Читать книгу Flucht - Conrad Martell - Страница 11
Zhangjiakou Freitag, 12.09.2025 09:23 Uhr CST
ОглавлениеGeneral Liu Mu und Admiral Leung Panmao standen auf der Tribüne des Hauptquartiers und schauten durch ihre Ferngläser. Seit ihrem gemeinsamen Waffengang vor Taiwan waren Liu und Leung enge Verbündete. Sie waren von General Yao Guang, dem ranghöchsten Offizier der Volksbefreiungsarmee, zu einer Besprechung im Vorfeld der kommenden Sitzung der Zentralen Militärkommission eingeladen worden; nur der General war nicht da. Sein Adjutant wies darauf hin, dass er in den kommenden Minuten eintreffen werde. Er habe nur mal eine ‚Spritztour’ unternommen.
„Haben sie ihn schon gesehen, Genosse?“ fragte Liu. Leung schüttelte den Kopf. Sie schauten hinaus auf das weite Feld, das sich vor ihnen erstreckte. Wie sollten sie ihn auch erkennen. Es waren so viele Truppen, die vor ihnen ein Routinemanöver abhielten.
General Liu ließ sein Fernglas sinken und zündete sich eine Zigarette an. Sein Blick schweifte rüber zu den Werkstätten, wo die Servicemannschaften emsig schraubten, schweißten, austauschten und betankten. Und die Fahrzeuge in ihrer Obhut gehörten zu den teuersten, schwersten und gefährlichsten landbasierten Waffen, die ein Mensch steuern konnte: Panzer.
Sie waren am nationalen Panzertrainingszentrum der Volksbefreiungsarmee (VBA) auf dem Truppenübungsplatz der 65. Defensiven Armeegruppe in Zhangjiakou, etwa 120 Kilometer nordöstlich von Beijing. Überall standen und fuhren Panzer. Geschossen wurde hier allerdings nicht. Nachdem ein orientierungsloser Panzergrenadier vor einigen Jahren irrtümlich die Tribüne beschossen hatte, war das Gelände für das Übungsschießen mit scharfer Munition weiter nach Norden verlegt worden. Schade eigentlich, dachte General Liu. Journalisten und Politiker waren immer mächtig beeindruckt von der Lautstärke und der Wucht einer Detonationswelle, wenn ein 125 mm Projektil in sein Ziel einschlug.
Liu Mu war General der Armee und kannte die Panzer. Drüben vor der Werkstatt standen einige Varianten neueren Typs, meist 88A oder 96. Auf einem Podest vor den Werkstätten hatten sie auch das alte Schlachtross des ehemals kommunistischen Blocks, den T-34, aufgestellt.
Leung hingegen, der Admiral war, sagten die Panzer nichts. Er zuckte nur mit den Achseln und schaute wieder durch sein Fernglas. Eine geschlossene Panzerformation bewegte sich vor ihnen, etwa 600 Meter von der Tribüne entfernt, in taktischer Formation von Ost nach West. In der rückwärtigen Flanke der Formation fuhr ein einzelner Panzer schnurgerade auf die Tribüne zu. Je näher er kam, desto klarer wurde, dass der Panzer mit vollem Karacho auf die Zuschauertribüne zugestürmt kam.
Leung nahm das Glas herunter und sagte zu Liu: „Da ist er! Er zieht gerade einen Stunt ab. Ich hätte ihm solche Kindereien in seinem Alter gar nicht zugetraut.“
Liu schaute durchs Glas und in seinem Gesicht machte sich ein belustigtes Grinsen breit. „Ja, ... das sieht ihm ähnlich!“
Der Panzer war bis auf 100 Meter herangefahren und machte einen Schwenk nach links. Die rechte Luke ging auf und heraus kam der Kopf des Generals. Er hatte eine Panzerfahrermütze auf, die wie eine Fliegermütze aussah, nur dass sie deutlich mehr wattiert war, damit man sich bei schneller Fahrt im unebenen Gelände im Panzerinnern nicht den Kopf an der niedrigen Decke verletzte. General Yao hatte ein seliges Lächeln auf den Lippen. Soldat sein, konnte so schön sein. Admiral Leung schaute General Liu an und zog die Augenbraue missbilligend hoch. Der Panzer machte nun eine Linkskurve und kam vor der Tribüne zum Stehen. Yao rief seinen Kollegen zu:
„Na, wie gefällt ihnen mein Panzer? 99-A2, das neueste Modell, 1.500 PS und 60 km/h! Im Gelände wohlgemerkt. Auf der Straße schafft er achtzig.“
General Yao kletterte aus der Luke heraus, sprang vom Turm und stieg erstaunlich agil vom Panzer herunter. Man hätte einem Achtzigjährigen eine solche Behändigkeit nicht zugetraut. Der General verschwand, in seinem Overall gekleidet, in den Bereich der Materialbarracken und Umkleideräume, der sich direkt unter der Tribüne befand.
