Читать книгу Erotic Collection I - Chloé Césàr - Страница 17

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Auf dem Rückweg zur Finca fragte sie sich, wie ihr das hatte passieren können!

Peter war es streckenweise heute tatsächlich gelungen, ihr das Heft aus der Hand zu nehmen, so viel stand fest. Auch wenn sie das nicht gerne zugab.

Okay, vermutlich war es ihm nicht einmal wirklich bewusst. Seine vorsichtige Frage vorhin an der Platane – »Sehen wir uns tatsächlich nicht wieder?« – deutete darauf hin.

Oder er fürchtete, zu weit gegangen zu sein.

Egal. Jedenfalls schien seine Überheblichkeit einen Riss bekommen zu haben. Das war gut. Sie musste also letztendlich doch richtig reagiert haben. Und dann ihre eiskalte Antwort: »So gut warst du nicht, Captain!« – er war sichtbar zusammengezuckt. Ehe sie ihm die Augenbinde abgenommen und dann blitzschnell verschwunden war.

Seine Stimme hatte beinahe flehend geklungen, als er ihr nachrief: »Hexe? Nur ein Wort noch, bitte!« – aber da war sie schon um die nächste Ecke gebogen.

Sie hatte also noch eine Chance!

Dieser Gedanke tröstete Amanda etwas. Immerhin war er ein süperber Liebhaber, dieser Pilot. Und gefährlich konnte er ihr auch nicht werden, jedenfalls nicht ihrem Seelenfrieden. Dafür sorgte schon sein Job.

Ein- und ausfliegen – das durfte er ruhig ab und an. Auf der Insel, und bei ihr!

Kleine Lieben hatten Vergnügen zu bereiten. Und sonst gar nichts.

Sobald es langweilig, schwierig oder vielleicht sogar nervenaufreibend wurde, endete eine kleine Liebe naturgemäß.

Was den Belastungen standhielt, war etwas anderes – sexuelle Hörigkeit oder – im besten aller Fälle – eine große Liebe.

Sie würde dieser kleinen Liebe eine weitere Chance einräumen. Aber vorher würde sie Peter erst einmal gehörig zappeln lassen. Er hatte es sich verdient.

Auf dem Rückweg zur Finca nahm Amanda eine andere Route. Sie folgte von Guía de Isora aus der Hauptstraße, bis sie nach Chio kam.

In dem Ort gab es eine Tapas-Bar, in die sie sich ab und zu gerne setzte, um einen Café Cortado zu trinken und ihren Gedanken nachzuhängen. Manchmal bestellte sie auch eine Portion von dem würzigen Manche-go-Käse, dazu grüne Oliven aus dem Fass und Weißbrot. Hin und wieder auch ein Glas Rotwein. Aber das nur an Tagen, an denen sie nichts mehr arbeiten wollte. Hinterher, im Atelier.

Der Besitzer der Bar – Manuel – kannte sie. Er respektierte es, wenn Amanda alleine bleiben und an einem kleinen Ecktisch auf einem mitgebrachten Notizblock ihre Skizzen zeichnen wollte. Wenn es sie nach einem Schwätzchen gelüstete, brauchte sie sich einfach bloß an die lange Bartheke zu setzen.

Manuel war ein Bär von einem Mann. Groß und dunkel, stets mit einem Bartschatten im Gesicht. Ursprünglich stammte er von Gomera, aber die kleine Nachbarinsel Teneriffas bot wesentlich weniger Möglichkeiten, um ein einigermaßen befriedigendes Auskommen zu verdienen.

Er begrüßte Amanda freundlich, aber knapp, und ohne ein Lächeln, wie es seine Art war.

»Hola, Señora! Buenos …« – wobei Buenos die Kurzform für »Guten Tag« bedeutete. Die wortkargen Gomerer schenkten sich normalerweise den Zusatz Días für Tag. Nur Fremde kamen in den Genuss der vollen Begrüßungsfloskel. Wer sich länger auf den Inseln herumtrieb, von dem wurde einfach erwartet, dass er verstand, worum es ging.

