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11 - Das Pad

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Brugger war verdutzt. So viel Drama um eine mobile Festplatte? Aber bevor er sich die Blöße gab, seine Meinung kundzutun, betrachtete er das Ding erst mal näher. Da waren weder Fugen noch Schrauben oder Einbuchtungen für Anschlüsse. „Ist das Ding auf der Unterseite genauso glatt?“, fragte er nach. Erik nickte nur, während er weiter auf das Kästchen starrte.

„Darf ich es anfassen?“ Erik nickte wieder. Brugger berührte es mit dem rechten Zeigefinger und spürte die seltsame Oberfläche. Das war nicht kalt, wie erwartet, zwar auch nicht warm, aber irgendwie weich wie Haut und dennoch fest.

Er blickte Erik an, der auf etwas zu warten schien. Brugger klopfte dreimal mit dem Finger auf das Teil, als wolle er um Einlass bitten, dabei zuckte Erik leicht zusammen.

„Jetzt ist es aber gut, Erik! Das ist bisher zwar seltsam, aber höchst unspektakulär. Hast du Angst, hier fliegt gleich alles in die Luft?“

Erik zuckte mit den Achseln. „Streich mal mit der flachen Hand darüber! Das müsste funktionieren.“

Brugger tat wie befohlen. Er hatte zwar Respekt, aber er wollte nun endlich Ergebnisse sehen und die bekam er auch. Ohne sichtbaren Bildschirm stand da auf der Oberfläche nun: „Enter name“!

Brugger stieß einen schrillen Pfiff aus, wandte sich dann aber wieder an Erik: „Hat irgendein Verein auf der Erde eine solche Technik?“

Erik schüttelte den Kopf.

„Also Erik, wir können gern mit Nicken und Kopfschütteln weitermachen, aber wie wäre es, wenn du mir sagst, was das deiner Meinung nach ist?“

Erik blickte ihn verloren an. „Ich weiß es nicht. Ich schließe eine außerirdische Herkunft aus, weil ich nicht glaube, dass Aliens mit unseren Schriftzeichen arbeiten und schon gar nicht mit einer unserer Sprachen. Bleibt also eigentlich nur eine, na ja, temporale Erklärung.“

Brugger grinste ihn an. „Ich habe das Gleiche vor fünf Tagen auch durchmachen müssen, Erik! Zeitreisende und außerirdische Besucher waren für mich wissenschaftlicher Unfug. Aber als ich das Ergebnis meiner Analyse sah, musste ich mein Dogma hinsichtlich der Zeitkiste einfach revidieren. Warum hat das für dich nicht gereicht? Du glaubst erst daran, seit du das Gerät gefunden hast, oder?“

Erik nickte wieder leicht abwesend.

„Also Erik, das mit dem Nicken hast du langsam echt gut drauf. Da kannst du im Fernsehen mit auftreten!“

„Entschuldige, aber das ist für mich, als hörte der Papst, dass es Gott nicht gibt.“

„Das ist ziemlich theatralisch! Ich habe mein Leben mit der theoretischen Physik und solchen Diskussionen verbracht. Wenn, dann müsste ICH hier der Papst sein! Warum kannst du dich so überhaupt nicht damit abfinden, dass alles auf Zeitreisen hindeutet?“

Erik schaute ihn nachdenklich an. „Wir haben mal an etwas gearbeitet, was in diese Richtung mit der Krümmung von Raum und Zeit ging. War ein absoluter Flop und ich war froh darüber. Aber ich habe mit Kollegen und Freunden lange drüber diskutiert. Also für mich ist die Zeit eine Gerade. Ich kann akzeptieren, dass jemand in die Zukunft reist, aber nicht wieder zurück.

Das bedeutet doch, wenn du im Laufe deines Lebens irgendetwas machst, was jemandem in der Zukunft nicht passt, dann kann der einfach in deine Zeit kommen und dich ausknipsen, bevor du es machst. Also ist irgendwie alles, was wir im Laufe unseres Lebens erreichen, nichts wert, weil irgendein Depp mit einer Zeitmaschine es rückwirkend ungeschehen machen könnte. Für mich ist das ein philosophisches Fiasko!“

Brugger nickte. Das war alles logisch und gleichzeitig lachhaft. Was würde denn passieren, wenn man in die Vergangenheit reiste und sich selbst erschoss? Das ließ sich doch einfach nicht beantworten. Aber eines war ihm klar und deshalb legte er den Arm um die Schulter seines jungen Protegés und ... Brugger blickte kurz verdutzt auf, bevor er seine wohlwollende Ansprache an Erik richtete.

Protegé? Wann war denn DAS passiert?

