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|40| 2.5 Der Kontext prägt die Perspektive

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Auf einen letzten Punkt sei hier noch hingewiesen. Er hat zwar nicht die Bedeutung einer methodischen Grundentscheidung, dürfte aber für die Perspektive, die wir im Folgenden einnehmen, und für manche Akzente, die wir setzen, nicht ganz unerheblich sein: Wir schreiben aus einem schweizerisch-reformierten Kontext.

Fast alles, was heute an diakoniespezifischer, insbesondere diakoniewissenschaftlicher Literatur auf Deutsch geschrieben wird, steht auf dem Hintergrund der Diakonieverhältnisse in Deutschland mit einer stark abgestützten, flächendeckend präsenten, institutionellen Diakonie, die Tausende von Institutionen und Hunderttausende von Mitarbeitenden umfasst.48 Etwas Vergleichbares gibt es in der Schweiz nicht; viele der ursprünglich als diakonische Werke entstandenen sozialen Institutionen sind inzwischen von der öffentlichen Hand übernommen worden. Auch gibt es keinen nationalen Zusammenschluss diakonischer Werke.49 Davon, dass die diakonischen Institutionen zusammen das Gewicht von so etwas wie einem eigenen Wohlfahrtsverband hätten, kann nicht die Rede sein.

Auch wenn es uns nicht darum geht, uns von anderen Ausprägungen diakonischer Praxis und theologischer Diakonie-Reflexion in anderen Kontexten grundsätzlich abzugrenzen, sind wir uns doch bei der Ausarbeitung der folgenden Kapitel je länger je mehr bewusst geworden, wie sehr die institutionelle Realität und die gesellschaftliche Praxis, die uns umgibt, unsere Perspektive prägt. Neben der im Vergleich mit Deutschland völlig andersartigen Diakonielandschaft gehört dazu, dass wir in einem Land leben, das zwar weitgehend säkularisiert und zunehmend religiös pluralistisch ist, aber immer noch stark von einer christlich-volkskirchlichen Tradition geprägt wird. Es mag durchaus sein, dass z. B. vor dem Erfahrungshintergrund osteuropäischer Diakonie, die noch stark unter den Nachwehen eines jahrzehntelangen, militant atheistischen gesellschaftlichen Kontextes steht, ein stärkeres Bedürfnis nach einer sich dezidiert christologisch begründenden und vom nichtchristlichen Kontext abgrenzenden Diakonie besteht. Insofern ist unsere Perspektive zweifellos durch unseren Kontext bestimmt, der nicht für alle anderen repräsentativ und normativ sein kann.

Schliesslich werden die theologisch sensibilisierten Leserinnen und Leser unseres Buches wohl da und dort herausspüren, dass unser kirchlicher |41| Hintergrund reformiert, nicht lutherisch ist.50 Dazu kommt, dass wir uns auf die evangelische Diakonie-Tradition beschränkt haben; wir sind uns bewusst, dass dadurch die Entwicklung der katholischen Caritas-Praxis wie auch das diakonische Wirken anderer Konfessionen nicht gebührend gewürdigt werden können. Auch das wollen wir transparent machen. Denn es ist unseres Erachtens einfacher, ein faires Gespräch mit anderen Positionen zu führen, wenn man von vornherein offenlegt, woher man kommt und was die eigene Perspektive mit bestimmt.

Diakonie - eine Einführung

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