Читать книгу Gestrandet in der Unendlichkeit: Paket 15 Science Fiction Abenteuer - Conrad Shepherd - Страница 48
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ОглавлениеDaxas meldete, dass seine Männer die neuen Stellungen bezogen hätten.
Danach trat wieder Schweigen in der Kommandozentrale ein. Es war so still, dass man den hastig pulsierenden Atem der beiden Prokas hörte. Iks-Wol-Esak spürte nichts mehr von den vertrauten Gedanken der Menschen. Er und sein Freund fühlten sich besonders isoliert. Trotzdem ahnten sie, was in den Köpfen der Männer neben ihnen vorging. Sie kannten die Menschen inzwischen so gut wie sich selbst.
James Lisman, der Erste Offizier, der immer nur für klare Sachen war. Sei es unter Männern oder bei geistigen Getränken.
Praxlomza, den Barnett als Schiffsjunge von Tremik Town 17 mitgenommen hatte, als noch niemand an ein glückliches Ende des Galaktischen Krieges dachte. Wenn es einen Mann auf der TRILANI gab, der seine Hand für den Captain opfern würde, so war es Praxlomza. Seine Hand und noch mehr.
„Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten“, brach Iks-Wol-Esak das bedrückende Schweigen. „Erstens, die Gedankenabschirmung schützt uns gegen den hypnotischen Einfluss. Zweitens, sie verhindert sogar, dass das grüne Gehirn unseren Willen länger kontrolliert. Drittens, unsere Gehirnströme sind zu schwach, um uns gegen den geistigen Angriff zu schützen.“
„Zwischen Hoffnung und Resignation ist also alles möglich. Da ich aber als Stratege noch immer nicht weiß, wie ich mich bei einem neuen Angriff zu verhalten habe, sollte die Wissenschaft versuchen, eine Klärung zu bringen.“
„Du hast kürzlich die Vermutung ausgesprochen, Iks“, meldete sich Bannister, „dass die hochentwickelte Technik im Krater des Berges in der Vergangenheit eine Verbindung mit den Vorfahren der Tropas haben könnte.“
„Es ist eine reine Vermutung, die auf keiner anderen Beobachtung beruht, als dass wir eben die Tropas und die Technik auf ein und demselben Planeten angetroffen haben. Wir brauchen nur die Raumfahrt aus dieser Entwicklung wegzudenken, und wir haben den Beweis für historische Zusammenhänge. Das hieße, die Tropas waren einmal eine hochentwickelte Rasse, sie haben mit nuklearen Elementen experimentiert und sich selbst zu Grunde gerichtet. Sie mussten biologisch und kulturell wieder von vorn anfangen. Vorausgesetzt, diese mutwilligen Hypothesen stimmen, und es stimmt ferner, dass nicht etwa eine andere hier beheimatete Rasse im Spiel war, von der inzwischen gar nichts mehr übrigblieb, können wir Beziehungen zwischen dem natürlichen Gehirn der Tropas und dem Gehirn in der grünen Kugel suchen.“
„Jetzt wird es mir tatsächlich zu wissenschaftlich“, beschwerte sich James Lisman. „Daxas kann jeden Augenblick gezwungen sein, auf unsere eigenen Leute zu schießen. Entweder helfen wir ihm direkt, oder ihr habt tatsächlich eine gescheite Idee, die sich kurz und bündig ausdrücken lässt.“
„Ich werde sofort ins Revier fahren“, sagte Bannister, „und mir Krut vornehmen. Ich werde seine Gehirnintensität messen. Vielleicht haben wir dann Vergleichsmöglichkeiten.“
„Das ist eine gute Idee“, sagte Iks-Wol-Esak. „Mit Wahrscheinlichkeitswerten lässt sich dann immerhin eine bessere Konzeption für unser weiteres Verhalten ausarbeiten. Beeil dich, Forry!“
Der Arzt winkte Nam-Legak, der ihm helfen sollte. Sie verließen zusammen die Kommandozentrale und fuhren ins Krankenrevier, wo auch die großen medizinischen und biologischen Labors lagen.
Wenn sich in der absoluten Ratlosigkeit auch nur eine kleine logische Idee anbietet, so greift man danach wie nach einem Strohhalm. Lisman und Praxlomza erging es nicht anders. Sie nahmen den Hoffnungsschimmer gern hin, stellten aber im Übrigen fest, dass sich an ihrer Gefahr nichts geändert hatte. Für sie zählten die Tatsachen. Und die sah man nur allzu deutlich auf den Bildschirmen.
