Читать книгу Umsatzsteuerrecht - Christian Müller - Страница 90

III. Schadensersatz

Оглавление

203

Schadensersatzzahlungen sind grundsätzlich nicht steuerbar, weil es an einem Leistungsaustausch fehlt: Der Geschädigte erhält den Schadensersatz nicht als Gegenleistung für eine Leistung, die er erbracht hat, sondern für unfreiwillige Vermögenseinbußen.[20] Fälle, in denen eine Schadensersatzleistung nicht steuerbar ist, werden im Umsatzsteuerrecht als „echter Schadensersatz“ bezeichnet. Echter Schadensersatz liegt insbesondere vor, wenn in Fällen einer unerlaubten Handlung (§§ 823 ff BGB) der Schädiger an den Geschädigten Schadensersatz im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldersatz (§ 249 Abs. 2 BGB) leistet.

204

Von „unechtem Schadensersatz“ ist dagegen die Rede, wenn eine Leistung, die zivilrechtlich Schadensersatz ist, ausnahmsweise als Entgelt für eine vom Geschädigten an den Schädiger erbrachte Leistung anzusehen ist.[21] Dies ist etwa beim Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 Abs. 3, 281, 282, 283 BGB) im Einzelfall – nicht immer – zu bejahen.

205

Ein im Rahmen eines Austauschverhältnisses geleisteter Schadensersatz kann im Einzelfall als Minderung des Entgelts zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 17 UStG führen.[22]

206

Beispiel 1:

S beteiligt sich an einer Demonstration, die völlig eskaliert. S zündet (von der Polizei auf Video dokumentiert) ein Taxi an, das dem selbstständigen Taxi-Unternehmer G gehört. Der Schadensersatz, den S dem G (u. a.) nach § 823 Abs. 1 BGB schuldet, ist nicht steuerbar, weil kein Leistungsaustausch vorliegt (keine Gegenleistung des Geschädigten). Dies gilt für den Ersatz des Sachschadens, aber auch für einen Verdienstausfall, den S dem G als entgangenen Gewinn nach § 252 BGB zu erstatten hat. Zwar ersetzt hier die Zahlung des Schädigers Einnahmen, die bei G sonst der Umsatzsteuer unterlägen. Aber es besteht kein Zusammenhang mit erbrachten Leistungen, sondern gerade mit nicht erbrachten Leistungen. Ein zu besteuernder Verbrauch ist zu verneinen.

207

Beispiel 2:

Betreibt G neben dem Taxi-Unternehmen eine Kfz-Werkstatt und beauftragt S den G selbst mit der Reparatur gegen Zahlung der üblichen Vergütung durch S, ist eine steuerbare Leistung des G an S zu bejahen.[23] Der Fall ist nicht anders zu behandeln als eine von S bei einem anderen Unternehmer in Auftrag gegebene Reparatur.

208

Beispiel 3:

Wenn ein Kunde des G eine Fahrt zum Flughafen ohne Begründung fünf Minuten vor der Abfahrt „absagt“, kann G den Kunden zivilrechtlich auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 2 BGB) in Anspruch nehmen. Weil der Schadensersatz in diesem Fall kein Entgelt für eine von G erbrachte Leistung ist, handelt es sich um – nicht steuerbaren – echten Schadensersatz.

209

Beispiel 4:

Anders ist dagegen folgender Fall des Schadensersatzes statt der Leistung zu beurteilen: G tauscht mit Autohändler A Autos. Im Austausch gegen drei alte Mercedes-Benz soll A dem G einen neuen Toyota Prius (Hybridfahrzeug) liefern. Während G die drei Gebrauchtfahrzeuge pflichtgemäß liefert, liefert A den Prius nicht. G verlangt deshalb nach Fristsetzung Schadensersatz wegen Nichterfüllung, berechnet nach der Surrogationstheorie: A soll die drei Gebrauchtwagen behalten und an G Schadensersatz in Höhe des vollen Wertes der ausgebliebenen Gegenleistung (also des Prius) zahlen. In diesem Fall ist der Schadensersatz umsatzsteuerrechtlich das Entgelt für die Lieferung der Gebrauchtwagen. Die Zahlung ist als unechter Schadensersatz steuerbar.

210

Gerät der Schuldner einer Geldleistung in Verzug, muss er dem Gläubiger nach § 288 Abs. 1, 2 BGB Zinsen zahlen (Verzugszinsen). Nach § 353 S. 1 HGB sind Kaufleute sogar berechtigt, für Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tag der Fälligkeit an Zinsen zu fordern (Fälligkeitszinsen). Der Schuldner zahlt die Zinsen jeweils nicht als Gegenleistung für eine Leistung des Gläubigers, sondern wegen der verspäteten eigenen Leistung. Wie beim echten Schadensersatz sind steuerbare Leistungen zu verneinen.[24] Dasselbe gilt für den Ersatz außerprozessualer Anwaltskosten sowie Gerichtskosten.[25]

211

Umsatzsteuerfragen können Rückwirkungen auf das Zivilrecht haben. So umfasst ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beschädigung eines Kfz (z. B. aus § 823 Abs. 1 BGB) auch die USt, die der Geschädigte seiner Werkstatt als Teil des Werklohns für die Reparatur schuldet. Dies gilt allerdings nicht, soweit der Geschädigte im Hinblick auf diese Umsatzsteuer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (§ 15 UStG), weil ihm insoweit kein Schaden entsteht. Kein Anspruch auf Umsatzsteuer besteht auch dann, wenn der Geschädigte den Schaden tatsächlich nicht reparieren lässt, sondern den Geldersatz schlicht behält (abstrakte Schadensberechnung): Nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB schließt der Schadensersatz in Geld wegen Beschädigung einer Sache die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

§ 4 Leistung gegen Entgelt (Leistungsaustausch) › C. Einzelfälle zum Leistungsaustausch › IV. Vertragsstrafe

Umsatzsteuerrecht

Подняться наверх