„Erik, hast du heute dieses Ding, was auch immer es ist, gefunden oder nicht?“

„Ja, natürlich, aber ...“

„Kein Aber! Du hast es gefunden und jetzt finden wir raus, was es damit auf sich hat. Falls irgendein Zukunfts-Depp das nicht möchte, dann soll er doch kommen! Meinst du denn, du merkst, wenn jemand deine Vergangenheit ändert? Sicher nicht! In einer parallelen Realität, hast du das Teil heute vielleicht nicht gefunden, weil dich der Depp bei der Suche gestört hat. Rückwirkend wird dir niemand etwas wegnehmen können, was du bereits erreicht hast. Da zerbrichst du dir den Kopf sinnlos.“

Erik schnaufte tief durch, seufzte ein wenig und schien die Philosophie zu akzeptieren. Weder er noch Brugger konnten zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass gerade für Erik Zsolt Ausnahmen gelten würden.

„Also, wie gehen wir jetzt vor?“, fragte Brugger. „Soll ich einfach laut Arno Brugger sagen und dann schauen, was die Kiste ...?“

Er stoppte abrupt, als er sah, dass Erik bereits Richtung Pad fuchtelte. Er hatte es wohl laut genug gesagt, denn statt „Enter name“ stand da nun „Calibrating“ und schon fünf Sekunden später „Kalibrierung abgeschlossen“.

Brugger und Erik standen da und staunten, denn es ging gleich darauf weiter. Die Anzeige änderte sich laufend alle fünf bis zehn Sekunden.

„Professor Arno Brugger“, dann folgte „Geboren 10.05.1951“, dann „Nennen Sie Ihren Geburtsort“. Brugger drehte sich zu Erik und sprach mit vorgehaltener Hand leise: „Soll mich das identifizieren?“

Erik zuckte mit den Achseln: „Ich glaube ja.“

Brugger beugte sich demonstrativ über das Pad und sprach: „Straubing!“

Erik kommentierte leise: „Oh, Niederbayern! Das hört man dir aber nicht an!“ Brugger grunzte ein kurzes „Danke!“ und folgte wieder den Anweisungen des Pads.

„Abitur am Ludwigs-Gymnasium in Straubing“, zeigte das Display an. „Nennen Sie das Abschlussjahr und die Abschlussnote!“

Brugger zögerte kurz und sagte leicht mürrisch: „1969. Eins Komma Vier.“

Erik sagte nichts, aber Brugger konnte ein kurzes Zucken der Augenbrauen und der Mundwinkel bei ihm erkennen. Oder er bildete es sich zumindest ein.

„Das war ein Bayrisches Abitur! Das ist nicht so einfach wie im Rest von Deutschland!“

„Hey, ich hab nicht mal Abitur! Ich hab nix gesagt!“

Brugger drehte sich zu ihm um und schien das Pad völlig vergessen zu haben. „Ohne Abitur ein reiches Wunderkind geworden? Wie geht denn so was? Du klingst, als hättest du schon einige Universitäten besucht und jetzt hast du nicht mal Abi?“

Erik hielt die Hände beschwichtigend vor die Brust. „Das Schulsystem in Schweden ist anders. Da musst du schon wissen, was für einen Beruf du ergreifen willst, bevor du Abi machst. Außerdem kannst du in fast jede Uni der Welt und in jeden Hörsaal reinmarschieren, wenn du was lernen willst. Das geht auch ohne Zeugnisse! Ich wollte nie einen Abschluss und brauchte nie einen, also brauche ich auch kein Abitur. Und wenn ich mal eins brauchen sollte, dann fälsche ich mir eins! Jetzt mach' weiter! Das Pad wartet schon auf dich!“

Die Antwort schockierte Brugger. Ganz gleich, wie talentiert Erik auch sein mochte, so gab er doch ein schlechtes Beispiel ab. Heutzutage glaubten die jungen Leute sowieso, man könne alles im Internet lernen. Brugger dagegen hatte schon geflucht, als er sich als Mitglied des Universitätsausschusses nicht gegen dieses „Krüppel-Studium“ namens „Bachelor“ hatte wehren können.

Brugger blickte wieder auf das Pad. Jetzt waren alle Buchstaben verschwunden „Was ist passiert?“, fragte er Erik.

Sein Partner rollte nur mit den Augen und sagte vorwurfsvoll: „Also so vor einer knappen Viertelstunde, als du dich aufgeregt hast, meinte die Kiste Identifikation abgebrochen und hat sich ausgeschaltet.“

Brugger äffte ihn kurz nach, wusste aber, dass es wohl sein Fehler gewesen war. Er ließ sich von solchen Diskussionen über Grundsätze zu leicht ablenken. Dabei hatten sie das gar nicht wirklich zu Ende diskutiert, aber dafür würde sich schon noch Zeit finden, auf der Fahrt nach Köln.

Brugger beugte sich erneut über das Pad und sagte: „Hallo! Ich bin wieder da! Bitte weitermachen!“, aber es passierte nichts. Widerwillig wischte er wieder mit der Hand über das Gerät.

