Читать книгу Mord zum Frühstück - Christiane Baumann - Страница 13
Zwei Monate später, mittags auf dem Alex
ОглавлениеJanine gönnte sich nach ihrer Schicht eine Bratwurst. Langsam schlenderte sie, während sie die Wurst aß, über den Alexanderplatz und tauchte im allgemeinen Gewusel unter. Es regnete leicht, doch das störte Janine nicht.
Sie war glücklich. Sie hatte sich mit ihren Eltern versöhnt und war bei Raphael eingezogen. Das vage Schuldgefühl, das sie gegenüber der Familie von Hans Sonntag empfunden hatte, war verschwunden. Sie war total unschuldig. Zwar hatte sie den getöteten Mann in der Kneipe stundenlang beobachtet, aber deshalb war er ja nicht ermordet worden.
Es war dieser dürre Großvatertyp mit Glatze und Bart gewesen, der im selben Haus wie der Sonntag wohnte und jahrelang mit ihm und vier anderen Nachbarn erfolglos Lotto gespielt hatte. Als er – ebenso zufällig wie Raphael - im Toilettenvorraum das Telefongespräch der Hinkenden mit anhörte, war er überzeugt, von Hans Sonntag betrogen worden zu sein. Denn fast genau acht Monate nach Auflösung der Tippgemeinschaft brachten ihre Zahlen den Hauptgewinn. Weil sie sich jedoch in die Hand versprochen hatten, diese Zahlenkombination niemals selbst zu tippen, konnte auch niemand von den Sechsen gewonnen haben. Doch als der alte Nachbar nun die Übergabe der dicken Briefumschläge sah, erinnerte er sich an Hans Sonntags‘ oft und gern verkündetes Vorhaben, im Falle eines größeren Gewinns zum Alex zu gehen und dort einem Wildfremden einen Batzen abzugeben. Einfach aus Spaß! Und damit er, der edle Spender, im Leben eines Unbekannten eine besondere Rolle spielen konnte.
Der spätere Täter forderte von Hans Sonntag einen Anteil am Gewinn und darüber kam es zum Streit zwischen beiden. Wie ihm der Pflasterstein in die Hand geriet und wie genau er seinen ehemaligen Kumpel erschlagen hatte, daran konnte sich der Nachbar nicht mehr erinnern, weil er – wie der Sonntag – ziemlich betrunken war.
So hatte Janine es von der Kommissarin erfahren. Der Fall war abgeschlossen, obwohl die hinkende Frau vom Alexanderplatz nicht identifiziert werden konnte.
Niemand wird sie je wieder sehen, dachte Janine, während sie sich die fettigen Finger ableckte. Sie war einen Moment unaufmerksam und wurde rüde von irgendjemandem angerempelt. Janine verlor beinahe das Gleichgewicht, sie drohte zu fallen, als sie eine helfende Hand spürte.
„Hoppla“, sagte eine Dame, lächelte Janine freundlich an und setzte ihren Weg fort.
Janine schaute ihr hinterher. Die Frau trug einen weiten wadenlangen Mantel, den Kragen hatte sie hochgeschlagen zum Schutz vor dem Regen. Sie ging irgendwie schief, als wäre ein Bein kürzer als das andere, und mit den Händen in den übergroßen Manteltaschen wirkte sie sehr vornehm und steif.
„Das muss man sich mal vorstellen. Die Polizei sucht ewig, und du läufst ihr in die Arme. Warum hast du die Alte nicht aufgehalten?“, fragte Raphael am Abend.
„Pillepalle.“ Janine kuschelte sich an Raphael. Der Hinkenden vom Alexanderplatz zu folgen, war ihr erster, spontaner Impuls gewesen. Doch sie dachte, Hans Sonntag hätte es nicht gewollt. Und deshalb wollte sie es auch nicht.