Читать книгу Kopf hoch, Kleiner! - Christian Bieniek - Страница 14

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Doch noch übler reingelegt als durch Jansens Aprilscherz fühlte ich mich durch seine Abschiedsworte: “Schöne Grüße an Ihre Frau! Und sagen Sie ihr, dass ich schon sehr gespannt bin auf die neuen TIMO-Geschichten.“

Hatte er mir nicht bei seinem Anruf versichert, noch nie etwas von TIMO gehört zu haben? Auf dem Weg zum Bahnhof suchte ich nach dem Grund, warum er mich angelogen hatte. Erst im Zug dämmerte mir allmählich, was dahinterstecken mochte. Und als ich dann Ellen zu Hause im Wohnzimmer zur Rede stellte, versuchte sie nur halbherzig, meinen Verdacht als Hirngespinst abzutun.

“Ich weiß gar nicht, was du willst“, meinte sie ausweichend und ließ sich aufs Sofa fallen. “Warum freust du dich nicht einfach darüber, einen Job zu haben? Oder hat es dir so viel Spaß gemacht, monatelang am Schreibtisch zu sitzen und ein weißes Blatt anzustarren?“

“Hast du mit Jansen telefoniert, ja oder nein?“ bohrte ich weiter.

“Nein.“

“Ich glaub‘ dir kein Wort.“

“Warum regst du dich denn so auf?“ fragte sie lächelnd. Doch plötzlich machte sie ein ernstes Gesicht und sah mich stirnrunzelnd an: “Ich hab Jansen zufällig letzte Woche getroffen. Und zwar auf der Vernissage von dieser tunesischen Malerin. Er wollte wissen, woran du gerade arbeitest. Was hätte ich ihm sagen sollen? Dass du gerade in der kreativsten Phase deines Lebens bist?“

“Er hat mir also nur aus Mitleid den Job angeboten?“ rief ich wütend. Ellen verzog genervt das Gesicht. Ich konnte mir denken, wie das Gespräch zwischen Jansen und ihr gelaufen war. Jansen hatte bestimmt nicht mal im Traum daran gedacht, mir eine Stelle bei FIT zu besorgen, doch Ellen hatte ihn irgendwie dazu überredet. Ich fragte mich, mit welchen Argumenten sie Jansen überzeugt hatte. Mir fiel keins ein. Oder hatte sie ihn vielleicht irgendwie unter Druck gesetzt?

“Womit hast du ihn denn erpresst? Mit einem geheimen Video, auf dem er es mit Carolin Reiber und Max Schautzer treibt?“

“Was heißt erpresst?“ meinte sie zögernd. “Jansen und ich haben uns über die Film- und Fernsehrechte von TIMO unterhalten.“

Sie fuhr sich durch die Haare.

“Und weiter?“ drängte ich ungeduldig.

“Nichts weiter. Der Verlag hat noch nicht entschieden, an wen die Rechte verkauft werden. FIT ist einer der Interessenten.“

Jetzt fiel bei mir endlich der Groschen. “Das war also der Deal: Jansen gibt einem ausgebrannten Ex-Drehbuchautor einen Job, und im Gegenzug sorgt dessen Frau dafür, dass Jansens Firma den Zuschlag für die TIMO-Rechte bekommt. Großartig! Ich werde TIMO ein Denkmal bauen, und zwar aus Hundescheiße.“

Kopfschüttelnd stand Ellen auf.

“Das ist wirklich das Letzte!“ brüllte ich sie an. “Ich komme mir vor wie ein kleiner Protegé von Katharina der Großen. Wenn ich Jansen letzte Woche getroffen und ihn um eine Stelle gebeten hätte, dann hätte er einen Lachanfall bekommen. Aber wenn die große Starautorin mit den TIMO-Rechten vor seinen Augen wedelt, kuscht dieser Idiot natürlich sofort. Hättest du mir das nicht verraten können, ehe ich nach Köln gefahren bin?“

“Wärst du denn dann nach Köln gefahren?“

“Bist du verrückt?“ fauchte ich.

“Ich verstehe nicht, warum du die ganze Sache nicht viel lockerer siehst“, versuchte sie mich zu beruhigen. “Es kann dir doch völlig egal sein, worüber ich mit Jansen geredet habe. Hauptsache, du bist bei FIT und kannst dir dort beweisen, dass du doch nicht so ausgebrannt bist, wie du behauptest. Glaub‘ mir, wenn du gut bist, fragt in ein paar Wochen kein Mensch mehr danach, wie du zu deinem Job gekommen bist.“

“Zu was für einem Job? Morgen früh ruf‘ ich Jansen an und sag‘ ihm, dass er sich einen andern Versager für seinen Scheißladen suchen kann.“

Und damit stürmte ich an Ellen vorbei aus dem Zimmer, eilte in den Garten, warf den Rasenmäher an und mähte alles nieder, was mir in den Weg kam. Jedes Mal, wenn ich an Ellens Lieblingsbaum vorbei musste - einer Linde, die sie selbst gepflanzt hatte -, rammte ich ihn kräftig. Zeitweilig sahen mir Herr Freese auf der anderen Seite der Hecke und Vanessa aus ihrem Fenster mit irritierten Blicken bei der Arbeit zu. Als ich fertig war, wurde mir der Grund für die Verwunderung der beiden klar: Ich hatte den Rasen vor vierundzwanzig Stunden zum letzten Mal gemäht.

Am nächsten Morgen rief ich nicht bei Jansen an. Der Tag war irgendwie einfach zu herrlich. Die Sonne schien, die Vögel sangen, Vanessa hatte blendende Laune. Nur Ellen kam zu ihrem Leidwesen aber auch gar nicht mit ihrem Manuskript voran. Ich saß im Garten und fühlte mich so unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Und ich beschloss, es nun doch bei FIT zu versuchen. Ich wollte nicht nur mir, sondern vor allem Ellen beweisen, dass ich zu mehr fähig war als nur zum Joggen. Ich wird‘s dir zeigen, sagte ich mir immer wieder und hätte beinahe meine geballte Faust in die Luft gereckt.

Dass ich ohne TIMO den Job nie bekommen hätte, störte mich inzwischen nicht mehr. Warum sollte ich TIMO ausgerechnet dafür böse sein? Schließlich sorgte er auch sonst für alles: für die Hypotheken, den Strom, die Marmelade, das Waschpulver und für Vanessas Taschengeld. Für seine Hunderttausende von Lesern mochte TIMO ein Hund sein - für uns war er eine goldene Kreditkarte.

Kopf hoch, Kleiner!

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