Frigos Leute hatten es endgültig aufgegeben, den Lift in ihrem Deck zum Halten zu bringen. Sie wandten sich den Nottreppen zu.
Über und unter ihnen warteten die loyalen Männer Perry Barnetts. Mit schussbereiten Waffen standen sie in den Gängen. Fast ohne Deckung, aber in guter Position. Kein Hindernis war zwischen den Rebellen und ihnen. Keine verschlossenen Schotten, keine Energieschirme. Kein Hindernis – bis auf die Angst. Und selbst die Angst war fraglich bei Männern, die sich bedenkenlos einem fremden Willen unterworfen hatten.
„Sie kommen“, stöhnte Lisman. „Willst du sie abknallen lassen wie Tiere, Perry? Verräter sind sie nicht. Das weißt du genau.“
„Aber sie sind eine Gefahr. Nur das zählt.“
Barnett sagte es mehr zu sich selbst und wie zu seiner Rechtfertigung. Jeder wusste, wie ihm in diesem Augenblick zumute war. Sekundenlang blickte er starr auf die Bilder, die die Situation in den Decks 2 bis 4 wiedergaben. Frigo war nicht mehr so steif wie am Anfang. Er schlich fast wie eine Katze, drückte sich an die Wand und nahm die ersten Stufen. Auf der anderen Seite folgte ihm ein Unteroffizier. Zwei Roboter gingen in der Mitte. Auf Deckung schienen sie keinen Wert zu legen.
So kam es, dass auch ein Roboter als erster daran glauben musste. Als sein Kopf sich aus dem Schacht ins zweite Deck schob, fraßen ihn die Gammastrahlen aus Daxas’ Waffe. Deformiert sank er zurück. Der Lautsprecher übertrug den plötzlichen Lärm. Mehrere Männer aus Frigos Truppe mussten zur Seite springen, um von dem zertrümmerten Metallklumpen nicht getroffen zu werden. Leutnant Frigo und der Unteroffizier stoppten ihren Vormarsch.
„Sie haben doch noch so etwas wie einen Selbsterhaltungstrieb“, stellte Barnett fest. „Beim Weltall! Wenn man nur wüsste, ob das grüne Gehirn uns jetzt belauschen kann!“
„Sie kommen wieder“, presste Praxlomza durch fast geschlossene Lippen.
„Angriff auf Deck zwei!“, rief Barnett ins Interkom. „Aufpassen, Daxas! Lass jeden zweiten Mann mit Lähmstrahler schießen. Auf Menschen nur Starrkrampf-Feuer. Roboter können sofort vernichtet werden.“
„Okay, Captain“, versicherte der Mistralese. „Das ist ein guter Befehl. Wir werden die Stellung halten.“
Im Nu war die Hölle los.
Frigo musste einen Befehl gegeben haben. Sechs Männer sprangen auf und nahmen die zwölf Stufen zum oberen Deck im Sturmangriff. Sie quollen fast gleichzeitig aus dem Schacht. Machten noch einen Satz nach vorn und zur Seite und warfen sich flach zu Boden. Noch bevor sie dort in Stellung gingen, feuerten sie unkontrolliert um sich, so dass Daxas’ Leute sich nach einem ersten Abwehrfeuer zurückziehen mussten. Doch dieser Rückzug war vorbereitet. Sie brauchten nicht so weit zu springen, bis ihnen die Wölbung des Runddecks Sichtschutz gab. Kurz hinter ihnen öffneten sich die Türen mehrerer Kabinen. Jede schluckte einen Mann. Bis auf einen, der reglos auf dem Flur lag.
„Prentiss ist tot“, stellte Lisman fest. „Ihr seht, Frigo ist nicht so zimperlich, mit Lähmstrahlern zu schießen.“
Die Angreifer wurden leichtsinniger, als sie keinen Gegner mehr sahen. Frigo sprang auf und feuerte seine Männer an. Er kam kaum zehn Meter weit. Die Spitze brach unter massiertem Lähmfeuer zusammen. Arme griffen aus dem Schacht und versuchten die Füße der Männer zu erreichen, die noch nicht so weit entfernt waren. Zwei Rebellen konnten auf diese Weise in den Schutz der Nottreppe zurückgezogen werden.