»Hola, Manuel!«, grüßte Amanda zurück. »Todo bien?« (»Alles gut?«)

»Sí, bien!«, bestätigte er und nickte ihr zu. »Cortado?«

»Sí, por favor.«

Sie schwenkte hinüber zu »ihrem« Ecktisch, der meist frei war, und setzte sich. In ihrem Rücken zischte bereits der Kaffeeautomat lautstark.

Zwei Minuten später brachte Manuel das kleine Glas mit dem starken Cortado vorbei. Dabei berichtete er knapp: »Ricardo war gestern Abend hier. Er hat nach Ihnen gefragt, Señora. Ich soll Sie grüßen von ihm.«

»Danke, Manuel. War Ricardo okay?«

»Wie immer!«, sagte der Mann von Gomera trocken und ging wieder hinter seine Theke.

Während Amanda den duftenden Kaffee trank, hing sie ihren Gedanken nach.

Ricardo! – Sie sollte den alten Freund wirklich besuchen. Oder wenigstens anrufen.

Katrin fiel ihr wieder ein, die ihr geraten hatte, ihre kleine Liebe Peter sozusagen spirituell von Ricardo durchleuchten zu lassen.

Es war wie ein schmerzloses »Auf-den-Zahn-Fühlen«, aber es sprach Bände, was Ricardo aus dem unter Trance gemalten geometrischen Symbol hinterher herauslesen konnte, den Charakter und die Anlagen der jeweiligen Person betreffend.

Das Mandala, das Ricardo für Adrian einst angefertigt hatte, war tatsächlich höchst aussagekräftig gewesen. Und ihr eigenes ebenfalls.

Aber ich werde Peter nicht wiedersehen, widersprach Amanda ihrer eigenen Eingebung. Nur um sich selbst im nächsten Moment zu sagen: Aber sicher wirst du ihn wiedersehen. Am liebsten würdest du ihn jetzt sofort anrufen, mach dir nichts vor!

Unwillkürlich schweiften ihre Gedanken erneut ab. Zu ihrem ersten Treffen mit »der kleinen Liebe«.

Sie wollte es dem Piloten nicht leicht machen. Damals, im letzten Winter.

Sie hatte Peter Situationen ausgesetzt, in und an denen Adrian kläglich gescheitert war. Zumindest in ihren Augen.

Salomé zum Beispiel …

Es war Adrian gewesen, der Amanda und die exzentrische Engländerin einander vorgestellt hatte. Angeblich hatten sie sich auf einem seiner Gigs in Las Americas kennen gelernt. Adrian spielte und sang in der Touristenfalle manchmal abends in irgendwelchen Bars. Und zog dabei schon mal schräge Vögel beiderlei Geschlechts an. Vielen Musikern erging es genauso. Es gehörte mit zum Spiel. Die meisten konnten damit auch gut umgehen. Adrian eher nicht. Aber das fand Amanda erst viel später heraus.

Salomé hatte mit leuchtenden Augen zu ihr gesagt: »Er ist so begabt. Und so attraktiv. Sie sollten besser auf ihn aufpassen, Amanda. Die Touristinnen kennen in den lauen Inselnächten keine Tabus.«

Amanda hatte nur lächelnd und vielsagend – wie sie hoffte – mit den Schultern gezuckt.

Sie und Adrian hatten Salomé dann einige Tage später – auf deren Einladung hin – auf ihrer Finca Esmeralda besucht.

Es gab warmen Ziegenkäse auf Blattsalaten und dazu gekühlten Roséwein, der von der Insel El Hierro kam.

Die Engländerin trank einige Gläschen davon offenbar zu rasch hintereinander, jedenfalls war sie plötzlich ziemlich betrunken.

Und in diesem Zustand machte sie dann Adrian eindeutige Avancen. Amandas Gegenwart schien Salomé dabei nicht weiter zu stören.

