Читать книгу »Action!« im Traunsee-Märchenland - Christa Mühl - Страница 15
9. Schimek wundert sich
ОглавлениеSchimek stand mit seiner Enkeltochter Flori unterm Dach des Eingangs vom Gasthof Grünberg und wollte seinen Augen nicht trauen: Es schneite noch immer! Er bat seinen Sohn und die Schwiegertochter mit der Rückfahrt besser ein bisschen zu warten. Bei diesem Wetter wollte er sie nicht weglassen – mit Sommerreifen!
„Was sollte man im August sonst für Reifen haben“, sagte seine Schwiegertochter kopfschüttelnd und drückte ihrem Mann den Autoschlüssel in die Hand. Sie mussten nach Wien zurück. Viel zu lange hatten sie sich beim ausgiebigen Essen im Gasthof Grünberg aufgehalten. Nun war es höchste Zeit. Morgen würde ihre Tournee beginnen und die Sachen waren noch nicht gepackt. So verabschiedeten sich die beiden von ihrer kleinen Tochter und ermahnten sie, schön brav zu sein und dem Opa Schimek keine Schande zu machen.
Der schüttelte ärgerlich den Kopf. Das Mädchen war brav, viel zu brav. Ein Lämmchen! Nur Märchen im Kopf. Sie spielte stundenlang mit ihren Puppen die Schauergeschichten von gefräßigen Wölfen, die Großmütter verspeisten, und von Prinzessinnen, die Frösche an die Wand klatschten, nach. Oder sie malte seltsame Bilder.
Er hatte ansonsten keinerlei Probleme, wenn er Flori drei Ferienwochen in seiner Obhut hatte. Sohn und Schwiegertochter waren Sänger und tingelten jeden Sommer mit einem Operettenprogramm über die Freilichtbühnen Österreichs.
Flori war sechs Jahre alt. Sie sollte eigentlich ein Junge werden und Florian heißen. Da also aus dem Sohn nichts wurde, gab man dem Mädchen allen Ernstes den Namen Floriane. Daraus machte Schimek kurz entschlossen Flori, und inzwischen nannten alle das ruhige Kind so.
Flori blieb gern bei Schimek. Er nahm sie mit zu den Dreharbeiten.
Dann saß sie still in einer Ecke und beobachtete alles ganz genau.
Oder sie blieb im Gasthof und spielte mit den Kindern anderer Gäste oder mit den Enkeln der Wirtsleute.
Artig verabschiedete sie sich nun von ihren Eltern. Die schlitterten in dünnen Sandalen zu ihrem Wagen und fuhren winkend und hupend davon. Als sie außer Sichtweite waren, fragte Schimek, ob Flori noch eine Cola trinken wollte. Ihre Eltern sahen das nicht gern, aber Schimek erlaubte seiner einzigen Enkelin natürlich alles, was sonst tabu war.
Sie durfte sogar abends im Bett fernsehen. Flori sah fasziniert den Schneeflocken zu, die über dem See herumwirbelten.
Nein, sie wollte nichts mehr trinken. Aber der Opa könne ruhig gerne noch auf einen Schoppen Roten in der Gaststube sitzen. Schimek sah Flori erstaunt an und zog eine Augenbraue hoch. Flori grinste. Sie würde lieber ins Bett gehen. Bestimmt gäbe es was Interessantes im Fernsehen. Schimek sah auf die Uhr. Es war schon spät. Vielleicht wollte sie „Schlosshotel Orth“ sehen? Er hatte einen Videorekorder und einige Kassetten vom letzten Jahr dabei.
Flori starrte auf den See hinaus und schüttelte den Kopf. Das war ihr zu langweilig, denn die Folgen kannte sie doch alle. „Da!“, sagte sie plötzlich, „Sieben Geister!“
Schimek sah zu ihr herunter, lächelte und strich Flori übers Haar. „Denkst du dir ein neues Märchen aus?“
Doch Flori zeigte mit offenem Mund nach oben. Schimek verschlug es die Sprache. Tatsächlich hatte er für einen Moment den Eindruck, irgendwelche durchsichtig-blauen Gespenster über den Traunsee fliegen zu sehen. Aber schon waren sie verschwunden. Er schluckte.
Bei einem Glühwein war es nicht geblieben, als sie die Dreharbeiten auf der Brücke abgebrochen hatten. Und dann beim Essen mit seinen Kindern musste er die neue Hausmarke des Grünberg-Wirtes probieren. Ihm wurde kalt. Er nahm Flori an der Hand und sie gingen ins Gasthaus. Wahrscheinlich hatten die Schneeflocken ihnen irgendwas vorgewirbelt. Wie sonst sollte er sich und dem Kind die Angelegenheit erklären. Doch Flori sagte entschieden: „Nein! Ich kann schon zählen! Es waren sieben blaue Geister! Alles Frauen. Das hab ich ganz genau gesehen!“ Schimek überlegte einen Augenblick, ob man weibliche Geister Geisterinnen nannte. Kopfschüttelnd folgte er seiner Enkeltochter.