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Wildkatzen in Rage

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Was wir schon eher wissen, ist, dass es den Jägern offenbar jedes Quäntchen Heldenmut, das in ihren Adern floss, abverlangte, an die begehrten Felle zu gelangen. Denn immerhin nahmen sie es mit dem kolportierten »Ozelot der Vogesen« auf, wie man in Frankreich gerne zu sagen pflegte.66 Die Jagdliteratur wimmelt nur so von Beschreibungen dramatischer Kämpfe zwischen Jägern, Hunden und Wildkatzen. Sie sei ein »böses und wehrhafftes Thier«, das sich umso »unverzagter und grausamer« wehren würde, je ärger man ihm zusetzt.67 Wird die Wildkatze in die Enge getrieben oder angeschossen, so »rauft sie in unbändiger Wuth mit den Hunden oder fällt auch den Jäger an«, erzählt uns etwa Ritter Franz von Kobell.68 In allen Details erfahren wir in Brehms Tier-Enzyklopädie, wie sich die »Bestie« gebärdet. Einmal erzürnt, »fährt sie schnaubend und schäumend auf, mit hochgekrümmtem Rücken und gehobenem Schwanze«, sie »springt auf den Menschen los; ihre spitzen Krallen haut sie fest in das Fleisch […]«. Sie würde bis zum bitteren Ende kämpfen, »so lange noch ein Funke ihres höchst zähen Lebens in ihr« sei.69 Doch das ist noch gar nicht die Spitze des Pathos. Im Jura soll »ein wilder Kater, auf dem Rücken liegend, siegreich gegen drei Hunde« gekämpft haben, »von denen er zweien die Tatzen tief in die Schnauzen gehauen hatte, während er den dritten mit den Zähnen festgepackt hielt […]«. Nur ein »starker Schuß des herbeieilenden Jägers, der die Bestie durch und durch bohrte, errettete die schwer verwundeten Thiere, welche sonst sämmtlich erlegen wären«.70 Aber es kommt noch dicker, als Brehm von einem Waldläufer berichtet, der beim Aufstöbern einer Wildkatze von dieser angefallen worden sein soll: »Die Katze zerfleischt ihm die Hände, zerbeißt ihm das Gesicht […]. Da empfängt er einen grimmigen Biß in den Hals und stürzt nieder. […] noch an demselben Tage verscheidet der Mann unter entsetzlichen Schmerzen.«71

Der Jäger wird zum Märtyrer stilisiert, aber der Wahrheitsgehalt dieser und ähnlicher »Heldenepen« ist höchst fragwürdig. Ein populärwissenschaftlicher Artikel von 1856 beschreibt drei Situationen, in denen Wildkatzen Menschen an den Hals gesprungen sein sollen.72 Unter der Voraussetzung, dass die Tiere wiederholt gestört und drangsaliert wurden, mag das durchaus möglich sein. Von zu Furien mutierten Wildkatzen »durchbissene Halsadern« gehören aber maximal in das Reich der Stephen-King-Schocker.

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