Adrian gelang es zwar, sie einigermaßen auf Abstand zu halten. Sprich, zu verhindern, dass ihre Gastgeberin es sich auf seinen Knien bequem machte. Indem er die Beine übereinander schlug und außerdem einen Arm sichtbar um Amandas Schultern drapierte. Aber er lauschte sichtlich amüsiert und ab und an sogar schallend lachend Salomés nun folgenden Berichten ihrer zuweilen recht schamlosen sexuellen Eskapaden auf der Insel.

Irgendwann hatte Amanda genug und stand auf, um zu gehen. Adrian folgte ihr, o ja! Aber auf dem Heimweg lachte er sie aus und bezeichnete sie als prüde.

Sie waren nie wieder gemeinsam zur Finca Esmeralda gefahren. Doch irgendwann hatte Amanda per Zufall mitbekommen, dass Adrian dort ein recht häufig gesehener Gast geworden war.

Amanda war sich augenblicklich sicher – Salomé hatte bekommen, was sie schon an jenem bewussten Abend so verzweifelt gewollt hatte.

Als alles vorüber war und Amanda die Ankunft Peters auf der Insel erwartete, hatte sie die Idee entwickelt, dem Piloten ebenfalls die Bekanntschaft der mannstollen Engländerin zu vermitteln.

Es war interessant gewesen: der Vergleich – Adrians Verhalten – Peters Verhalten, unter solch besonderen Umständen!

Damals hatte Peter den Test bestanden.

Amanda starrte gedankenverloren vor sich hin. Der Kaffee war auch längst leer. Erst, als Manuel unaufgefordert einen weiteren Cortado vor sie stellte, nickend und mit einem angedeuteten schiefen Grinsen im Gesicht, was so viel hieß wie: »Geht aufs Haus«, erwachte Amanda aus ihrer inneren Versunkenheit.

Mit raschen Strichen begann sie ein Gesicht auf ihrem Zeichenblock zu entwerfen.

Salomés Züge traten immer deutlicher zum Vorschein. Aus den Augen sprach der pure Hunger, um den Mund spielte dieses gewisse Lächeln, mit dem sie nur Männer bedachte.

Dann kam der Hals, der wesentlich faltiger war als das Gesicht und an den einer Schildkröte erinnerte.

Amanda arbeitete wie im Rausch. Als sie fertig war, lag die Skizze von Salomés Büste vor ihr. Der – ebenfalls faltige – Ansatz der Brüste war gerade noch erkennbar.

Die Künstlerin nickte zufrieden. Sie würde nach Hause fahren und sich so bald wie möglich an die Arbeit machen. Die fertige Skulptur würde später den Titel Alternde Liebesgöttin erhalten.

Amanda notierte die Worte noch rasch auf dem Skizzenblatt und fügte das Datum darunter an. Schließlich noch ihre Signatur. Fertig.

Auf dem Heimweg war sie zufrieden mit sich. In letzter Zeit hatte sie wenig Ideen produziert für ihre Arbeit. Aber diese Büste der alternden Salomé würde ihr gelingen, das spürte sie deutlich.

Und danach würde sie sich einem ganz anderen Themenkreis zuwenden, nahm Amanda sich vor: sie wollte wieder mehr Erotik in ihre Arbeiten bringen.

Ihr schwebte plötzlich dieses Bild vor Augen: ein weiblicher und ein männlicher Körper lustvoll ineinander verschlungen. Nackt, schamlos, und dabei höchst stimulierend. Vereint in tiefster körperlicher und seelischer Harmonie.

Seitdem Adrian gegangen war, war auch dieses Bild des nackten Liebespaares aus ihrer Imagination verschwunden gewesen. Um ausgerechnet heute wieder aus den Untiefen von Amandas Unbewusstem aufzutauchen.

Als sie nach Hause kam und aus dem Jeep kletterte, sprang ihr Rasputin unter einem Busch hervor entgegen.

