Читать книгу Flucht - Conrad Martell - Страница 10
Langley Donnerstag, 11.09.2025 16:58 Uhr EST
ОглавлениеDas rote Licht blinkte auf dem Telefonapparat von Joe Montrini, Direktor der Central Intelligence Agency. Er schnaubte genervt. Vor gerade mal zehn Minuten hatte er mit großem Widerwillen begonnen, einen Bericht seiner Afrika-Sektion zur militärischen Lage der Sahelzone zu lesen. Joe hatte deren wenig spannende Lektüre die ganze Woche vor sich hin geschoben. Jetzt hatte er sich endlich überwunden und schon wurde er wieder unterbrochen.
Verdammt, dachte er sich, und dann: Na ja, und Gott sei Dank!
„Ja Anne, was gibt’s?“
„Peter O’Neill, vor der China-Sektion steht vor mir und bittet um eine kurze Besprechung.“
„OK, schick ihn rein.“
Pete war ein langgedienter Agent und Asienkenner. Er hatte über zwanzig Jahre im Dienst bei der CIA auf dem Buckel und war mit allen Wassern gewaschen. Seiner unaufdringlichen Art gemäß, hatte er noch nie einen spontanen Termin angefordert. Deswegen musste es, in seinem Fall, etwas Dringendes sein. Er kam zur Tür herein und Joe zeigte auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch.
„Hi Pete, nimm Platz. Was kann ich für dich tun?“
Pete ließ sich in den bequemen Stuhl nieder und sah Joe besorgt an. Er hatte offensichtlich einen harten Tag gehabt, wenn er überhaupt letzte Nacht geschlafen hatte.
„Joe, du erinnerst dich an unseren Situationsbericht letzte Woche, in dem wir auf eine erhöhte Agententätigkeit des Militärischen Geheimdienstes der Volksrepublik China hingewiesen hatten? Und dass sie in den letzten Monaten ein umfangreiches Mobilisierungsprogramm fahren.“
„Ja, sehr gut. Warum?“
„Nun, wir hatten versucht heraus zu finden, was im Busch ist, wollten chinesische Agenten umdrehen und hatten dazu eine Reihe von Zielen identifiziert: Alteingesessene, die immer noch viel Fußarbeit machen müssen und deswegen verbittert sein könnten, Jungagenten und so weiter. Wir wollten einige ansprechen, mal sehen, ob sie die Seite wechseln möchten. Eine chinesische Agentin hatten wir besonders im Visier ... “
Er legte ein Bild von Fan Liling vor Joe auf den Schreibtisch.
„Wow, eine Hübsche“, entfuhr es dem Direktor.
„Yep, und das ist ein unscharfes Foto. In echt ist sie noch viel besser. Ein heißer Feger. Nun gut, sie ist halbe Amerikanerin und wir dachten, wir könnten sie ködern. Wir haben Lucy auf sie angesetzt.“
„Und, was ist draus geworden?“
„Nichts! Diese chinesische Agentin, Fan Liling ist ihr Name, hat unsere Frau auf der Toilette von Pudong International ausgeknipst.“
„Was?“
„Ja, mich hat das auch verwundert. Erstens ist Lucy ein Profi. Sie ist im Nahkampf ausgebildet worden und hat einem Marine, der sie mal begrapscht hatte, den Arm gebrochen. Diese Fan muss sie also ziemlich überrascht haben. Zweitens, man bringt nicht einfach einen gegnerischen Agenten um. Auch die Chinesen nicht. Man versucht zu eruieren, ob der Agent seinerseits nicht umgedreht werden kann. Im Feindesland lag das Risiko ohnehin bei uns. Es gab nicht die geringste Notwendigkeit so aggressiv zu sein. Diese Fan hätte Lucy einfach auffliegen lassen können. Stattdessen bringt sie unsere Agentin um, am Flughafen - dem denkbar haarigsten Schauplatz - und nimmt anschließend den nächsten Flieger nach Hamburg. Ziemlich eiskalt.“
„Warum war Lucy denn alleine?“
„Joe, wie lange bist du schon bei uns? Jeder Agentenrekrut der Welt lernt auf Seite Eins des Handbuches so weit es geht Flughäfen, Bahnhöfe etc. für Kontaktaufnahmen zu vermeiden. Man ist automatisch auf Tape und die KI-basierte Gesichtserkennung wird dich bei der nächsten Identifikation automatisch auf den Index setzen. Wenn wir aus irgendwelchen Gründen gezwungen sind, am Flughafen zu observieren oder gar Kontakt aufzunehmen, dann machen unsere Agenten das als Solo-Nummer.“
„OK, Lucy ist tot. Sehr bedauerlich. Was heißt das für jetzt uns?“
„Das heißt zwei Optionen sind möglich: entweder diese Fan Liling hat das Nervensausen gekriegt und überreagiert, schließlich ist sie neu im Geschäft. Oder, die Situation war für sie so brisant, dass sie nicht das mindeste Risiko eingehen wollte. Das könnte bedeuten, dass eine Aktion ansteht.“
„In Hamburg?“
„Zunächst einmal in Hamburg. Aber, ... wir haben letzte Woche mehrere chinesische Agenten in Richtung Europa verschwinden sehen: Finnland, Griechenland, das Vereinigte Königreich. So weit wie die Maschen unseres Netzes derzeit in China sind, könnte das bedeuten, dass einige Dutzend oder gar einige Hundert sich auf den Weg nach Europa gemacht haben. Vielleicht planen sie etwas Großes.“
„Könnte das mit ihrer Vertriebstour im Nahen Osten zu tun haben?“
„Könnte sein!“
„Und was ist mit diesen hastig zusammengestellten Infanterie-Divisionen? Es müssten doch mittlerweile Millionen von Soldaten sein?“
„Wir haben nicht die geringste Scheiß-Ahnung. Wir vermuten es ist so eine Art Heimwehr, vielleicht eine Sturmabteilung, sollte es zu Aufständen kommen. Bei innenpolitischen Schwierigkeiten braucht jede Diktatur eine Schlägertruppe, im Falle von China sogar eine recht große.“
Joe Montrini grübelte und schaute aus dem Fenster. Soweit es den Präsidenten anbelangte, war Europa abgeschrieben. Aber er war Direktor des CIA. Er konnte und wollte nicht die über Jahre und Jahrzehnte gewachsenen und gehegten Beziehungen zu den dortigen Diensten einfach kappen.
„OK, ich muss damit zum Boss! Er soll entscheiden. Ich werde ihm empfehlen, die Europäer zu warnen. Aber wenn er einen schlechten Tag hat wird wohl nichts draus.“
„Gut Joe, aber ich empfehle dir, nicht zu lange damit zu warten. Was auch immer die Chinesen vorhaben, es könnte schnell gehen.“
Joe lachte. „Ja Pete, das mag vielleicht sein, aber Politik hat ihr eigenes Tempo. Und wenn der Chef übers Wochenende in Kennebunkport ist, um mit Altpräsidenten zu golfen, dann wird noch nicht einmal der Ausbruch eines Weltkrieges ihn davon abhalten. Nächsten Dienstag haben Copeland und ich ein Jour-Fixe beim Präsidenten. Dann bringe ich es vor. Danke für deine Initiative.“
Pete stand auf und verabschiedete sich. Dann verließ er den Raum. Joe setzte sich wieder und schaute auf das Foto von Fan Liling. Eine Hübsche ... Wenn er doch nur wüsste, was die Hübsche dort auf dem Foto vorhatte.