„Warum setzen sie keine Roboter mehr ein?“, fragte sich Barnett. „Es hätte einen Sinn, wenn das grüne Gehirn über meinen letzten Befehl orientiert wäre.“
„Damit hast du den Beweis, dass die Gedankenschirme uns nicht genügend schützen“, sagte Iks-Wol-Esak.
„Okay! Wenn das stimmt, gibt es nur eins. Der Gegner soll wissen, dass wir zum Äußersten bereit sind. Bevor wir seine Marionetten werden, setzen wir die Energie der TRILANI gegen die seine. Es hat Tote gegeben. Das ist für uns der Beweis, dass die Kugel kompromisslos gegen uns vorzugehen gedenkt.“
Frigo und zwei seiner Männer lagen betäubt in Deck 2.
„Daxas, lasst die drei abholen und auf die Brücke bringen. Aber sorgt für ausreichenden Feuerschutz von der anderen Seite!“
Das war ein heikler Befehl. Denn wenn jetzt ein erneuter Angriff aus dem Schacht erfolgte, standen sich Daxas’ Leute genau gegenüber. Wenn sie den Gegner verfehlten, konnten sie leicht ihre eigenen Männer treffen. Barnett sah es und teilte Daxas mit, noch einen Augenblick zu warten. Zu den Männern auf der Brücke gewandt, fuhr er fort: „Beim nächsten Feuerwechsel kann es Tote geben. Wir müssen uns entscheiden, ob bei uns oder bei den Rebellen. Ich brauche noch eine Teleporterweste.“
„Du hast sie an“, sagte Lisman.
„Für dich, James.“
„Okay! Das lässt sich hören.“
Der Erste Offizier fragte gar nicht erst, worum es ging. Ihm genügte, dass Barnett einen Plan hatte. In der jetzigen Verfassung machte er alles mit, was verlangt wurde. Er wollte nur nicht hier auf der Brücke hocken und zusehen, wie die Besatzung der TRILANI nach und nach dezimiert wurde, ohne dass er einen Finger krümmte und etwas dagegen unternahm.
„Ich bin fertig, Perry.“
„Well, wir springen genau zwischen Frigos Leute, praktisch in ihr Hauptquartier.“
Barnett zeigte auf den Nebenbildschirm, auf dem die Liftstation der Hauptachse in Deck 3 zu sehen war.
„Von hier aus richtet sich Frigos Bereitstellung nach oben und unten. Hier die sichernden Roboter. Hier der abwartende Trupp, der für Deck vier vorgesehen ist. Was auf der Treppe nach oben geschehen wird, weiß man nicht genau. Aber wir dürfen damit rechnen, dass die Mehrzahl der Gegner uns den Rücken zukehren wird.“
Lisman ließ plötzlich durchblicken, dass ihm doch nicht ganz wohl bei der Sache sei.
„Ein guter Kriegsplan. Aber was, wenn die grüne Kugel ihn bereits kennt?“
„Das ist unser Risiko. Wir müssen es wagen. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.“
Barnett redete noch eine Weile weiter, in der Sprache eines Taubstummen. Er winkte ihm, die Teleporterweste abzustreifen und sie dem toten Psröi anzulegen. Der Anzug des Proka musste auch dem Wurstwesen einigermaßen passen. Barnett legte noch einmal den Finger an den Mund und machte ungeduldige Zeichen, dass man ihm schnell helfen solle. Währenddessen sprach er laut zu Lisman.
„Sprich mit Daxas, James! Sage ihm, was wir vorhaben, und dass er noch etwas warten soll. Ich gebe rechtzeitig das Kommando.“
„Okay, Perry!“
Lisman zwinkerte mit den Augen, und Barnett wusste, dass er ihn verstanden hatte.
Psröis Leichnam war inzwischen verpackt. Da ein Toter sich nicht allein in einer Teleporterweste bewegen kann, übernahm Barnett die Programmierung. Er stellte sie auf automatischen Rücksprung auf fünf Sekunden Laufzeit.
Während Lisman noch mit Daxas über Interkom sprach, schickte man Psröi als Versuchsballon auf die Reise. Er verschwand aus der Kommandozentrale und materialisierte kurz darauf im Hauptliftsektor des dritten Decks. Dort lag er wie ein Stein in der Wüste. Niemand beachtete ihn.
„… vier und fünf und sechs“, zählte Praxlomza.
Dann verblasste die Erscheinung, und Psröis Körper tauchte im nächsten Moment wieder auf der Brücke auf.
