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Am späten Dienstagabend in Raphaels Wohnung

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Janine und Raphael lagen im Bett und schreckten vom Klingeln an der Wohnungstür hoch. Als es immer weiter läutete, sprang Raphael in seine Jeans und ging zur Tür. Janine zog sich das nächstbeste Shirt über und lief Raphael hinterher, als sie die Stimme der Kommissarin hörte.

„Störe ich?“, fragte Pia Jäger, die vor einem halbnackten Raphael stand.

„Schon mal auf die Uhr gesehen?“, entgegnete er.

Pia lächelte verständnisvoll. „Tut mir leid, doch ich muss dringend mit Ihnen und Janine reden.“


Die Kommissarin war überzeugt, sich einen guten Einblick in das Privatleben des Hans Sonntag verschafft zu haben. Der 57jährige arbeitslose Mann, von Beruf Werkzeugmacher, war seit über dreißig Jahren mit ein und derselben Frau verheiratet. In der Ehe wurden zwei Söhne, nun 31 und 25 Jahre alt, geboren. Außerdem zeugte er eine uneheliche Tochter. Seine Ehefrau wusste von dem Seitensprung mit Folgen, und Hans Sonntag zahlte den Unterhalt, solange das Gesetz es verlangte.

Die Affäre mit Janines Mutter und ihrer Freundin Melanie fiel in die ersten Ehejahre des Herrn Sonntag. Frau Sonntag hatte die ‚Eskapaden‘ ihres Mannes längst vergessen. Hans wäre ein zuverlässiger und liebevoller Ehemann und Vater gewesen. Man musste ihm nur seine kleinen Eigenarten lassen, wie seine ausgedehnten Spaziergänge durch das Stadtzentrum, seit er arbeitslos geworden war. Abends ging er öfter mal einen trinken, meistens mit irgendwelchen Freunden, ehemaligen Arbeitskollegen oder Bekannten aus dem Haus.

Bei der Gelegenheit fiel von der Ehefrau das Stichwort ‚Lottogemeinschaft‘. Ihr Mann spielte bis vor einem Jahr mit fünf anderen Bewohnern des gleichen Hochhauses in Marzahn in einer Lottogemeinschaft. Nach einem Streit wäre die Lottogemeinschaft auseinander geflogen. Seine Frau war überzeugt, Hans hätte das Wetten aufgegeben.

Kommissarin Pia jedoch dachte an die ominösen Briefumschläge und an Janines Vermutung, in ihnen wäre Geld gewesen. Sie war der Lotto-Spur nachgegangen. Mit Hilfe der Kollegen konnte sie recherchieren, dass Hans Sonntag vor vier Monaten ein erstes Mal auf eigene Rechnung Lotto gespielt und auf einen Schlag fast drei Millionen Euro gewonnen hatte. Die Ehefrau und die Söhne versicherten glaubwürdig, nichts vom Gewinn gewusst zu haben. Das Konto, auf dem das Geld – bis auf knapp siebzigtausend Euro - noch vollständig lag, lautete allein auf Hans Sonntag.


Inzwischen hatten Janine und Raphael auf dem schäbigen Ledersofa und die Kommissarin auf dem Hocker Platz genommen.

„Die zweite, jüngere Frau bei Hans Sonntag war seine uneheliche Tochter“, sagte Pia zu Janine, „Hans Sonntag hat seine Tochter in die Kneipe bestellt und ihr ein Geldgeschenk gemacht. Es steckte in dem Briefumschlag. Soweit die Aussage der Tochter. Deshalb nehme ich an, dass in dem Briefumschlag, den Hans Sonntag der gehbehinderten Frau zuschob, ebenfalls Geld war, wie auch Sie vermuteten, Frau Wunderlich. Leider wissen wir immer noch nicht, wer diese Frau war oder ist.“

Die Kommissarin hielt inne, um festzustellen, wie ihre Worte auf Janine wirkten. Dass es tatsächlich eine uneheliche Tochter von Hans Sonntag gab, schien sie kalt zu lassen. Sie war total in ihrem Glück mit Raphael versunken.

