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IV. Innergemeinschaftliches Verbringen

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§ 3 Abs. 1a S. 1 UStG regelt den speziellen Umsatzsteuertatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens („IGV“). Danach gilt als Lieferung gegen Entgelt „das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung…“. Die Fiktion („gilt“) erklärt sich daraus, dass es tatsächlich an einer Leistung i. S. d. Umsatzsteuerrechts fehlt, weil mit dem verbringenden Unternehmer nur eine Person an dem Vorgang beteiligt ist („Innenumsatz“, s. bereits Rn 181).

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Zum Verständnis des IGV ist es wichtig, einen Überblick über weitere Regelungen des Mehrwertsteuerrechts zu haben, die damit in engem Zusammenhang stehen. Dabei ist zu beachten, dass die relevanten Vorschriften durch das Unionsrecht harmonisiert sind, in anderen Mitgliedstaaten also im Wesentlichen inhaltsgleich gelten.

Zunächst ist im Ausgangsmitgliedstaat die in § 3 Abs. 1a sowie § 4 Nr 1 lit. a) i. V. m. § 6a Abs. 2 UStG geregelte Steuerbefreiung zu beachten. Das IGV ist danach nicht nur hinsichtlich der Steuerbarkeit einer Lieferung (IGL) gleichgestellt; vielmehr findet auch die für eine IGL geltende Steuerbefreiung auch auf das IGV Anwendung (s. im Einzelnen Rn 487 ff). Das IGV ist danach im Ausgangsmitgliedstaat zwar steuerbar, aber regelmäßig steuerbefreit.
Im Bestimmungsmitgliedstaat ist das IGV unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 2 UStG (bzw. der entsprechenden Vorschriften des ausländischen Rechts) einem innergemeinschaftlichen Erwerb (IGE) gleichgestellt und damit steuerbar. Nach § 1a Abs. 2 UStG gilt als IGE gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung.
Ebenfalls im Bestimmungsmitgliedstaat kann der verbringende Unternehmer regelmäßig die durch den IGE ausgelöste Mehrwertsteuer als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr 3 UStG abziehen (Vorsteuerabzug). Im Einzelfall ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, so etwa i. d. R. bei beabsichtigter Verwendung zur Ausführung steuerfreier Ausgangsumsätze (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr 1 UStG).

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In der Zusammenschau verwirklichen die Vorschriften zum IGV/IGE das Bestimmungslandprinzip, das das EU-Mehrwertsteuerrecht prägt (s. bereits Rn 60 f). Das Verbringen ist im Ausgangsmitgliedstaat steuerbar, aber regelmäßig steuerfrei. Zugleich ist es im Bestimmungsmitgliedstaat steuerpflichtig, die Steuerlast wird aber regelmäßig durch den Vorsteuerabzug des verbringenden Unternehmers neutralisiert. Im Ergebnis gelangen die verbrachten Gegenstände damit unbelastet von Mehrwertsteuer über die innergemeinschaftliche Grenze. Eine Belastung mit Mehrwertsteuer tritt erst ein, wenn im Bestimmungsmitgliedstaat an einen „Endverbraucher“ geliefert wird.

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Ein Verbringen ist innergemeinschaftlich, wenn der Gegenstand auf Veranlassung des Unternehmers vom Ausgangsmitgliedstaat in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt.[21] Der Gegenstand muss zudem im Ausgangsmitgliedstaat bereits dem Unternehmen zugeordnet gewesen sein und sich bei Beendigung der Beförderung oder Versendung im Bestimmungsmitgliedstaat weiterhin in der Verfügungsmacht des Unternehmers befinden.[22]

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Weitere Voraussetzung ist, dass der Gegenstand zu einer nicht nur vorübergehenden Verwendung durch den Unternehmer in den Bestimmungsmitgliedstaat gelangt. Mit dem negativen Tatbestandsmerkmal der „nicht nur vorübergehenden Verwendung“ in § 3 Abs. 1a UStG soll Richtlinienrecht umgesetzt werden. Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL enthält indes nicht das genannte oder ein ähnliches Ausschlusskriterium. Vielmehr findet sich dort in einem detaillierten Katalog eine abschließende Aufzählung von Umsätzen, die nicht den Tatbestand einer „Verbringung in einen anderen Mitgliedstaat“ erfüllen. Dem wird die knappe deutsche Regelung, die schlicht jede „nur vorübergehende Verwendung“ aus dem Tatbestand ausklammert, offensichtlich nicht gerecht. Der BFH formuliert, das deutsche Recht setze die Richtlinie „zumindest begrifflich nicht zutreffend um“.[23]

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Finanzverwaltung und Rechtsprechung legen die „nur vorübergehende Verwendung“ daher „unter Beachtung von Artikel 17 … MwStSystRL aus“.[24] Sie lösen sich dabei von einem durch den Wortlaut „vorübergehend“ an sich gebotenen zeitabhängigen Verständnis der Regelung und orientieren sich an dem detaillierten Ausnahmenkatalog in Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL.[25] Ob die Finanzverwaltung Art. 17 Abs. 2 MwStSystRL dabei tatsächlich zutreffend auslegt, ist im Lichte einer neueren Entscheidung des EuGH zweifelhaft.[26]

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Beispiel 1:

Ein französischer Unternehmer bringt eine Maschine aus seinem Unternehmen in Frankreich in seinen Zweigbetrieb nach Deutschland, um sie dort auf Dauer einzusetzen. Der deutsche Zweigbetrieb kauft in Deutschland Heizöl und bringt es in die französische Zentrale, um damit das Bürogebäude zu beheizen.

Lösung: Der Unternehmer bewirkt mit dem Verbringen der Maschine nach § 1a Abs. 2 UStG einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Deutschland. Das Verbringen des Heizöls ist in Deutschland einer (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt (§ 3 Abs. 1a i. V. m. § 6a Abs. 2 UStG).[27]

Beispiel 2:

Ein deutscher Bauunternehmer errichtet in Frankreich ein Hotel. Er verbringt zu diesem Zweck Baumaterial und einen Baukran an die Baustelle. Der Baukran gelangt nach Fertigstellung des Hotels nach Deutschland zurück.

Lösung: Ein IGV ist zu verneinen, weil eine nur vorübergehende Verwendung durch den Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat beabsichtigt ist. Das liegt für den Baukran, der nach Deutschland zurückgebracht wird, auf der Hand. Auch bezüglich der Baumaterialien, die letztlich in Frankreich verbleiben, ist ein IGV aber zu verneinen. Nach der Finanzverwaltung, die den Begriff der „vorübergehenden Verwendung“ richtlinienkonform auslegt, ist eine solche zu bejahen (und ein IGV damit zu verneinen), wenn der Unternehmer den Gegenstand bei einer Werklieferung verwendet, die im Bestimmungsmitgliedstaat steuerbar ist.[28]

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Bemessungsgrundlage ist beim IGV der Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises der Betrag der Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes und ohne Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 4 S. 1 Nr 1 UStG).

§ 5 Lieferung und sonstige Leistung › A. Lieferung › V. Unentgeltliche Wertabgaben (§ 3 Abs. 1b UStG)

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