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Kapitel 6

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Schon zeitig am nächsten Morgen brach Manuel Hellberg nach Hamburg auf, um seinen Verleger zu treffen.

Mona kam eine halbe Stunde später hinunter in die Praxis.

„Guten Morgen, Karin", begrüßte sie die Freundin, die hinter der Anmeldungstheke stand. „Womit vertreiben wir uns heute die Zeit?"

„Wie wäre es mit Arbeit?"

„Musst du immer so unverständliche Fremdwörter gebrauchen?"

„Die Übersetzung findest du im Wartezimmer." Verschmitzt blin­zelte Karin der Freundin zu. „Wirf mal einen Blick über deine Schulter, Frau Doktor."

Sogleich kam Mona dieser Aufforderung nach. Ihre Augen weiteten sich er­staunt, als sie sieben Patienten zählte.

„Kneif mich mal", wandte sie sich wieder an die Freundin. „Träume ich, oder hast du das Gerücht verbreitet, dass es bei uns was umsonst gibt?"

„Weder noch. Fünf der ehrwürdigen Petersfeldener haben schon vor der Tür gestanden, als ich vor wenigen Minuten gekommen bin. ­Soll ich sie wieder wegschicken?"

„Untersteh dich! Gib mir zwei Minuten, um mich von dem Schock zu erholen. Dann kann es sofort losgehen."

An diesem Morgen gaben sich die Patienten in der Praxis der neuen Petersfeldener Ärztin buchstäblich die Klinke in die Hand. Gegen Mittag betrat Karin mit einer Tasse Kaffee das Ordinationszimmer und schloss sorgfältig die Tür hinter sich.

„Kurze Pause", kündigte sie an und stellte die Tasse auf dem Schreibtisch ab.

„Danke, den kann ich jetzt gebrauchen." Vorsichtig nippte Mona an dem heißen Getränk. „Mmm, das tut gut."

„Findest du diesen plötzlichen Ansturm nicht auch merkwürdig? Auf einmal scheint halb Petersfelden Beschwerden zu haben."

„Mich wundert heute nichts mehr. – Wie viele sitzen denn noch draußen?“

„Zwei. – Über eine davon wirst du dich doch wundern."

„So!? Über wen?"

Wortlos trat ihre Assistentin an den Computer und rief den zuvor gespeicherten Namen auf.

„Brigitte Gundlach", las Mona erstaunt vom Monitor ab. „Mit ihr hätte ich tatsächlich am allerwenigsten gerechnet." Fragend schaute sie die Freundin an. „Hat sie gesagt, was ihr fehlt?"

„Darüber möchte sie nur mit dir sprechen. Mir ist aber aufgefallen, dass Frau Gundlach hier in der Stadt anscheinend sehr respektiert wird. Einige Patienten wollten sie vorlassen, aber sie hat darauf bestanden zu warten, bis sie an der Reihe ist."

„Ist sie die nächste?"

„Ja."

„Dann bitte sie herein. Ich bin gespannt, weshalb sie ausgerechnet zu mir kommt."

„Das wirst du gleich erfahren."

Wenige Augenblicke später ließ sie die Patien­tin eintreten. Mit ernster Miene erhob sich Mona hinter dem Schreibtisch und blickte ihr abwartend entgegen.

„Guten Tag, Frau Gundlach", sagte sie reserviert. „Was führt Sie zu mir?“

„Ich komme in friedlicher Absicht", erwiderte Brigitte mit schuld­bewusstem Gesichtsausdruck. „Um mich für mein unmögliches Verhalten vor ein paar Tagen zu entschuldigen. Mir ist sehr schnell bewusst geworden, dass ich in meiner Erregung zu weit gegangen bin. Ich hätte mich besser unter Kontrolle haben müssen. Können Sie mir verzeihen?"

„Selbstverständlich", versetzte Mona beeindruckt, da sie das aufrichtige Bedauern spürte. „Ich bin nicht nachtragend." Lächelnd streckte sie ihr die Hand entgegen. „Ver­gessen wir es einfach."

„Danke, Frau Dr. Hellberg." Erleichtert ergriff Brigitte die Rechte der Ärztin. „Jetzt fühle ich mich viel besser."

„Nehmen Sie doch bitte Platz", sagte Mona freund­lich. „Haben Sie sich in den letzten Tagen ein wenig geschont?"