„Well“, nickte Barnett, und ins Mikrofon: „Hallo, Daxas! Uhrenvergleich! Stimmt! In fünfundsechzig Sekunden schlagen wir gemeinsam los. Frigos Leute warten im Augenblick ab. Verständige dich mit deinen Männern.“
Barnett hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als er Lisman bereits einen Wink gab. Dabei hob er die rechte Hand und krümmte im Sekundenrhythmus nacheinander die Finger. Erst den kleinen, dann den Ringfinger, dann den MIttelfinger. Es war ein altes, gewohntes Zeichen unter den Männern der TRILANI, das sie immer dann angewendet hatten, wenn sie nicht sprechen konnten.
Lisman nickte ihm grinsend zu zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Barnett wollte also keineswegs die 65 Sekunden abwarten, sondern etwa eine Dreiviertelminute eher losschlagen. Natürlich wusste auch Daxas nichts von diesem Plan. Aber man musste in Kauf nehmen, dass er sich überraschend einer neuen Situation gegenübersah. In erster Linie kam es darauf an, das grüne Gehirn irrezuführen. Und wenn das gelang, war man sicher, dass es verwundbar war.
Barnetts Hand war im Laufe von vier Sekunden zur Faust geworden. Sein Daumen zeigte die „5“ an. Er und Lisman sprangen gleichzeitig.
Noch einmal fünf Sekunden. Dann tauchten sie genau unter den behexten Rebellen auf. Sie hatten nur scharfe Waffen mitgenommen. Gammastrahler, mit denen es keine Kompromisse gab. Als sie unbemerkt im Rücken des Gegners auftauchten, zögerten ihre Nerven einen Moment.
Eine Teleportation ist mit keinerlei Geräusch verbunden. Sie ist ein geisterhafter Vorgang, soweit es die optische Wirkung betrifft. Und jeden Soldaten, jeden einfachen Mann, der sich Zeit seines Lebens keinerlei Gedanken um die naturwissenschaftlichen Hintergründe machte, den mutete es gespenstisch an.
Barnett starrte auf die Rücken seiner Männer. Jawohl, es waren immer noch seine Männer. Er kannte ihre Namen. Sie trugen seine Uniformen.
Lisman zögerte ebenfalls. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er zu seinem Captain hinüber, um dort ein Beispiel zu finden, wie er sich weiter verhalten sollte.
Barnett riss die Waffe in den Anschlag.
„Nur die Roboter!“, schrie er.
Es waren tatsächlich genügend Roboter vorhanden. Ihre breiten Oberkörper boten ein bequemes Ziel.
Der erste Feuerstoß bohrte sich in den nächsten Metallkörper und warf ihn um. Bevor er den Boden erreichte, war er ein Torso.
Doch in diesen Augenblicken gab es mehr als ein Ereignis, bei dem die anderen Anwesenden den Zuschauer hätten spielen können. Hier gab es keine Zuschauer, sondern nur Akteure.
Schon Barnetts Ruf hatte natürlich ihre Stellung verraten. Sein Befehl, für diese Demonstration lediglich die Roboter zu benutzen, war aus einer Sentimentalität entsprungen, mit der er sich selbst und Lisman in Gefahr brachte. Er hatte das gewusst. Trotzdem konnte er nicht anders handeln.
Und sein Instinkt schien ihm recht zu geben.
Sein Zuruf an Lisman war noch nicht verklungen, als er den ersten Schuss löste. Sein zweiter fiel mit Lismans erstem fast zusammen. Sie streckten bis zur dritten Sekunde nach der Materialisation fünf Roboter nieder, ohne selbst getroffen zu sein.
Die Rebellen litten unter dem fremden telepathischen Zwang. Während die Roboter auf Grund ihres kybernetischen Gesetzes, keine Menschen zu töten, erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden hatten, um ihrem sonst beispiellosen Reaktionsvermögen gerecht zu werden, waren die Menschen durch die Hypnose sowieso gehemmt. Nur diesem Umstand hatten Barnett und Lisman es zu verdanken, dass sie bis zur dritten Sekunde ungeschoren davongekommen waren.
Dann allerdings hatten sie das zweifelhafte Vergnügen, ein halbes Dutzend Strahlgewehre gleichzeitig auf sich gerichtet zu sehen.