»Na, du?«

Der Kater maunzte anklagend und starrte sie aus meergrünen Augen durchdringend an.

Sie wusste, was das zu bedeuten hatte. »Komm in die Küche. Ich habe noch eine Dose Thunfisch für dich«, sagte sie.

Sie füllte das Futter für den Kater in seinen Napf. Als der Duft der Fischkonserve ihre Nase kitzelte, bemerkte Amanda erst, wie hungrig sie selbst war. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr zu sich genommen, fiel ihr ein. Außer den beiden Cortado-Kaffees vorhin in Manuels Bar in Chio.

Jetzt aber war es bereits mitten am Nachmittag.

Sie machte sich ein Schinkenbrot zurecht und schenkte sich dazu ein kleines Glas Rotwein ein. Sie war ohnehin schon müde, da würde der Wein auch nichts mehr schaden.

Anschließend konnte sie ja ein Stündchen schlafen. Oder zwei. Sie war schließlich allein, da konnte sie machen, was sie wollte. Wein am Nachmittag. Oder bis spät in die Nacht hinein arbeiten. Es hatte sein Gutes, wenn man die große Liebe verlor! Die Zeitersparnis war enorm.

Als sie sich wenig später in ihrem zerwühlten Bett zurechtkuschelte, kitzelte sie ein unbekannter Duft an der Nase. Unbekannt, und doch seltsam vertraut.

Zuerst war sie verwirrt, ehe ihr schließlich dämmerte: Es war Peter, ihre kleine Liebe, nach der es hier roch.

Sie musste lachen, und dann war sie auch schon eingeschlafen.

Irgendwann hörte sie wie von weither das Telefon unten klingeln. Aber sie wachte nicht wirklich auf davon. Sie murmelte unwillig etwas in ihr Kissen und warf sich herum, in eine neue bequeme Position.

Das Telefon klingelte noch ein- oder zweimal, dann schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Schließlich machte es KLICK. Der unbekannte Anrufer hatte einfach aufgelegt.

Eine halbe Stunde später läutete das Telefon wieder. Dieses Mal erwachte Amanda davon.

Ihr Herz flatterte, und der Atem ging stoßweise. Sie hatte geträumt, verwirrend klar und in deutlichen Bildern.

Als jetzt der Lärm des Telefons in ihr Bewusstsein drang, war sie fast dankbar dafür. Es war kein schöner Traum gewesen.

Sie raffte sich auf und wankte dann schlaftrunken die Treppe hinunter. In diesem Moment hörte der verdammte Kasten natürlich mit der Klingelei auf.

Amanda ging trotzdem noch ran, aber nur ein aufdringliches Tuten drang aus dem Hörer.

Auf dem Anrufbeantworter hörte sie nur das Klicken.

Merkwürdig, dachte sie.

All ihre Freunde und auch die Mutter, die in London lebte, hinterließen doch immer wenigstens eine kurze Nachricht. Oder versuchten es anschließend sofort auf dem Handy.

Dann fiel ihr der Traum von vorhin wieder ein.

Adrian!

Sie hatte von Adrian geträumt. Sein Gesicht stand immer noch deutlich vor ihren Augen. Deswegen hatte ihr dummes Herz auch so gehämmert beim Aufwachen.

Und plötzlich war sie sich völlig sicher: Das war Adrian gewesen, da eben am Telefon!

Er allein hatte sich stets geweigert, auf Anrufbeantwortern oder in Handy-Mailboxen (ganz egal, wer der Empfänger sein mochte) Nachrichten zu hinterlassen.

Amanda ging wieder ins Bett. Sie fühlte sich eigenartig schwach und wollte dennoch unbedingt wach bleiben. Um nichts in der Welt mochte sie den Anrufer erneut verpassen, sollte es einen weiteren Versuch von seiner Seite geben.

Sie zermarterte sich das Gehirn, um sich den Traum von vorhin in allen Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen.