„Enter name“

„Ach, das ist doch nicht wahr jetzt! BRUGGER hier! Professor Arno Brugger! Aus Straubing! 1969! Mit lachhaften Eins Komma Vier!“

„Calibrating“

Er schnaufte tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Ist ja gut, alles der Reihe nach!

Er dachte an Emma. Das half, wenn er sich aufregte. In ihrer Gegenwart versuchte er sich immer vorbildlich zu benehmen und mit diesem Trick beruhigte er sich allmählich wieder.

Verschiedene Anzeigen erschienen der Reihe nach auf dem Pad: „Kalibrierung abgeschlossen“ - „Professor Arno Brugger“ - „Aktuelles Datum 03.07.2013“

Brugger blickte leicht erschrocken zu Erik. Das war ein anderer Verlauf als vorher. Noch dazu verfügte das Gerät über einen Zeitgeber. Ausgehend davon, dass es aus der Zukunft gekommen war, war dies ein interessantes Feature.

„Nummer des Reisepasses“

Das traf Brugger nun wirklich. Welche Details wollte dieses Ding denn noch von ihm wissen? Wie viele Daten hatte es gespeichert, wenn es ihn, bezogen auf das aktuelle Datum, anhand der Nummer seines Reisepasses identifizieren konnte? Trotzdem suchte er den Pass und las die Nummer dann brav vor.

Erik stand dabei neben ihm mit gespitzten Lippen, so als würde er wohlwollend zur Kenntnis nehmen, dass Brugger nun konzentrierter bei der Sache war. Für einen spitzen Kommentar war aber keine Zeit.

„Mädchenname der Mutter“

„Wanke“, kam es erstaunlich schnell. An diesen Namen hatte er seit Jahren nicht gedacht und er war nun froh, ihn so schnell parat zu haben. Er würde immerhin auch nicht wollen, dass sich ein Fremder mit ein paar vagen Information über seine Vita in einen Supercomputer aus der Zukunft einloggen konnte, aber das ging schon recht weit.

Mulmig wurde ihm nur zumute, als er sich überlegte, was passieren könnte, wenn er sich bei ein paar Nummern vertan oder den Namen verwechselt hätte. Traf ihn dann der Todeslaser und aus war es mit Brugger? Und was, wenn die Datenbank falsch gefüttert worden war?

„Hochzeitsdatum“

„18.09.1980“

„Identifikation abgeschlossen“

„Vielen Dank, du Drecks ...!“, verkniff sich Brugger gerade noch eine umfangreiche Beschimpfung.

Es dauerte nicht lange und das Gerät wechselte wieder die Anzeige. Eingeblendet wurden die Worte „Temporale Relevanz 7,5 %“

„Relevanz? Ist das jetzt eine Beleidigung oder wie ist das gemeint?“

Noch bevor Erik ein Urteil hätte abgeben können, beantwortete das Pad Bruggers Frage auf seine ganz eigene Art und Weise: „Zugriff verweigert“

Der Impuls, das Ding zu packen und in den Vestvannet hinauszuschleudern, war für einen kurzen Moment sehr groß. Das Display war wieder verschwunden und das Gerät hüllte sich erneut in seine mysteriöse Aussagelosigkeit.

„Temporal irrelevant also?“ fragte Brugger in Richtung des Pads.

„Wieso stört dich das so?“, fragte Erik, der sich wohl auch irgendwie angesprochen fühlte.

„Wieso mich das stört? Das Mistding sagt doch gerade, dass es für die Zukunft scheißegal ist, ob es mich gibt oder nicht! Da wirst du stundenlang abgefragt nach Details aus deiner Vergangenheit, nach Reisepassnummern, Notendurchschnitten und Mädchennamen und dann bist du nicht relevant genug? Warum identifiziert mich die Kiste überhaupt, wenn ich es dann nicht wert bin, zu erfahren, was da drin versteckt ist?“

„Na, ich persönlich denke, es ist besser, temporal irrelevant zu sein! Außerdem hast du keinen Vergleichswert. Vielleicht ist 7,5 % ja nur knapp daran vorbei, im geschichtlichen Verlauf eine bedeutende Rolle zu spielen?“

„Wenn dem so wäre, dann hätte ich jetzt sicher Zugriff. Und warum sollte es besser sein, wenn man temporal irrelevant ist?“

Erik starrte das Pad an und sagte abwesend: „Frag mal Sarah Connor!“

Brugger rümpfte die Nase, aber er verstand den Vergleich. Emma liebte das Kino. Zum Glück stand sie mehr auf Action und Thriller als auf Schnulzen. Aus Sicht von „Sarah Connor“ wäre es wohl wirklich besser gewesen, nicht ganz so „temporal relevant“ zu sein.

Brugger entschied, dass er das Pad nun doch nicht auf den Vestvannet hinausschleudern musste.

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