Liu und Leung gingen von der Tribüne zurück in die geschlossenen Räumlichkeiten, die an öffentlichen Manövertagen der Presse und der Politikprominenz vorbehalten waren. Sie ließen sich in einer bequemen Couchlandschaft nieder und bestellten Tee. Einige Minuten später stieß Yao zu ihnen, nun in formaler Uniform. Er orderte einen Scotch und schwenkte genüsslich den Whiskey.
Admiral Leung fühlte sich hier draußen auf der Armeebasis nicht in seinem Element. Seine Welt waren U-Boote, Korvetten und Fregatten. Leung wollte nur so lange bleiben wie nötig und beschloss das Heft in die Hand zu nehmen. Er eröffnete die informelle Besprechung: „Nun mein lieber General. Sie haben uns hierher bestellt. Was brennt ihnen denn auf der Seele.“
Die Miene des Generals, die eben noch fast jugendlich fröhlich und sorglos erschien, verfinsterte sich. Er schnupperte das Bouquet des Whiskeys und nahm einen Schluck. Dann stellte er das Glas auf den tiefen Tisch zwischen ihnen.
„Meine Herren, sie können sich denken, warum ich sie hierher bestellt habe. Auf der kommenden Sitzung der Zentralen Militärkommission nächsten Montag wird entschieden, ob es mit diesem Wahnsinnsplan in die Realisierung geht oder nicht. Der Verteidigungsminister und sein Schoßhund Shi wollen diesen Krieg heiß und innig. Der Staatspräsident will ihn auch, glaube ich. Ich möchte wissen, wo wir in der Sachen stehen?“
Der Augen von Liu und Leung trafen sich. Sie wussten wo Yao stand. Das hatte er viele Male zuvor bereits kundgetan. Beiden war klar, dass der General skeptisch zu dem Plan stand. Nur, mit seiner Ablehnung stand er alleine dar.
Yao gehörte zu der alten Garde von VBA-Offizieren. Eigentlich hätte er vor zehn Jahren in Rente gehen sollen. Mit siebzig ist als Offizier in China Schluss. Doch es hatte sich beim letzten Generationswechsel, damals unter Xi Jinping, keine Mehrheit für einen Kandidaten finden lassen. Also hatte man Yao, der sich bester Gesundheit erfreute, im Amt belassen. Vor zehn Jahren befand sich Yao im Mainstream. Es war die Zeit der großen Modernisierung der chinesischen Streitkräfte, der Vorbereitung auf den Konflikt innerhalb der ersten Inselkette, dem Konflikt um Taiwan.
Man hatte damals erwartet, die Eroberung Taiwans würde einen lokalen Krieg mit der US Navy nach sich ziehen. Für einen solchen begrenzten lokalen Krieg - das Ausschalten der wichtigen Kommandostrukturen in Taiwan mit Marschflugkörper und luftbasierten Raketen, sowie der anschließenden amphibischen Invasion - hatte man sich gerüstet.
Und Yao war der Motor der Modernisierung gewesen. Er hatte den Fokus auf die Verschlankung der Streitkräfte gelegt und gleichzeitig auf die Integration von modernen Waffensystemen mit Kommunikationstechnologien, Nachrichtendiensten, Überwachung und Erkundungssystemen gedrängt. Alle Formen der zeitgemäßen Kriegsführung sollten zur Perfektion beherrscht werden. Im Mittelpunkt standen hierbei echtzeit-informationsbasierte Befehls- und Kontrollsysteme, die sich einer breiten Palette von konventionellen Waffentechnologien bedienen konnten: von konventionellen Land-, Luft- und Marinestreit-kräften, amphibischen Einheiten, Fallschirmjägereinheiten über ballistische Raketen und Marschflugkörper, Drohnen und Interkontinentalraketen bis hin zu Cybertechnologien und Antisatelliten-Systeme.
