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Verfolgt und verhasst

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Nicht immer in der Vergangenheit wurden Wildkatzen und andere Raubtiere – oder Beutegreifer, wie man sie heute oft bezeichnet – mit Argwohn beäugt. Im Mittelalter und bis zur Renaissance bewunderte man ihre Gerissenheit und fand es erstrebenswert, sie dennoch zu überlisten und zur Strecke zu bringen. Wer etwa Fuchs- oder Adlerfleisch verspeiste, was freilich den Adeligen vorbehalten blieb, hoffte damit auch gleichzeitig deren Schläue und Scharfsichtigkeit zu erwerben. Jagdabhandlungen aus dem Mittelalter thematisieren zwar durchaus die Gefährlichkeit verschiedener Wildtiere, aber abgesehen vom Wolf, der nie besonders viele Freunde hatte, finden sich keine Aufrufe dazu, diese Arten massiv zu reduzieren.37

Mit der Barockzeit wurde die Trendwende eingeleitet. Absolutistische Herrscher veranstalteten großangelegte Treibjagden und versuchten sich damit gegenseitig zu übertrumpfen. Je mehr Wild zusammengetrieben werden konnte, desto besser, desto größer ihr Ruhm und Ansehen. Quantität dominierte die folgenden Jahrzehnte und Jahrhunderte. Doch durch den zunehmenden Einsatz von Waffen und die intensivierte Verfolgung gingen die gewohnten Jagdstrecken, also die Anzahl der erlegten Wildtiere, allmählich zurück. Damit begann auch die Suche nach Feindbildern. Da Wolf, Bär und Luchs im 18. und spätestens zur Mitte des 19. Jahrhunderts schon weitgehend ausgerottet waren, wurde der Schwarze Peter der Wildkatze beziehungsweise allen verbliebenen Raubtieren zugeschoben. Die Kategorien »Nutzen« und »Schaden« – die auch heute noch im menschlichen Denken ihr Unwesen treiben – verhärteten sich zusehends und resultierten in einer Ideologie, die die Vernichtung aller fleischfressenden Tiere zugunsten des »Nutzwildes« forcierte. Wenn alles »Schadwild« – von Wildkatze über Fuchs bis Steinadler und Co – erst eliminiert wäre, so die Milchmädchenrechnung, könnten die Menschen wieder gesteigerte Abschüsse des sogenannten »Nutzwildes«, also von Rehen oder Hirschen, erzielen.38 Dass Beutegreifer für die Stabilität, Balance und Gesunderhaltung der Ökosysteme, in denen sie leben, von fundamentaler Bedeutung sind, war damals noch niemandem bewusst. Man freute sich eher darüber, Prämien für erlegtes Raubwild ausgezahlt zu bekommen. Der Ritter von Kobell gibt in seinen bayerischen Jagdgeschichten einen Einblick, in welcher Höhe diese ausfielen. Für den Umkreis des Tegernsees spricht er von einem »Schußgeld« von 1 Florint in den Jahren 1606 und 1750. Allerdings sei die Wildkatze nur einmal im Verrechnungszeitraum zwischen 1734 und 1786 aufgeschienen, was wohl an der Seltenheit der Tiere in Bayern liege.39 Ein Florint entspricht einem Reichsgulden, der wiederum 60 Kreuzer wert war. 1741 erhielt ein Maurer einen Tageslohn von 24 bis 40 Kreuzern, als Hofstuckateur um 1770 gab es dagegen schon ein bis zwei Gulden pro Tag.40 Das Erlegen Wildkatze wurde offenbar nicht schlecht bezahlt.

Fang- und Abschussprämien für verschiedene Raubtiere waren in vielen Ländern Mitteleuropas bis zum Ersten Weltkrieg üblich, teils auch darüber hinaus.41 In Frankreich flossen sogar bis in die 1970er-Jahre Prämien für Wildkatzen.42 Befeuert wurde die Verfolgung indirekt durch die fortschreitende Rodung und Umwandlung der letzten Urwälder in monotone Forste. Damit verschwanden nicht nur zahlreiche Unterschlüpfe und damit wertvoller Lebensraum, sondern die Prämienritter hatten in den ausgeräumten Wäldern dazu noch leichteres Spiel, mit dem verhassten »Raubzeug« fertigzuwerden.43

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