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EIN GEHEIMER ZAUBER

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Immer wenn Malfoy auftritt, wird es kalt. Streit liegt in der Luft, die Stimmung verdüstert sich, es riecht nach Kampf. Malfoy ist zwar erst elf Jahre alt, aber schon ein aggressiver Schnösel. Er hat gelernt, mit großer Bugwelle aufzutreten.

Seine Arroganz und sein kalter Machtwille speisen sich nicht aus Leistung, sondern aus dem Hochmut, den ihm seine Eltern einimpften: «Du bist etwas Besonderes, dir ist alles erlaubt, weil deine Familie zu den besten des Landes gehört.» Aus diesem Bewusstsein wächst sein Ego, und das bleibt nicht ohne Folgen.

So sehen wir Malfoy an seinem ersten Schultag mit erhobenem Kopf durch Schloss Hogwarts schreiten, das Internat, in dem er jetzt leben wird. Alle anderen Mitschüler sind ein wenig verunsichert, eingeschüchtert, wie man sich eben so fühlt, wenn man jäh in eine neue Situation geworfen wird und unter lauter Fremden ist.

Auch die Neuankömmlinge Harry, Ron und Hermine stehen ein wenig befangen herum, als Malfoy auf sie zukommt, begleitet von Crabbe und Goyle, zwei dicklichen Fieslingen, die sich aufführen wie seine Leibwächter. Malfoy wirft einen abschätzigen Blick auf den rothaarigen Ron, spottet über dessen ärmliche Kleidung und stellt gleich klar, wer hier der Chef ist. Er will einen Keil treiben zwischen Harry und Ron, die sich eben erst angefreundet haben. Hermine beachtet er gar nicht.

«Du wirst bald feststellen, dass einige Zauberer-Familien besser sind als andere», sagt Malfoy zu Harry Potter, «du wirst dich doch nicht etwa mit der falschen Sorte abgeben?» Während er Harry seine Hand entgegenstreckt, fügt er hinzu: «Ich könnte dir behilflich sein.»

Für einen Augenblick hält man den Atem an. Wie wird Harry reagieren? Wird er einschlagen? Wird er Ron verraten?

Ängstliche Kinder würden einschlagen, denn dieser Malfoy, das erkennen sie sofort, ist stark. Ihn als Freund zu haben bedeutet Schutz und Dazugehören. Seine Hand auszuschlagen, das heißt Ärger und Ausgeschlossensein.

Harry riskiert den Ärger, schlägt aus und sagt kühl: «Danke, ich entscheide selbst, wer zur falschen Sorte gehört.» Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Harry, Ron und Hermine, einer Bande, die gegen Malfoys «falsche Sorte» kämpft.

Eine eher beiläufige Szene aus dem Kinofilm über Harry Potter (im Buch spielt sie nicht auf dem Schloss, sondern im Zug), und doch fragten wir uns in diesem Augenblick unwillkürlich: Wie würden unsere Kinder sich verhalten? Können sie schon, wie Harry Potter, erkennen, dass Malfoy zwar stark erscheint, aber zur «falschen Sorte» gehört? Hätten sie den Mumm, seine Hand auszuschlagen?

Woher nimmt Harry Potter diese Stärke? Was brauchen Kinder, um die «richtige» von der «falschen Sorte» unterscheiden zu können und so stark zu werden, dass sie sich der Malfoys dieser Welt zu erwehren wissen?

Natürlich, wir reden hier nicht von realen Kindern, sondern von Märchenfiguren. Dieser Potter hat es einerseits schwerer als die meisten unserer Kinder, weil er ein Waisenknabe ist, dessen Pflegefamilie ihn unterdrückt. Gleichzeitig hat er es leichter, denn ihn schützt ein starker Zauber. Schon als Baby war er stark genug, einem Fluch zu widerstehen, der seine Eltern getötet hat. Und er wird noch immer bedroht. Aber jetzt hält Albus Dumbledore, der große Zauberer und Leiter der Schule von Hogwarts, seine schützende Hand über ihn, und zahlreiche Freunde aus der Zauberergemeinschaft achten sorgfältig darauf, dass Harry kein Leid geschieht.

Harry Potter hat es trotz seines harten Schicksals als Waisenkind märchenhaft gut. So wie ihn würden auch wir «Muggels», die wir leider nicht zaubern können, gerne unsere Kinder schützen. So einen Harry wünschen auch wir uns als Sohn. Doch haben schon viele Eltern mit ansehen müssen, wie stattdessen ein Malfoy heranwuchs.

Ist so etwas Schicksal? Liegt es an der Macht der Gene oder an der Erziehung? Haben wir Muggels wirklich keine Möglichkeiten, unsere Kinder gegen die Gefährdungen des Lebens zu immunisieren, als ob ein geheimer Zauber sie schützte?

Wir Eltern möchten, dass unsere Kinder mit traumwandlerischer Sicherheit durchs Leben gehen, und wissen doch: Dies gelingt kaum je einem Menschen, uns selber auch nicht. So kommt es darauf an, dass unsere Kinder, wenn sie irgendwann fast unvermeidlich auf die Nase fallen, die Kraft haben werden, wieder aufzustehen, sich nicht entmutigen zu lassen und ihren Weg erfolgreich weiterzugehen.

Können wir unseren Kindern diese Kraft geben? Was macht unsere Kinder stark für das Leben?

Stark für das Leben

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