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4.1Die klassische „Fahrt ins Blaue“

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Angenommen, ein Biologie- oder Erdkundelehrer oder einfach der fachunabhängige Klassenlehrer unternimmt mit seiner Klasse einen Ausflug „in den Wald“ (vgl. Riedel 1979) oder eine Tagesfahrt „ins Gebirge“. Dort angekommen, wandert er mit den Schülern von A nach B, bleibt hin und wieder stehen und erläutert im Frontalunterricht grundsätzliche Sachverhalte zu den örtlichen Raumeigenschaften (Abb. 4.5). Er benennt die Bäume im Wald, erklärt ein Bodenprofil am Wegesrand und die aktuelle Wetterlage. Vielleicht stößt auf halbem Weg noch der örtliche Förster hinzu und erklärt seinerseits Details zur Waldbewirtschaftung. Die Ergebnissicherung erfolgt bei den Schülern durch Mitschreiben zur Anfertigung eines Protokolls. In einem anderen Fall besichtigt die Klasse eine Burgruine, während ein Burgführer Allgemeines sowie detaillierte historische Daten über die Burg vorträgt und sich der Lehrer selbst weitgehend im Hintergrund hält.


Abb. 4.5 Wander-Exkursionen müssen nicht ausschließlich rein überblickshaft organisiert sein. Unterschiedliche kognitivistische Konzepte mit klarer Fragestellung und selbst konstruktivistische Elemente lassen sich integrieren. Das Bild zeigt Mainzer Studierende im Nationalpark Jasmund und Königsstuhl auf der Insel Rügen.

Eine solche Exkursion, die hier mit „Fahrt ins Blaue“ betitelt wird, war bis in die frühe Nachkriegszeit die fast ausschließlich praktizierte Form, Schülern und Studierenden außerschulische Lernorte näherzubringen. Sie ist stark mit dem geographischen Konzept der Landschafts- und Länderkunde verbunden, die aufgrund ihrer Deskriptivität in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhebliche Kritik erfahren hat. Eine Überblicksexkursion (Tab. 4.1, S. 33) dient im Grundsatz der Demonstration bestehender Sachverhalte und „der rezeptiven Aneignung kognitiver Lerninhalte“ (Ohl & Neeb 2012: 261). Kognitiv meint in diesem Zusammenhang die Aneignung von Wissen durch Information. Doch auch heute noch laufen viele Exkursionen, besonders in den eher untypischen Exkursionsfächern, exakt nach diesem Schema ab. Dasselbe gilt für weite Teile der Erwachsenenbildung, z. B. auf Bildungs- oder Rundreisen, bei Heimatvereinen und Betriebsbesichtigungen. In vielen Fächern, z. B. in Technik oder Chemie, sind derartige Exkursionen sogar durchgängig die einzigen außerschulischen Veranstaltungen, die überhaupt stattfinden, wie Kollegen immer wieder berichten. Man besichtigt z. B. ein Kraftwerk oder eine Werft und spricht erst später im Unterricht darüber.

Die nach wie vor große Popularität dieses Exkursionstyps liegt in der Einfachheit ihrer Durchführung und ihrer klaren Lernzielorientierung begründet. Zudem ist es äußerst zeitsparend, feststehende Lerninhalte einfach nur vor Ort vorzutragen. Das ist per se nichts Schlechtes. Die Nachteile liegen jedoch auf der Hand und jeder, der schon einmal eine derartige Führung mitgemacht hat, kennt sie. Sehr viel Wissen wird in einer Art Dauerberieselung – häufig ohne Reflexion – in sehr kurzer Zeit vermittelt. Dasselbe gilt für zu hohe Anforderungen in Bezug auf die Alters- und Zielgruppe (Klein 2015: 69). Die Zuhörer werden von der Informationsfülle regelrecht „erschlagen“ und nehmen häufig nur das Nötigste mit. Schon lange ist bekannt, dass die nachhaltige Behaltensleistung in so einem Fall eher gering ist und der eigentlich positive Effekt einer Exkursion, nämlich die eigene Anschauung, darunter leidet. Kritiker halten Überblicksexkursionen zudem für ungeeignet, anwendungsfähiges Wissen zu vermitteln, und verweisen auf die häufige Demotivierung der Lernenden (z. B. Wirth 1968, Ritter 1976 und Rinschede 2007). Ein weiterer Punkt ist, dass auf leistungsschwächere Schüler nicht individuell eingegangen werden kann.

Dennoch kann im Rahmen von Exkursionen kaum auf den Einsatz von Frontalunterricht verzichtet werden. Dies trifft z. B. auf die Einführung in das jeweilige Thema, die Hypothesenbildung und die Verortung des Raums zu. Auch eine Besichtigung, wie z. B. jene der Burgruine, muss nicht für sich allein stehen, sondern kann davor oder danach durch andere Methoden ergänzt werden, die das vermittelte Wissen wiederholen und vertiefen. In jedem Fall empfehlenswert ist es, die Schüler und Studierenden durch Fragen in die Inhalte mit einzubinden und zu einer Gruppendiskussion anzuregen. Zudem muss der vermittelte Stoff so heruntergebrochen werden, dass er eingängig ist. Fünf verschiedene Jahreszahlen, die die Geschichte der Burg(ruine) zeitlich verankern, kann sich niemand auf Anhieb merken. Dagegen kann eine z. B. geschickt in eine Geschichte verpackte Begebenheit sehr wohl beim ersten Hören eingängig sein. Hervorragend eignen sich auch Handstücke, Karten oder Abbildungen, um den vermittelten Stoff zu untermauern. Dies können – bezogen auf den Wald – z. B. Blätter oder Früchte von Bäumen, in jedem Fall topographische Karten zur Verortung des Standortes oder auch vor Ort anzufertigende Skizzen oder Mindmaps sein, in deren Erstellung die Schüler mit eingebunden werden können. So hat es sich bewährt, möglichst immer einen kleinformatigen Zeichenblock und einen Filzstift mitzuführen. Derartige Skizzen erleichtern es auch, Fragen zu beantworten, die während der Exkursion aufkommen.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Schülerreferaten auf Exkursionen oder mit der Vorbereitung und Vorstellung einzelner Exkursionspunkte durch Schüler. Ohne weitere Vorgabe läuft dies erfahrungsgemäß zwangsläufig auf reine Faktenvermittlung im Frontalunterricht hinaus. Deswegen ist von klassischen Referaten auf Exkursionen ohne handlungsorientierte Elemente, z. B. in Form von Stationsarbeit, grundsätzlich abzuraten.

Am Ende einer Exkursion bzw. beim Verlassen eines Standorts ist es in jedem Fall notwendig, das Gelernte möglichst unter Einbindung der Schüler zusammenzufassen und noch ein letztes Mal Fragen zuzulassen bzw. gezielt nach Unklarheiten zu fragen, um nicht verstandene Zusammenhänge oder Details zu klären.

Die „Fahrt ins Blaue“

Ein Exkursionsleiter geht oder fährt mit einer Exkursionsgruppe durch einen Raum und erklärt an unterschiedlichen Standorten bestimmte Sachverhalte, zeigt Artefakte oder kleine Experimente. Eine Lehrer-Schüler-Interaktion ist dabei möglich, indem z. B. Fragen an die Gruppe gestellt werden.

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