Die Teleportation war mit Rückkopplung auf sechs Sekunden eingestellt. Sie hatten keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Außerdem wäre ein Griff an den Schalthebel in jedem Falle zu spät gekommen. Die Reaktion einer Menschenhand war zu langsam, um den Fingern am Feuerknopf eines Strahlgewehres zuvorzukommen.
Barnett machte einen Hecht nach vorn, riss dabei Lisman mit zu Boden und entkam so dem ersten gezielten Gammastrahlstoß. Während er selbst noch einmal auf einen Roboter abdrückte, war ihre Zeit abgelaufen.
Das Inferno der wild um sich schießenden Rebellen verblasste vor ihren Augen. Die Gestalten wurden nebelhaft, das Peitschen der Schüsse verklang in einem unharmonischen Wimmern. Dann standen sie in der Zentrale. Jawohl, sie standen. Und dieser Umstand allein ersparte den Freunden eine Untersuchung, ob sie beide auch noch lebten.
Barnett kümmerte sich allerdings kaum um Iks-Wol-Esak, Praxlomza und Bellinski. Er sprang zum Kommandostand und gab sofort weitere Befehle, die jeder hören durfte. Auch das grüne Gehirn.
„Das war nur eine kleine Zwischenmusik, Daxas. Countdown geht für euch weiter. Wir sind bei – fünfunddreißig, vierunddreißig, dreiunddreißig. Keine Änderung der Befehle! Wir sind zur Stelle, wenn ihr uns braucht. Ende.“
Der Wirbel, den der Captain jetzt veranstaltete, riss Lisman mit. Er unterließ seine beliebten Gegenfragen und war ganz von der Ökonomie der Sekunden fasziniert.
„… neunundzwanzig, achtundzwanzig, siebenundzwanzig …“
Lisman sah Barnetts Wink. Er folgte ihm auf den Sprung und ließ sich durch das aufgerissene Schott nach draußen in den Gang stoßen.
„Interkom-Kamera – Beiboot mit Außenbordstartvorrichtung – Lift – das letzte Essen war sauer, James, ich habe starke Magenschmerzen …“
Das Kauderwelsch brachte Lisman nicht aus dem Gleichgewicht. Er sah Barnetts Augenzwinkern und wusste, dass das alles seine Bedeutung hatte. Bei dem Wort „Lift“ hatte Barnett mit Nachdruck auf den Einstieg des Elevators gezeigt und damit deutlich gemacht, dass es einzig und allein auf diesen Punkt seiner Rede ankam.
Die Kabine im D-Schacht stand bereit.
Sie stiegen ein. Das Schott schloss sich.
„… zwölf, elf, zehn, neun, acht …“
Bei „fünf“ hielt der Lift im dritten Deck.
„Warten!“, zischte Barnett. „Bei Null öffnen und stehenbleiben. Jetzt!“
Sie sahen das Schlachtfeld, das sie vor einer knappen Minute verlassen hatten. Es war ein Chaos. Über Trümmer hinweg stiegen Frigos Vasallen, um die Treppen zu erreichen. Schreie verkündeten, dass die ersten bereits im zweiten Deck angekommen waren. Dann fielen Schüsse. Ihr Echo verfing sich hundertfach in den Gängen und Schächten.
„Es sind keine Roboter da“, flüsterte Lisman. „Die nehmen am Angriff teil. Aber da drüben liegt ein Betäubter. Gib mir Feuerschutz, falls jemand zurückkommt.“
Barnett sprang in den Gang. Neben dem bewegungslosen Soldaten lag sein Lähmstrahler. Perry nahm ihn an sich und hetzte mit drei Sätzen zum Treppenschacht. Dort hatte er Zielmöglichkeiten für einen ganzen Energiesatz. Mit dem Daumen schob er den Fokusschalter in die Mittelstellung und schoss blindlings in die Menge. Die Wirkung war verblüffend. Fünf Männer drehten sich gleichzeitig nach ihm um. Verwunderte Blicke starrten ihn an. Offene Münder. Der Griff nach dem Abzug kam für alle zu spät. Sie verloren zum zweiten Mal ihren Willen.
Barnett musste sie auffangen, damit sie sich bei dem Sturz nicht etwa noch das Genick brachen. Er hätte es allein nicht geschafft, wenn Lisman nicht im letzten Moment hinzugesprungen wäre. Allerdings hatten sie nicht viel Zeit, sich ganz dem Samaritertum zu widmen. Es gab Männer in Frigos Mannschaft, die die Besinnung behielten. Sie kamen um die letzte Biegung der Treppe zurück und feuerten mit Gammastrahlern.
