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II. Gesetzliche Definition des Herstellerbegriffs

1. Definition des Herstellerbegriffs

Der Hersteller stellt einen Wirtschaftsakteur37 im Sinne des ProdSG dar und wird nach § 2 Nr. 14 ProdSG wie folgt definiert:

„jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwickeln oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet; als Hersteller gilt auch jeder, der

 a) geschäftsmäßig seinen Namen, seine Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen an einem Produkt anbringt und sich dadurch als Hersteller ausgibt oder

 b) ein Produkt wiederaufarbeitet oder die Sicherheitseigenschaften eines Verbraucherprodukts beeinflusst und dieses anschließend auf dem Markt bereitstellt.“

Bereits nach dem Wortlaut der Legaldefinition in § 2 Nr. 14 ProdSG ist eine klare begriffliche Eingrenzung kaum möglich, welcher Wirtschaftsteilnehmer nun als Hersteller gelten soll. Es ergeben sich nämlich gleich mehrere Fallgestaltungen, nach denen ein Wirtschaftsteilnehmer zum „Hersteller“ werden kann:

 – eigene Produktion des Produkts

 – Herstellung des Produkts durch einen Dritten im Auftragsverhältnis bei Vertrieb des Produkts unter eigenem Namen

 – Entwicklung des Produkts durch einen Dritten bei Vertrieb unter eigenem Namen.

 – Aufbereitung einer Sache vor dem abermaligen Inverkehrbringen

 – Beeinflussung der Sicherheitseigenschaften eines Verbraucherprodukts

 – wesentliche Veränderung eines Produkts

 – Anbringen der Handelsmarke, Warenzeichen oder Firmennamen auf einem Produkt (sogenannter Quasi-Hersteller).

2. Die Herstellereigenschaft im Produktlebenszyklus


Abbildung 2: Begründung der Herstellereigenschaft Quelle: eigene Darstellung

Die Herstellereigenschaft wird grundsätzlich am Anfang des Produktlebenszyklus konstituiert, indem ein Wirtschaftsteilnehmer ein Produkt im Sinne des ProdSG selbst produziert (Fallgruppe 1 gem. § 2 Nr. 14 Hs. 1 ProdSG). Auf der Stufe des Vertriebs kann der vertreibende Wirtschaftsteilnehmer zum Hersteller im Sinne des ProdSG werden, indem er das Produkt bei einem Dritten herstellen lässt und unter seinem eigenen Namen vertreibt (Fallgruppe 1 gemäß § 2 Nr. 14 Hs. 1 ProdSG). Das Gleiche ist gegeben, wenn dieser Wirtschaftsteilnehmer das Produkt durch einen Dritten entwickeln ließ (Fallgruppe 1 gemäß § 2 Nr. 14 Hs. 1 ProdSG). Auf der Vertriebsstufe wird ferner die Quasi-Herstellereigenschaft konstituiert, indem auf ein Produkt die Handelsmarke, das Warenzeichen oder der Firmenname angebracht werden und es vertrieben wird (Fallgruppe 2 gem. § 2 Nr. 14 Hs. 2 lit. a) ProdSG). Der Unterschied zwischen den bereits dargestellten Fallgruppen besteht darin, dass das Produkt in diesem Fall nicht im Auftrag des (nunmehr) Quasi-Herstellers entwickelt oder produziert wurde. Sobald das Produkt in den Verkehr gebracht wurde, kann in einem weiteren Schritt des Produktlebenszyklus eine Herstellereigenschaft konstituiert werden. Dies ist dann der Fall, wenn ein Produkt durch einen Wirtschaftsteilnehmer im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit aufbereitet (Fallgruppe 3 gem. § 2 Nr. 14 Hs. 2 lit. b) Alt. 1 ProdSG) oder wesentlich beeinflusst wird (Fallgruppe 4 gem. § 2 Nr. 14 Hs. 2 lit. b) Alt. 2 ProdSG) oder wenn die Sicherheitseigenschaften eines Verbraucherprodukts beeinflusst wurden (Fallgruppe 5 gem. § 2 Nr. 14 Hs. 2 lit. b) Alt. 2 ProdSG) und das jeweilige Produkt erneut auf dem Markt bereitgestellt wird. Daran anschließend kann die Herstellereigenschaft an dem Produkt, auf das bereits eingewirkt wurde, wieder erneut durch eine Quasi-Herstellereigenschaft begründet werden oder durch eine erneute Einwirkung auf das Produkt und dessen Bereitstellung nach § 2 Nr. 14 Hs. 2 lit. b) Alt. 2 ProdSG oder § 2 Nr. 14 Hs. 2 lit. b) Alt. 2 ProdSG.

