Читать книгу »Action!« im Traunsee-Märchenland - Christa Mühl - Страница 16
10. Fürs Lars beginnt der ersten Morgen der Verwirrung
ОглавлениеDer Hauptdarsteller Lars Ungestüm erwachte und lauschte. Irgendwie fand er es erfreulich: Er hörte kein Regengeräusch!
Wie jeden Morgen sprang er aus dem Bett, was ihm merkwürdigerweise nicht so recht gelang. Nun taumelte er etwas und spürte ein Schwindelgefühl. Er schob es auf die frühe Stunde und den Rum im Tee, den er gestern beim Drehen versehentlich getrunken hatte. Deshalb kümmerte er sich nicht weiter darum.
Ungestüm spielte die Rolle des Hoteldirektors in der Serie inzwischen sechs Jahre. Zuerst wohnte er während der Dreharbeiten in verschiedenen Hotels. Aber seit zwei Jahren hatte er diese wunderbare Wohnung im Don-Alfonso-Weg in Altmünster. Er wollte sich schon immer mal erkundigen, wer eigentlich Don Alfonso war, hatte es aber bis heute nicht zu Wege gebracht.
Lars bewohnte die erste Etage eines Hauses direkt am See. Die Einrichtung war nicht eben modern, aber liebte diese Wohnung. Es war alles da, was man zum Leben brauchte.
Seine Frau kam fast jedes Wochenende von Wien her, und sie verbrachten gemeinsam die drehfreie Zeit am Wasser.
Die Wohnung hatte ein Gästezimmer. So konnte ihn auch seine Tochter mit ihrem Freund, soweit sie nicht gerade wieder einmal verlassen wurde, oft hier besuchen.
Ungestüm ging bei jedem Wetter als erstes am Morgen zum See hinunter. Vor allem aber liebte er die Zeit nach Drehschluss.
Dann saß er auf einem Klappstuhl am Ufer und schaute zum Traunstein und zur Schlafenden Griechin hinüber. Unzählige Fotos hatte er von diesem Anblick gemacht. Am liebsten hatte er es, wenn die Berge im Abendlicht glühten. Welch ein Schauspiel!
Als einmal Helena Wolfmann, die berühmte Schauspielerin aus der Schweiz, eine Episoden-Hauptrolle in der Serie spielte, hatte Lars sie nach Drehschluss zum Essen eingeladen. Beide verband eine langjährige Freundschaft, und so wollte man natürlich über längst vergangene, gemeinsame Theaterzeiten plaudern. Aber sie sah nur zu den rotglühenden Bergen hinüber. Helena war so begeistert von seinem Seeblick, dass sie, wieder zu Hause, ein kleines Aquarell malte. Sie schickte es ihm und versprach wiederzukommen, um hier zu malen.
Das war inzwischen neben der Arbeit als Schauspielerin ihre Lieblingsbeschäftigung. Eine großartige Künstlerin war sie auf beiden Gebieten.
Das Bild, das in seiner Wiener Wohnung hing, erfreute ihn jedes Mal wieder. Leider war Helena nicht gekommen zum Malen. Lars wollte sie längst einmal anrufen und daran erinnern. Aber er vergaß es immer wieder.
An jedem Morgen also stellte er fest, dass es nicht mehr regnete.
Er überwand schnell das kurze Schwindelgefühl und schaute frohen Mutes aus dem Fenster. Plötzlich fiel ihm voller Schrecken ein, dass gestern Schnee gefallen war! Im August! Er ging ins Bad und nahm eine Tablette, weil ihm schlecht geworden war.
Dann rief er seine Frau an. Das mit dem Schnee – wahrscheinlich würde sie es überhaupt nicht glauben. Aber er kam gar nicht zum Sprechen, denn als sie sich meldete, überschlugen sich ihre Worte.
Sie waren Großeltern geworden! Ein gesunder Enkelsohn, 53 cm groß und 3500 Gramm schwer!
Ungestüm rieb sich das Ohr. Wieso hatte er nichts von der Schwangerschaft seiner Tochter gewusst? Und nun war das Kind schon da? Wer war der Vater? Der letzte – oder der vorletzte Freund? Sein armes Kind – allein und nun mit Nachwuchs?
Seine Frau lachte. Wieso denn allein? Sie hat doch ihren Mann. Der ist natürlich stolz und glücklich als junger Vater. Und sie beide Oma und Opa! Das muss gefeiert werden. Morgen käme sie ja nach Gmunden.
Er soll einen Tisch im Schweizerhof bestellen. Das war eines ihrer Lieblingsrestaurants, ganz in der Nähe.
Ungestüm wollte seine Frau noch so vieles fragen. Aber sie hatte keine Zeit. Sie müsse gleich ins Krankenhaus zu ihrer Tochter und dem Enkel.
Der Schauspieler legte ungläubig den Hörer auf. Er war Großvater, und seine Tochter anscheinend verheiratet. War sie nicht gestern gerade von ihrem Freund verlassen worden? Irgendetwas war wirr in seinem Kopf.
Leichte Panik ergriff ihn. Zu oft hörte man von Demenz oder Alzheimer … Er strich über seine Stirn, als wollte er solche Gedanken verscheuchen. Dann sah er auf sein Handy und wunderte sich: Draußen war schönes Wetter, und er hatte noch keine Nachricht, was heute auf dem Plan stand und wann Drehbeginn sein sollte. Wahrscheinlich würden sie also erst später anfangen. So zog er seine Sportklamotten an, er wollte vor der Arbeit noch eine Runde joggen. Seit er die Hauptrolle in dieser Serie spielte, war ihm der Sport sehr wichtig geworden. Schräg über die Straße befand sich das Schloss Ebenzweier mit einem wunderschönen gepflegten Park drum herum. Dieses Schloss beherbergt heute eine Berufsschule. Man konnte morgens ungestört auf den Parkwegen entlang rennen, ohne angesprochen zu werden. Kein Autogrammjäger verfolgte ihn hier. Und wenn die Zeit gekommen war, sprang er nach dem Joggen in den Traunsee. Alle hielten ihn für etwas verrückt. Denn der See war selbst im Sommer meist grausig kalt. Abgesehen von ein paar ebenso verrückten Einheimischen, hüpfte kein Mensch so zeitig hinein wie Ungestüm. Aber ihm gefiel das, er hielt es für einen Jungbrunnen.
Heute jedoch fühlte er sich irgendwie schlapp.
Er trat aus dem Haus und betrachtete verwundert die Rosen im Garten, die in voller Blüte standen. Gestern noch hatten sie nicht eine einzige Knospe wegen des andauernden Regens! Und gestern fiel sogar Schnee auf die armen Sträucher …
Lars ging erst einmal hinunter zum Steg. Er hörte Kinder fröhlich toben. Auch darüber wunderte er sich. Und als er am Ufer stand, schüttelte er den Kopf. Er sah – im Wasser! – etliche Mädchen und Jungen. Der See hatte sich durch den Dauerregen kaum erwärmt. Die Wassertemperatur lag bei knappen 11 Grad, das hatte er gerade gestern nachgemessen! Gestern früh - noch bevor es geschneit hatte. Er sah verwundert ein Schwanenpaar mit sechs Jungen vorüberziehen. Und als er seine Hand ins Wasser hielt, fand er es so warm wie selten, seit er hier war.