Der allerdings kratzte sich unentwegt am Kinn. Für Pia ein Zeichen seiner Unsicherheit. Sie wollte ihn noch etwas mehr verunsichern und sagte, dass die hinkende Frau weiter gesucht würde. „Irgendwann finden wir sie natürlich.“

Raphael rückte mit einer Frage raus, die ihm offenbar auf der Seele lag: „Denken Sie, die Hinkende hat den Mann umgebracht, weil sie mehr Geld wollte?“

Pia dachte, jetzt habe sie ihn am Haken. „Woher wissen Sie, wie viel Geld in dem Umschlag war?“

Als Raphael stumm blieb, verschärfte die Kommissarin den Ton: „Herr Schramm, entweder sagen Sie sofort, was Sie bisher verschwiegen haben, oder wir fahren aufs Präsidium. Dort verbringen wir beide dann den Rest der Nacht. Ich jedenfalls habe viel Zeit. Die Kollegen nehmen sich unterdessen Ihre Wohnung vor.“ Die Kommissarin zückte ihr Handy.

„Sag doch, wenn du was weißt, Raphael“, drängte Janine.

Raphael machte endlich den Mund auf, und Pia erfuhr, dass er zufällig zur selben Zeit zur Toilette gegangen war wie die gehbehinderte Frau.

Schon wieder diese Toilette, dachte Pia leicht genervt. „Ich weiß davon, Herr Schramm. Janine hat auch sie ein bisschen beobachtet und ihren Toilettengang mitgekriegt.“

„Aber in der Toilette war Janine ja nicht dabei, oder?“, erwiderte Raphael frech.

„Gut. Sie waren auf der Toilette, und weiter?“

„Im Vorraum, da, wo man durch muss, ob Frau oder Mann“, konkretisierte Raphael, „genau da hat die Hinkende mit ihrem Handy telefoniert. Total laut. Ganz euphorisch war die. Dreißigtausend Euro hätte der Alte ihr geschenkt. Hab’s gehört. Muss man sich mal vorstellen. Dreißigtausend!“

„Ich weiß, welche Summe der Herr Sonntag verschenkt hat. Haben Sie sonst noch Details von dem Telefonat mitbekommen?“

Raphael überlegte: „Er wär vom Alexanderplatz.“

„Bitte?“

„Er wär’s gewesen, der Mann, der sie auf dem Alex angequatscht hätte. Der hätte ihr das Geld geschenkt. Einfach so, ohne Gegenleistung. Das hat sie ins Handy geschrien. Und gelacht hat sie. In der Kneipe war sie wieder sehr ernst.“

„Vornehm“, ließ Janine sich vernehmen.

„Sie wussten also vom Geld in den Umschlägen, Herr Schramm. Nach dem Handygespräch der hinkenden Frau im Toilettenvorraum konnten Sie sich denken, dass Herr Sonntag der zweiten Person, seiner Tochter, auch Geld zuschob. Möglich, dass Sie annahmen, Herr Sonntag hätte noch mehr Geld bei sich, haben ihn deshalb überfallen und versucht, ihn auszurauben.“

„Das ist ja lachhaft! Kümmern Sie sich lieber um die Hinkende. Die wollte vielleicht mehr Kohle!“

Konnte gut sein, aber leider hatten sie keine Spur zu der Hinkenden. Pia dachte an die Bemerkung der Ehefrau von Hans Sonntag, dass ihr Mann gern allein Spaziergänge im Stadtzentrum unternahm. Der Alex sei einer seiner Lieblingsplätze gewesen. Er hatte die hinkende Frau wahrscheinlich dort aus der Menge herausgepickt und ihr einen kleinen Teil seines Lottogewinns versprochen. Aus einer Laune heraus? Sollte sie das Geld bekommen, gerade weil sie hinkte? Die Kommissarin Pia schob diese Gedanken beiseite, sie führten ins Leere. Und sie hatte nicht die Zeit oder die Leute, um auf dem Alex nach der Hinkenden zu suchen. Dafür hatte sie aber einen Tatverdächtigen. Er saß direkt vor ihr.

Jede Menge Indizien sprachen gegen Raphael Schramm. Andererseits tat er der Kommissarin etwas leid. Sie hätte gern an seine Unschuld geglaubt, allein wegen Janine. Die war offensichtlich bis über die Ohren in den jungen Mann verliebt.

„Sie haben kein Alibi, Herr Schramm“, sagte Pia.

„Er war’s nicht!“, protestierte Janine.

„Ich muss Sie mitnehmen, Herr Schramm. Ziehen Sie sich bitte an.“

„Nein!“ Janine stellte sich demonstrativ vor Raphael. „Wenn Sie Raphael verhaften, müssen Sie den dürren Großvatertyp auch festnehmen. Der war ja zur selben Zeit wie Raphael auf dem Klo und muss das mit dem Geld auch gehört haben!“


Mord zum Frühstück

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