sich Adrian endlich gemeldet?«

»Wie kommst du denn darauf? Nein, er hat sich nicht gemeldet.«

»Wieso rufst du mich dann mitten in der Nacht an? Wir sind in Deutschland sogar noch eine Stunde später dran, als du auf deiner Insel. Ich hoffe, dieser Umstand ist dir noch bewusst?«

Amanda ersparte sich die Antwort auf diese Frage. Dafür erzählte sie der Freundin aber von dem Kassettenfund. Und von Peters SMS, deren Eintreffen sie geweckt und dadurch indirekt dazu geführt hatte, dass nun auch Katrin hellwach war.

»Ich sollte Peter treffen und dem Süßen einige unvergessliche Inseltage und Nächte bescheren, ich weiß.«

»Absolut.«

»Peter ist als kleine Liebe ein außergewöhnlicher Glücksgriff.«

»Das erscheint mir auch so. Worauf wartest du also noch? Simse ihm zurück, und ich kann endlich wieder ins Bettchen. Zu meiner kleinen Liebe.«

»Er hat es sich durchaus verdient …«

Katrin lachte schallend am anderen Ende. »Wer … Sam?«

»Der auch. Aber eigentlich meinte ich Peter.«

»Meine Absolution hast du, falls dir das wichtig ist. Wo liegt das Problem?«

»Adrian! Ich hätte die Kassette nicht ausgerechnet heute Abend finden sollen. Ich würde die ganze Zeit über nur an ihn denken.«

»Na und? Selbst das wäre nicht das Schlimmste. Du brauchst deinem Piloten ja nichts davon zu erzählen.«

»Kann man sich eine große Liebe von einer kleinen Liebe aus dem Kopf vögeln lassen?«

»Wenn ich ehrlich sein soll, Amanda …« – Katrin zögerte hörbar am anderen Ende der Leitung.

»Was glaubst du denn?«

»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht! Ich fürchte, ich bin noch nie einer großen Liebe begegnet. Dafür einer ganzen Reihe von kleinen und sogar kleineren. Es war immer gut, gelegentlich sogar super. Mir ist nie der Gedanke gekommen, dass mir etwas abgehen könnte. Wirklich, Amanda! Ich bin nicht wie du. Ich habe so gar keine künstlerische Ader. Damit fängt es schon mal an. Meine Bedürfnisse sind eher schlicht und relativ einfach zu stillen. Ein Mann muss nett sein und gut riechen. Wenn er dann noch gepflegte Finger- und Fußnägel besitzt, das nötige Kleingeld für ein gutes Essen im Restaurant aufbringen und mich wiederum zum Lachen bringen kann, ist das Rennen schon gelaufen.«

Amanda seufzte vernehmlich. »Ich wollte, ich wäre wie du, Katrin.«

»Nein, das willst du nicht wirklich! Mach dir nichts vor. Wie auch immer, du solltest Peter anfunken. Ihr hattet doch echten Spaß zusammen, beim letzten Mal?«

»Das ist richtig. Allerdings hatte ich es nicht auf eine Wiederholung abgesehen. Der zugegeben fulminante Höhepunkt der Geschichte war zugleich auch ihr gut durchgeplantes Finale. Und dabei wollte ich es eigentlich belassen!«

Dieses Mal war es an Katrin, laut und vernehmlich zu seufzen. »Was kümmerst du dich um Entscheidungen, die du in der Vergangenheit getroffen hast? Lebe hier und jetzt und hör auf deinen Bauch.«

»Ja, ja! Ich habe die einschlägigen Ratgeber ebenfalls gelesen, meine Liebe.«

»Gelesen vielleicht, aber leider nicht verstanden«, mokierte sich Katrin, ehe sie herzhaft gähnte. »Hör zu, Amanda. Ich muss wieder in die Heia. In wenigen Stündchen schon klingelt mein unbarmherziger Wecker. Wir normalen Bürger mit normalen Jobs können uns keine nächtlichen Telefonsitzungen erlauben. Warum rufst du nicht deinen Freund auf der Insel an? Diesen Maler mit den spirituellen Neigungen. Wie hieß er noch gleich?«

»Ricardo!«, sagte Amanda.

»Richtig. Ricardo. Warum lässt du dir nicht von ihm ein Mandala malen, diesen Peter betreffend. Wenn ich mich richtig erinnere, dann war Adrians Mandala damals doch unglaublich zutreffend. Auch wenn dir Ricardos Auslegung der Chakras deines Liebsten ganz und gar nicht in den Kram gepasst haben, seinerzeit. Ich kann mich noch genau an deinen verärgerten Gesichtsausdruck erinnern. Beim Abhören der Kassette, die Ricardo für dich und Adrian besprochen hatte. Du warst gewarnt, gib es zu, Amanda.«

»Das stimmt. Danke, dass du mich daran erinnerst, Katrin. Allerdings ist so ein Mandala eine aufwändige Geschichte. Viel zu aufwändig für eine kleine Liebe. Außerdem müsste ich dazu Peter und Ricardo einander vorstellen.«

»Na und? Peter ist auf der Insel, du wirst ihn treffen, da bin ich sicher. Das mit dem großen Aufwand kaufe ich dir nicht ab. Außerdem ist es Ricardos Aufwand, nicht deiner. Er lässt sich dementsprechend von dir dafür bezahlen. Die kleine Investition wird dich sicher nicht ruinieren! Stell dir bloß mal vor, Peters Mandala entlarvt ihn als deinen lange gesuchten Soulmate, deinen Seelenzwilling.«

»Wenn er das wäre, dann wäre es mir sicherlich schon beim letzten Mal aufgefallen.«

»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte Katrin langsam. »Du hast noch unter Schock gestanden. Wegen Adrian, seinem Verhalten dir gegenüber und seinem Verschwinden. Mach dir nichts vor. Du wolltest einen anderen Mann leiden lassen an seiner Stelle. Peter hat sich eine zweite Chance redlich verdient.«

»Ich denke drüber nach. Gute Nacht, Katrin. Und danke!«

»Gern geschehen«, murmelte die, ehe ihr der Hörer aus der Hand fiel.

Den kurzen Rest der Nacht verbrachte Amandas Freundin unfreiwillig auf der Couch. Wo Sam sie wenige Stündchen später fand und sanft wach küsste.

Erotic Collection I

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