„Inzwischen geht es mir wieder recht gut. Zweimal im Jahr reise ich einige Wochen durch Brasilien. Nach der Rückkehr brauche ich ein paar Tage, um mich auf die hiesigen Verhältnisse umzustellen. Diesmal hat mir der Jetlag mehr als sonst zu schaffen gemacht.“

„Jetzt haben Sie aber keine Beschwerden mehr?"

„Eigentlich nicht, obwohl ..." Vage hob sie die Hände. „Neuerdings verspüre ich eine unerklärliche Unruhe. Deshalb möchte ich Sie bitten, mich gründlich zu untersuchen." Ein entschuldigendes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Falls das heute zu kurz­fristig ist, lasse ich mir von Ihrer Sprechstundenhilfe einen neuen Termin geben."

„Wenn es Ihnen recht ist, können wir den Check-up gleich durchführen", bot Mona ihr an. „Wie ich gehört habe, wartet nur noch ein Patient. Um ihn kümmere ich mich, während meine Assistentin Ihnen zuerst ein EKG schreibt."

Dankbar nahm Brigitte diesen Vorschlag der Ärztin an. Nach den umfangreichen Untersuchungen bat Mona die Patientin noch einmal in ihr Ordinationszimmer, um die Ergebnisse mit ihr zu besprechen.

„Soweit ich das bisher beurteilen kann, sind Sie gesund, Frau Gundlach", begann sie. „Ihr Blutdruck ist allerdings leicht erhöht, was aber noch keinen Anlass zur Besorgnis gibt. Trotzdem sollten wir das im Auge behalten und regelmäßige Kontrollen durchführen." Noch einmal warf sie einen Blick auf das EKG-Papier. „Ihr Herz ist kräftig; das EKG zeigt keine Abweichungen. Auch sonst konnte ich keine organischen Erkrankungen feststellen." Lächelnd schaute sie die Patientin an. „Gemessen an Ihrem Alter sind Sie in einer beneidenswerten körperlichen Verfassung. Treiben Sie Sport!?"

„Ich schwimme beinah täglich", erzählte Brigitte. „Tennis spiele ich auch häufiger. Dazu kamen lange Spaziergänge mit Apollo.“ Unwillkürlich huschte ein Schatten über ihr Gesicht. „Die werde ich künftig wohl allein unternehmen müssen." Unbewusst straffte sie ihre Hal­tung. „Das ist nicht zu ändern."

„Möglicherweise hängt Ihre innere Unruhe mit diesen zahlreichen phy­sischen und psychischen Belastungen der letzten Tage zusammen. Eigentlich möchte ich da noch nicht medikamentös eingreifen. – Oder finden Sie auch nachts keine Ruhe!?"

„Unter Schlafstörungen leide ich, Gott sei Dank, nicht."

„Dann schlage ich vor, wir verzichten zunächst auf Medikamente. Nun fehlt nur noch das Ergebnis der Blutuntersuchung. Die Aus­wertung liegt uns übermorgen vor. Sollte sich etwas Auffälliges ergeben, rufe ich Sie an."

„Gut", sagte Brigitte. „Jetzt kann ich auch meinen Neffen beruhigen, dass ich gesundheitlich voll auf der Höhe bin." Aufmerk­sam schaute sie die Ärztin an. „Ich habe noch etwas auf dem Herzen, Frau Dr. Hellberg: Wenn es Ihre Zeit erlaubt, möchte ich Sie morgen gern zum Abendessen einladen. – Oder haben Sie familiäre Verpflichtungen?"

„Zur Zeit nicht."

„Würden Sie mir dann die Freude machen, mein Gast zu sein? Viel­leicht mögen Sie die chinesische Küche? Wir könnten uns im Mandarin ­Pavillon treffen. Sagen wir um neunzehn Uhr?"

„Ich komme gern", stimmte Mona spontan zu, worauf Brigitte sich zufrieden verabschiedete.

Auch am Nachmittag kamen viele Patienten in die Praxis. Dadurch drängte sich der Ärztin die Frage auf, aus welchem Grund die Petersfeldener Ihre Abneigung gegen sie plötzlich aufgegeben hatten. Erst von einer Patientin, der Frau des Frisörs Bertram, erfuhr sie Näheres darüber.

Die weiße Villa

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