2020 war man soweit. Die Eskalation mit Taiwan wurde politisch eingeleitet. Als ihnen ein Jahr später Taiwan in den Schoß fiel, weil die USA sich aus dem Konflikt heraus gehalten hatte, war man fast enttäuscht gewesen. Zwar hatten die Taiwanesen in großem Umfang amerikanische Waffen eingesetzt und effektive Gegenwehr geleistet, doch die VBA konnte den Wiederstand schnell und mit erträglichen Verlusten überwinden und Taiwan erobern. Eine Konfrontation mit der immer noch mächtigen US-Militärmaschinerie war ausgeblieben. Die harte Prüfung der VBA an einem gleichwertigen Gegner musste vertagt werden.
Das war der Grund, warum quasi die gesamte Führungsschicht des Militärs heiß war auf einen zweiten Krieg: um ihre ganzen Spielzeuge im Einsatz zu sehen. Sie wollten erproben, wie gut ihre Integration gelungen war. Nur Yao alleine hielt das für eine schlechte Idee. So verlor der General zunehmend den Rückhalt bei den Truppen und der Führung. Und nun fragte Yao, wie Liu und Leung zu dem Krieg standen. Was sollten sie tun? Liu und Leung hatten beide noch mindestens zehn Jahre Dienst vor sich. Wie für jeden Offizier stellte die Aussicht auf einen Krieg eine Karrierechance dar. Wenn sie sich mit Yao verbünden würden, konnte das dazu führen, dass sie die nächsten zehn Jahre in Hausarrest verbrachten.
Liu begann: „Ich sehe wie sie, mein lieber General, die Risiken ... aber auch die Chancen. Die Gelegenheit ist einmalig. Dieses Opportunitätsfenster kommt nie wieder. Es ist gelungen, die Amerikaner und die Europäer zu spalten. Die NATO ist tot. Und die europäischen Staaten haben nicht realisiert, wie weit sie ins Hintertreffen geraten sind. Eigentlich könnten die Russen den Job alleine erledigen, wenn sie nicht solche Hasenfüße wären. Verteidigungsminister Wong hat sie zu einem Deal überredet, hat eine neue Variante des Molotow-Ribbentrop-Paktes geschmiedet. Und so wie sich Russland und Deutschland damals Polen geteilt hatten, so teilen wir uns heute mit den Russen Europa.“
Leung unterstützte die Position von Liu:
„Schauen sie, Yao. Unsere Militärdoktrin bleibt doch bestehen: oberste Priorität hat die Verteidigung der Heimat innerhalb der ersten Inselkette und Ausübung eines dominanten Einflusses innerhalb der zweiten Inselkette. Gut, die Amerikaner haben uns ganz schön eingekreist. Taiwan hat ihnen jedoch gezeigt, dass sie mit uns einen ernst zu nehmenden Gegner haben. Sie wollen zwar das Geld der Japaner, der Süd-Koreaner und der anderen Staaten, aber sie wollen nicht dafür sterben. In Asien haben wir eine Patt-Situation zwischen den USA und uns. Das elegante an Wongs Plan ist, dass wir nicht unsere regulären Truppen und unsere hochwertigen Systeme für den Feldzug gegen die Europäer einsetzen, sondern unseren Gegner quasi mit Bordmitteln niederringen werden. Wong hat hierfür eine innovative, unkonventionelle und perfekt auf den Feind eingestellte Strategie entworfen. Es kommen kaum reguläre Truppen der Armee zum Einsatz. Die Spezialeinheiten schon, sie werden zur Einnahme der Hafenanlagen und der Flughäfen gebraucht. Aber die Hauptarbeit machen die Roboter und den Rest erledigen die Expeditionstruppen. Eine geniale Idee übrigens, diese Expeditionstruppen. Sie werden aus den unproduktiven Bestandteilen des chinesischen Männerüberschusses rekrutiert. Das Ausbildungsprogramm wurde im letzten Jahr von der Armee entwickelt. Es ist kurz - vier Wochen - und auf das absolut Wichtigste beschränkt: Einweisung in Kleinwaffen und Basis-Infanteriewissen, grundlegende Kampftaktik mit dem Schwerpunkt auf Häuserkampf, etwas Organisatorisches und rudimentäre Logistik. Mehr brauchen sie nicht. Zugegeben, für symmetrische konventionelle Kriegsführung sind sie nicht zu gebrauchen. Ihr Haupteinsatzzweck ist der Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung; was die Roboter halt so übrig lassen. In vierzig VBA-Kasernen läuft das Ausbildungsprogramm. 