Читать книгу CYTO-X - Christian Schuetz - Страница 10
03:45 AM
ОглавлениеBrugger wanderte mit seiner Tasse Tee in der Hand durch sein großes Appartement. Er hatte es gekauft, als die Scheidung beschlossen war. Karina blieb natürlich in dem großen Haus am Rand des Taunus wohnen, schließlich hatte sie es von ihren Eltern geschenkt bekommen, als diese in eine Finca auf Mallorca gezogen waren, um ihren Lebensabend im warmen Mittelmeerklima zu genießen. Das Appartement war ein Schnäppchen gewesen. Dank der Wirtschaftskrise waren die Immobilienpreise gerade rechtzeitig gefallen und die Auswahl war riesig.
Aber Brugger hatte sich sofort in dieses Objekt verliebt, weil es prinzipiell aus einem einzigen großen Raum bestand. Statt eines Flurs gab es eine kleine Empore, so dass man die Wohnung knapp einen halben Meter über dem eigentlichen Boden betrat und von dort aus, an einem Geländer stehend, die gesamte Wohnung überblicken konnte.
Danach schritt man sechs Stufen hinunter in den Wohn-Schlaf-Arbeits-Bereich; lediglich Bad, WC und ein Speisekammer waren eigene abgeschlossene Räume. Die Küche befand sich in einer Ecke des riesigen Raums, halb offen, nicht zu groß, denn dieses Appartement war offensichtlich für einen reichen Junggesellen gebaut worden. Vielleicht für einen aufstrebenden, unsympathischen Jungbankier, einen unverheiratbaren Staranwalt oder einen coolen Profisportler? Oder eben maßgeschneidert für einen geschiedenen Physikprofessor!
Brugger schaltete seinen Computer an und aktivierte die Bewegungssteuerung, die auf sein Bett ausgerichtet war. So konnte er im Bett den Mauszeiger wie ein Dirigent mit der rechten Hand steuern und mit der linken klicken oder doppelklicken, indem er einfach kurz die Hand hob. Für längere Texteingaben stand ein kleines drahtloses Keyboard auf dem Nachttisch bereit. Emma hatte ihm mal erklärt, wie er einfach mit Handbewegungen schreiben könnte, aber da war er dann doch zu konservativ und haute lieber in die Tasten.
Brugger parkte seine beiden Tiger neben dem Bett und sprang in die noch warmen Laken zurück. Nun noch die Kissen in den Rücken gestopft, und es konnte losgehen. Er würde Magnussens Datenpaket mit Hilfe eines eigens dafür geschriebenen Programms mit den anderen zahlreichen Analysen verknüpfen und die Untersuchungskriterien definieren. Danach würde das Programm nach seiner Schätzung etwa zwei Stunden vor sich hin rechnen und er könnte diese Zeit noch für etwas Schlaf nutzen. Nach Ende des Suchlaufs würde ihn ein Alarm Ton wecken, nein, lieber Musik. Etwas aus Edvard Griegs „Peer Gynt“? Was würde besser passen zum norwegischen Datensatz?
Brugger war plötzlich bester Laune und das obwohl er es hasste, mitten in der Nacht aufzuwachen, weil dies seinen Tagesplan furchtbar in Mitleidenschaft zog. Er hatte einfach plötzlich ein sehr gutes Gefühl, was sein eigenes Projekt anging. Magnussen war vor gut sechs Jahren verunglückt, sein Projekt hatte Millionen gekostet und war von seiner Universität sehr unzeremoniell abgebrochen worden. Sicher konnte er die Entscheidung verstehen, aber es würde ihm ein Genuss sein, den norwegischen Kollegen zu rehabilitieren, falls dessen Arbeit doch die Genialität besaß, die er vermutete.
Im Hintergrund lief „Peer Gynt“, und so bewegte er die Hände ein wenig im Takt der Musik und ließ sich mehr und mehr von seinem Instinkt leiten. Zwischenzeitlich wusste er gar nicht, was er gerade eben eingegeben hatte, aber es beunruhigte ihn nicht. Dies war seine Stärke und je mehr er abschaltete, desto schneller und effizienter arbeitete er. Für seine Frau war er in dieser Hinsicht trotz fünfundzwanzig Ehejahren immer ein Rätsel geblieben und sie hatte stets vermutet, hätte er nicht geheiratet und eine Tochter mit großgezogen, dann wäre er der nächste Stephen Hawking oder Albert Einstein geworden.
Brugger fühlte sich so wohl, dass nun auch das letzte Adrenalin des Alptraums abgebaut wurde und er langsam Müdigkeit in sich aufkommen spürte. Er hatte alle Routinen definiert, das Programm auf Automatik ein- und die Musik abgestellt. Er blickte noch kurz auf die Uhr, fast halb fünf, was bedeutete, dass er gegen halb sieben geweckt werden würde. Er könnte die Daten dann an seinen Rechner in der Uni transferieren, gemütlich frühstücken, duschen und dann zur Arbeit fahren. Mit diesem Gedanken schlief er höchst zufrieden ein.