Was hatte Adrian darin getan oder gesagt? Wie hatte sie sich selbst verhalten? Warum hatte ihr Herz vor Panik so stark geklopft, als sie vom Klingeln des Telefons erwacht war?

Aber der Traum, so klar er sich zunächst auch angefühlt hatte, war bereits gänzlich aus dem Kurzzeitspeicher ihres Gehirns gelöscht worden.

Nach einer Weile fiel Amanda erneut in einen unruhigen Schlummer.

Und wieder träumte sie …

Sie spürte, wie ihr ganzer Körper vor Entsetzen zu beben begann, als eine harte Männerstimme ein Urteil verlas. Ja, es musste ein Urteil sein, denn ihr war deutlich bewusst: Sie stand vor Gericht!

Und noch eines war ihr bewusst: Es handelte sich haargenau um denselben Traum wie vorhin bereits.

Sie brauchte auch gar nicht mehr aufmerksam den Worten des Richters zu folgen, sie kannte das Urteil bereits.

Sie und ihr Geliebter würden sterben, noch heute.

Nebel umhüllte sie, dann hatte sie einen kurzen Blackout. Vermutlich war sie ohnmächtig geworden. Denn als sie wieder bewusst am Traumgeschehen teilnahm, lag sie auf einer Art Bahre und einige Leute umringten sie. Man reichte ihr einen Schluck Wasser und half ihr auf die Beine.

Aber das Gehen fiel ihr schwer, die Knie gaben bereits wieder nach. Und dann sah sie ganz deutlich den Mann, der an ihr vorbei von mehreren Kerlen aus dem Gerichtshof geführt wurde. Er warf ihr einen tiefen, erschütterten Blick zu …

Der Mann trug Peters Gesichtszüge.

Ein anderer Mensch in einer seltsamen Rohe – war das der Richter … ? Sie wusste es nicht, hatte vorher immer nur seine Stimme gehört, ihn aber nicht gesehen – folgte der kleinen Gruppe nach.

Auch er blickte kurz zu Amanda herüber, die stärker denn je zitterte. Der Mann sah aus wie Adrian.

Erschüttert erwachte Amanda.

Im Haus war es still, unheimlich still, wie sie fand. Als Nächstes bemerkte sie Rasputin, der sich an ihren Bauch gekuschelt hatte und leise und zufrieden vor sich hin schnurrte.

Beim Anblick des Katers fand Amanda ihren Seelenfrieden augenblicklich wieder.

Träume sind Schäume, hatte ihre Großmutter selig immer gesagt.

Aber immerhin konnte es sicherlich nicht ganz abwegig sein – tiefenpsychologisch betrachtet –, von der verflossenen großen Liebe und dem derzeitigen Liebhaber gleichzeitig zu träumen? Und natürlich mussten die beiden Männer in dem Traum auch irgendeine Form von Kampf durchmachen. Das war nur logisch, von der Warte der Frau aus betrachtet.

Der eine war noch nicht völlig aus ihrem Seelenleben verschwunden, und der andere konnte sich noch nicht behaglich darinnen einnisten.

Nur darum ging es …

Amanda beschloss, den Arbeitsbeginn an Salomés Büste auf einen der nächsten Tage zu verschieben.

Heute war sie offenbar durch das erotische Interniezzo mit Peter etwas durcheinander. Der doppelte Traum hatte ihr dies nur zu deutlich gezeigt. Besser, sie kriegte sich erst wieder ein, dafür würde die Arbeit nachher umso besser laufen.

Das Telefon hatte sich auch nicht wieder bemerkbar gemacht. Wer auch immer es gewesen sein mochte vorhin – Adrian hieß der verhinderte Anrufer bestimmt nicht!

Diese Eingebung war sicherlich nur deshalb über sie gekommen, weil der Traum beim ersten Mal unterbrochen wurde vom Läuten des dummen Kastens!