3. Problematik der Definition

Die vorangestellte Darstellung der verschiedenen Fallgruppen lässt bereits die Unzulänglichkeit des Herstellerbegriffs des ProdSG erkennen: Die verschiedenen Fallgruppen sind nicht trennscharf voneinander abzugrenzen. Ob ein Produkt durch den Produzenten im technischen Sinne selbst oder durch die Vorgaben eines Auftraggebers entwickelt wurde, lässt sich nicht einfach voneinander abgrenzen. Schließlich werden Produkte in einem arbeitsteiligen Arbeitsumfeld zumeist von verschiedenen Wirtschaftsteilnehmern gemeinsam entwickelt. Bei technischen Produkten, die ein Zulieferbetrieb entwickeln soll, arbeitet der Auftraggeber mit Pflichten- und Lastenheften, welche die wesentlichen Eigenschaften des Produkts vorgeben. Schon das Ausarbeiten des Pflichten- und Lastenheftes könnte bereits als die Entwicklung des Produkts anzusehen sein, sodass einerseits der tatsächliche Produzent des Produkts der Hersteller im Sinne des ProdSG sein könnte, andererseits aber auch der Verfasser des Pflichten- und Lastenheftes.

Neben der Abgrenzung der einzelnen Fallgruppen voneinander besteht eine weitere Problematik darin, dass die Handlungsmodalitäten der einzelnen Fallgruppen durch unscharfe Begriffe beschrieben werden. Dabei erzeugt insbesondere die Frage Schwierigkeiten, wann eine Einwirkung auf ein Produkt anzunehmen ist. Dies könnte bereits dann der Fall sein, wenn nur eine einfache Eigenschaft des Produkts verändert wird wie beim bloßen Umlackieren.

Werden die einzelnen Fertigungsschritte des Produktentstehungs- und Lebenszyklus innerhalb der Lieferkette betrachtet, wird die Unzulänglichkeit des Herstellerbegriffs noch deutlicher: Wird ein Produkt von Wirtschaftsteilnehmer A entwickelt, von Wirtschaftsteilnehmer B produziert, wobei beide Wirtschaftsteilnehmer ihren Namen auf dem Produkt anbringen, von Wirtschaftsteilnehmer C in den Verkehr gebracht und schließlich von Wirtschaftsteilnehmer D eine Erkennungsmarke angebracht und weitervertrieben, stellt sich die Frage nach dem verantwortlichen Hersteller im Sinne des ProdSG. Die Frage wird noch weiter verschärft, wenn im Anschluss an den originären Vertriebszyklus von Wirtschaftsteilnehmer E – zum Beispiel einem Recycler – Einwirkungen auf das Produkt vorgenommen werden.

Somit könnte dieses Produkt nach dem ProdSG mehrere Hersteller haben. Allerdings kann immer nur ein Wirtschaftsteilnehmer für ein Produkt der Hersteller im Sinne des ProdSG sein.38 Dass für ein Produkt mehrere Wirtschaftsteilnehmer als Hersteller im Sinne des ProdSG infrage kommen, ruft folglich eine erhebliche Rechtsunsicherheit und dementsprechend ein hohes Klarstellungsbedürfnis bei den Wirtschaftsteilnehmern und den Marktüberwachungsbehörden hervor, was nachfolgend verdeutlicht wird.39

37 § 2 Nr. 29 ProdSG nennt als Wirtschaftsakteure und damit als Verpflichtete im Sinne des § 27 Abs. 1 ProdSG sowie als Anordnungsadressaten die Hersteller, Bevollmächtigten, Einführer und Händler. 38 Bauer, Das Recht des technischen Produkts, S. 219. 39 Siehe dazu instruktiv Teil B. III.

Der Hersteller im europäischen Produktsicherheitsrecht

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