600.000 Mann alle vier Wochen. Derzeit haben wir vier Millionen ausgebildet, die nur auf ihren Einsatz warten. Selbst wenn die Europäer eine Art Résistance auf die Beine stellen. Die schiere Masse an Kandidaten ist so groß, dass wir 20 Millionen dieser Expeditionstruppen in weniger als drei Jahren ausbilden und entsenden können. Das ist unser strategischer Vorteil, die Übermacht an Menschen und Material. Wir werden sie überfluten. Die Europäer haben keine Chance. Das einzige Problem sind die Unteroffiziere. Sie müssen aus der regulären Armee bezogen werden. Auch hier ist ein Programm entwickelt worden mit einem potenziellen Output von 15.000 Unteroffizieren im Jahr. Die Beiträge der Marine dienen hauptsächlich der Vernichtung der europäischen Seestreitkräfte, vor allem der Flugzeugträger. Sie erfolgt ausschließlich mit U-Booten. Fregatten und Zerstörer werden lediglich den Begleitschutz für die zweite Welle von Containerschiffen mit den Expeditionstruppen und den Robotern leisten; die erste Welle geht inkognito durch. Und unsere Luftwaffe hat endlich eine Gelegenheit ihre Überlegenheit zu beweisen. Die Europäer haben kaum 5. Generation Jagdstaffeln die unserer J-31 das Wasser reichen können ...“
„Außer die Briten, die Niederländer, die Norweger...“, warf Yao ein.
„Ja, ... gut ... ein paar F-35 haben sie schon, dann werden wir über England ein paar Flugzeuge verlieren. Wenn Wongs Plan aufgeht, werden es die Europäer gar nicht schaffen abzuheben. So oder so, am Ende siegen wir. Wongs Plan sieht vor ...“
„Und was wenn nicht“, unterbrach ihn Yao.
„Was meinen sie?“
„Was wenn Wongs Plan nicht aufgeht? Was wenn ihm etwas dazwischen kommt? Seine Strategie ist ein mehrstufiger Plan, wobei jede Stufe auf den Erfolg der vorherigen Stufe aufbaut. Wenn eine seiner Missionen fehlschlägt, dann können wir alle folgenden Stufen vergessen. Und, bei aller seiner Genialität ist der Plan nicht robust. Ein robuster Invasionsplan sieht eine Überlegenheit in nahezu allen Aspekten und Waffengattungen vor, DAMIT etwas schiefgehen kann und man trotzdem siegen wird. In Taiwan waren sie doch beteiligt, Leung. Wie viele U-Boote hatten wir zwei bis drei Wochen vorher in Lauerstellung auf Grund gelegt? Acht, zehn oder noch mehr? Wenn die Amerikaner mit ihrer 7. Flotte aus Yokosuka herangedampft wären, hätten wir sie mit hunderten Anti-Schiffs-Raketen von Land und von der See aus befeuert und sie in der Straße von Taiwan versenkt. Mussten wir zwar nicht, denn die Amerikaner sind nicht aufgetaucht. Aber wir waren darauf vorbereitet; unser Plan war robust. Bei Wongs Operation darf nichts schief gehen, sonst sind wir militärisch und vor allem politisch in einer Situation, aus der wir uns niemals werden herauswinden können. Und wenn wir dann konventionell nachlegen und eine amphibische Landung vornehmen müssen, um die Sache zu bereinigen, wird das den Großteil unserer Streitkräfte erfordern und unsere Flanke in Asien schwächen. Und das kann alles nur gelingen, wenn die Amerikaner draußen bleiben. Was, wenn sie das nicht tun? Und ob die Russen zu ihrem Wort stehen, wenn Europa vor ihnen auf dem Präsentierteller liegt und wir Chinesen uns aus der Ferne den Kontinent mit nichts als einer Heerschar Taugenichtse einverleiben wollen, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Molotow-Ribbentrop ist ein gutes Stichwort. Am Ende hatten die Nazis die Russen an der Gurgel. Stellen sie sich vor, es gelingt uns Europa zu erobern. Die Russen entscheiden sich, den ganzen Kuchen zu nehmen. Unsere sogenannten ‚Expeditionstruppen’ werden sie nicht aufhalten, wie sie selber zugeben. Für mich sind das überhaupt keine Truppen, sondern Kleinkriminelle in Uniform mit leichter Bewaffnung. Die können noch nicht einmal Artillerie bedienen. Wie auch, mit ihrer vier-wöchigen-Ausbildung. Liu, erklären sie mir mal, wie sie die Franzosen und die Briten daran hindern wollen, uns nuklear anzugreifen, wenn sie erst einmal herausgefunden haben, dass wir hinter der ganzen Sachen stecken?“
„Stufe 1. Die erste Mission“, sagte Liu unumwunden.