Und natürlich war das markante Gesicht beim Aufwachen noch für kurze Zeit in den Gehirnwindungen herumgespukt. Die wache Erinnerung hatte dazu dann bloß den Namen aus dem Langzeitspeicher abgerufen, und – voilà – war er über sie gekommen! Wie einst der Heilige Geist über die Apostel Jesu.

Träume sind Schäume, Großmütterchen, wie wahr! Blasen aus der Erinnerung, die zerplatzen beim Erwachen. PENG! Und aus der Traum.

Amanda streichelte zärtlich Rasputins Fell. Der Kater schien ebenfalls zu träumen, denn seine Pfoten zuckten im Schlaf. Ebenso die Haare seines Schnurrbartes.

Sie musste leise lachen.

Ob er wohl gerade Mäuse jagte, ihr Kater? Oder eine sexy Katzendame über die Dächer trieb?

»Schade, dass ich dich nicht aufwecken und danach fragen kann«, sagte sie und streichelte nachdenklich und behutsam über sein weiches, schneeweißes Fell.

Anschließend musste sie dann selbst wieder eingeschlafen sein …

Der Mann an ihrer Seite war groß und schlank. Fest hielt er ihre Hand in seiner. Sie sprachen nicht miteinander.

Amandas Blick schweifte umher.

Unter ihnen tobte der Atlantik. Meterhohe Wellen warfen sich brüllend gegen die Felsformationen der Steilküste, die sich kilometerlang hinzuziehen schien.

Sie standen selbst auf einem der hohen Felsen, ganz vorne an der Kante.

Die riesigen Wellenberge sahen bedrohlich aus, grau mit weißen Schaumkronen auf den Kämmen.

Die Gischt spritzte bis zu ihnen hoch, benetzte Gesichter und die dünnen, schleierartigen Kleider, die sie trugen. Der Stoff war im Nu durchnässt und klebte auf der Haut.

Amanda begann zu zittern. Vor Kälte und vor Grauen zugleich.

Sie wusste, was sie erwartete, noch ehe der Mann an ihrer Seite sagte: »Wir müssen es jetzt tun, Liebes. Es bleibt uns keine Wahl, und du weißt es. Hab keine Angst, ich halte deine Hand beim Absprung und danach, so lange es nur geht. Und denk daran: Wehre dich nicht gegen das Wasser, lass es eindringen, öffne sogar den Mund. Die Lungen füllen sich rasch und die Qual ist dann schnell vorbei. Wenn du dich wehrst, Liebste, wirst du leiden. Es ist unnötig, denn ich verspreche dir, wir sehen uns bald wieder. In einem anderen Leben.«

Er machte einen Schritt nach vorne und zog sie dabei mit. Sie spürte, wie sie den Halt verlor und schrie auf vor Entsetzen …

Dieses Mal erwachte Amanda von ihrem eigenen Schrei.

Mit hämmerndem Herzen schoss sie hoch im Bett und weckte dabei auch Rasputin auf. Der sie daraufhin nur empört einige Sekunden lang starr fixierte, ehe ihm die Augen wieder zufielen. Anschließend kippte der Kater einfach seitlich um und war auch schon erneut eingeschlafen.

Wäre sie nicht immer noch so bestürzt gewesen, Amanda hätte glatt schallend gelacht bei dem drolligen Anblick.

Dummerweise aber war ihr momentan gar nicht nach Lachen zumute: Sie hatte den Mann erkannt, der ihr das eben im Traum angetan hatte – Peter, der Pilot.

Amandas kleine Liebe hatte eben im Traum versucht, sie umzubringen.

Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was das jetzt wieder – tiefenpsychologisch betrachtet – bedeuten musste.

Ehe sie endgültig aufstand, nahm sich Amanda fest vor, so bald wie möglich Ricardo aufzusuchen. Er würde ihr bei der Traumdeutung sicher helfen können. Immerhin führte er den viel versprechenden, wenn auch selbst verliehenen Titel »Spiritueller Meister und Maler« auf seinen Visitenkärtchen spazieren.

Erotic Collection I

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