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1.2 Geschichtliche Ausprägungen diakonischen Handelns

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Dass die biblische Botschaft von der Menschenliebe, wörtlich: von der Philanthropie Gottes (Tit 3,4), von ihrem Wesen her bei den Glaubenden in tätiger Liebe Ausdruck finden müsse, also in solidarischem Engagement für andere Menschen, die auf irgendeine Weise der Hilfe bedürfen, das gehört seit jeher zum Kerngehalt christlichen Glaubens. Welche konkrete Gestalten dieser Grundimpuls des Glaubens im Verlauf der Geschichte annahm, hing von verschiedenen Faktoren ab: von der Art der Nöte, die zum Handeln herausforderten; von den gesellschaftlich-politischen, den kirchlich-strukturellen und den ökonomisch-organisatorischen Rahmenbedingungen, die man vorfand; auch von der jeweiligen Theologie und Frömmigkeit, die eine bestimmte Gruppe von Christen prägte. Grundsätzlich aber lassen sich drei Formen mitmenschlicher Hilfe unterscheiden, in denen sich «christliche Liebestätigkeit»5 ausprägte.

1. Die eine ist das spontane, informelle Helfen einzelner Christinnen und Christen nach ihren jeweiligen Möglichkeiten angesichts einer konkret begegnenden Notsituation. Das ist individuelle Praxis konkreter Nächstenliebe oder Mitmenschlichkeit. Hier liegt gleichsam die Urform christlichen Helfens, sei es innerhalb der christlichen Gemeinschaft oder darüber hinaus in der Gesellschaft.

2. Mit der Zeit bildeten sich in der Alten Kirche Formen des Übertragens von grundlegenden Aufgaben an dafür bestimmte Personen heraus. So kam es zur Entwicklung von kirchlichen Ämtern, unter anderem des Diakonats. Ihm oblag die Fürsorge für die Bedürftigen in der Gemeinde. Wenn der altkirchliche Diakonat im Verlauf der Jahrhunderte auch unterschiedliche Formen annahm, zeitweise sogar seinen eigenständigen sozialfürsorgerlichen Charakter verlor und zu einer blossen Vorstufe des Priesteramtes verkam, war damit doch der Dienst sozialen Helfens als ein eigenständiges |22| kirchliches Amt eingeführt. Es markierte neben der Aufgabe der Verkündigung und derjenigen der Leitung eine Grundfunktion des Kircheseins: die Praxis der Nächstenliebe angesichts konkreter Situationen von Not und Leiden.

3. Schliesslich entwickelte sich eine dritte, nachhaltig wirksame Form sozialer Hilfe aus christlicher Nächstenliebe in der Gestalt klösterlicher Diakonie. Hier wurde das herausgebildet, was man später Anstaltsdiakonie6 nannte: Es entstanden Einrichtungen wie z. B. Hospize, in denen Fremde beherbergt, Kranke gepflegt und Sterbende begleitet wurden. Unser Spitalwesen geht auf diese Ursprünge zurück. Später wurden Aufgaben organisierter Diakonie etwa von geistlichen Bruder- oder Schwesternschaften (z. B. den Beginen), von Diakonissen oder von Vereinen der Inneren Mission wahrgenommen. Diese Form institutioneller, von christlichen Gemeinschaften innerhalb oder neben der institutionalisierten Kirche getragenen Hilfe bildet eine bis heute prägende Form christlichen Helfens.7

Alle drei Grundformen – die individuelle Praxis der Nächstenliebe, der Diakonat als kirchliches Amt und die Anstaltsdiakonie – existieren bis heute, z. T. nebeneinander, z. T. miteinander verbunden, und verkörpern das, was man gemeinhin mit dem Begriff Diakonie bezeichnet.

Diakonie - eine Einführung

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