„Die biologische Waffe?“, fragte Yao nach.
„Ja, wir schalten ihre Befehlskette aus, bevor sie wissen, dass wir involviert sind. Selbst wenn danach noch Soldaten auf den Beinen sind, werden sie mit Stufe 2 genug am Hals haben. Bevor unsere ersten Truppen landen haben weder die Franzosen, noch die Briten, noch irgendein anderes Land die Fähigkeiten zur geordneten Gegenwehr.“
„Und wenn, durch ein mysteriöses Ereignis, die Franzosen dennoch imstande wären sich zu verteidigen?“
„Eliminieren wir ihren Flugzeugträger und erlangen die Lufthoheit über Europa. Das ist sowieso der Plan.“
„Und wenn sie sich entschließen, uns mit nuklearbestückten Interkontinentalraketen zu beschießen?“
„Schießen wir ihre Satelliten aus dem Himmel und die Raketen stürzen wahrscheinlich in den Indischen Ozean oder landen auf dem Nordpol.“
„Das geht aber nur, wenn wir noch unsere Anti-Satelliten-Systeme haben.“
„Nur die Amerikaner können uns mit ihren ASAT-Systemen gefährlich werden. Sonst hat niemand die Technologie.“
„Und warum sollten die Amerikaner zulassen, dass wir uns Europa so mir-nichts-dir-nichts einvernehmen?“, ließ Yao nicht ab.
Leung intervenierte: „Sie müssen die Frage anders stellen, lieber Yao. Warum sollten sie den Europäern helfen? Seit Jahren haben die Amerikaner den Europäern gesagt, sie müssen mehr für ihre Sicherheit tun und ihre Streitkräfte modernisieren. Sie wurden von den Europäern verlacht und ignoriert. Jetzt bezahlen sie die Zeche. Es gibt wahrscheinlich nicht einen einzigen Amerikaner, vor allem nicht im Weißen Haus oder im Pentagon, der nicht ein Gefühl der Genugtuung haben wird. Hinzu kommt, dass wir sie erpressen werden. Sollten sie sich einmischen, werden wir die Biowaffe gegen sie einsetzen. Das würde vielen Millionen Bürgern der USA das Leben kosten. Kein Präsident überlebt politisch ein solches Fiasko; das weiß Ace auch. Also wird er gute Miene zum bösen Spiel machen, wie das bei Taiwan auch der Fall war. Er hat keine Wahl.“
Nun war Yao still. Er hatte sich in Liu und Leung getäuscht. Offenbar wollten auch sie diesen Krieg, wolten die Karrierechance nutzen, die er bot. Yao stand auf einsamen Posten. Es begann ihm zu dämmern, dass Wong, Shi und Zhou die Mehrheit hinter sich hatten. Die Politiker hatten nun das sagen. Und sie hatten die Militärs mit ihren überdrehten Ambitionen angesteckt. Wer viel wagt, der viel gewinnt. Der leichte Erfolg von Taiwan hatte alle unvorsichtig werden lassen. Niemand spielte die unangenehmen Szenarien durch, alle sahen nur den möglichen Erfolg, nicht auch das mögliche Fiasko. Erfolg, heißt es, hat viele Väter. Alle wollten Vater dieses Erfolges sein. Niemand würde die Verantwortung übernehmen für das grenzenlose Scheitern dieses gigantischen Fehlschlags. Niemand würde sich ihm in den Weg stellen, außer Yao. Er war vielleicht alt, aber es steckte noch etwas Kampfgeist in ihm. Er würde sein Gewicht bei der Sitzung der Zentralen Militärkommission in die Waagschale werfen. Noch war hatten die Berserker nicht gewonnen. Liu sagte versöhnlich: „Trinken sie ihren Scotch, General und dann lassen sie uns etwas tun, von dem die Welt noch sprechen möge!“
Admiral Collingwood dachte Yao, während er an seinem Glas nippte. Der General kannte, wie alle Militärs, den Ausspruch des englischen Offiziers am Abend vor der Schlacht von Trafalgar. Yao wunderte sich nur, während er sein Glas leerte, ob sich irgendwer an Collingwoods jovialen Trinkspruch erinnern würde, wenn die Marine Napoleons gewonnen hätte.