An diesem Punkt hatte Lismans Korpsgeist kaum noch Bedeutung. Er sah nur noch die Gefahr für sich und Barnett. Den Captain rettete nur der Mann in seinem Arm. Der Besinnungslose fing die erste gezielte Ladung ab. Da schoss Lisman scharf. Und er tötete.
Deck 3 war ein Schlachtfeld. Weite Flächen in den Wänden waren unter der Strahlungshitze flüssig geworden.
„Zurück!“, schrie der Captain und stürzte in den Schutz des Fahrstuhls. Seine Kombination war zerrissen und verschmort. Seine Kopfhaare und Augenbrauen hatte die Hitze gefressen.
Lisman war neben ihm, die Tür schlug zu, der Korb ging ab.
Kurz darauf erreichten sie wieder die Brücke. Ihr wildes Aussehen wollte den anderen unwichtige Fragen entlocken. Barnett schnitt sie mit einer Handbewegung ab. Ihm genügte, dass die Zentrale immer noch wie eine uneinnehmbare Festung wirkte, wenn auch keiner wusste, wie lange noch.
Er ging sofort zum Leitstand.
Die Bildschirme!
„Zum Teufel, James! Iks! Bellinski …“
Über die Mattscheiben tanzten bunte Streifen. Der Recheningenieur drehte sich zu Barnett um und grinste ihn kollegial an.
„Ein schönes Muster, nicht wahr, Captain? Ein Muster, das ich mit meiner künstlerischen Ader schuf.“
Bellinski drehte der Bildschirmbatterie den Rücken, ohne an der Fehlschaltung etwas zu ändern. Er stand von seinem Sessel auf, schob die Hände in den Hosentaschen und ging völlig unmilitärisch auf den Kommandanten zu. Dicht vor ihm blieb er stehen. Sein Gesicht änderte sich von einem Augenblick zum anderen. Das Grinsen verschwand, und Hass trat an seine Stelle. Dabei kamen langsam die Hände aus den Taschen. Bellinskis Arme winkelten sich an.
„Sie sind ein Mensch, der keine wahre Größe versteht, Barnett. Und deshalb wird bald Schluss sein mit diesem verdammten Heldentheater.“
„Bellinski! Ich befehle Ihnen …“
Der Ingenieur lachte schallend. Er, der Mann, der immer nur pedantisch die Situations-Statistik bedient hatte, der immer einer der unsoldatischsten Uniformträger an Bord gewesen war und der jeder persönlichen Auseinandersetzung mit wohlbedachten Worten aus dem Wege ging, lachte Barnett ins Gesicht und ließ ihn nicht ausreden.
„Sie befehlen gar nichts, Mr. Barnett! Und Sie hören zu, wenn ich rede …“
Es gab keine Parallele zu dieser Situation auf der TRILANI. Niemand konnte also aus Erfahrung sagen, was Barnett jetzt tun würde. Aber Praxlomza und Lisman zweifelten keinen Moment daran, dass es jetzt eine kurze handgreifliche Auseinandersetzung geben würde. Ihre Hände wurden bereits instinktiv zu Fäusten, obwohl sie keinen Augenblick daran zweifelten, dass der Captain den langen Bellinski mit einem einzigen Faustschlag zu Boden strecken würde. Er brauchte ihre Hilfe nicht.
Er schlug sich aber auch nicht.
In Bellinskis Rücken war Iks-Wol-Esak aufgetaucht. Mit einem einzigen Griff hatte er die Bildübertragung wieder klar.
Der Kampf um das dritte Deck war vorläufig entschieden. Man sah Daxas winken und ein wenig müde lächeln. Zwei Männer neben ihm hielten den besinnungslosen Leutnant Frigo.
„Bringt die Gefangenen herauf“, gab der Proka die Anweisung für Barnett ins Mikrofon. „Ende!“
Der Captain hatte diese Episode und das Ergebnis am Rande mit Erleichterung zur Kenntnis genommen. Iks-Wol-Esaks Wink half ihm, sich mit aller Geduld dem verrückt gewordenen Recheningenieur zu widmen.
„Also gut, Leutnant Bellinski, wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, dann reden Sie. Sie waren bisher ein verschlossener Mensch, und es dürfte interessant sein, zu wissen, wie es in Ihrem Innenleben aussieht. Ich gebe Ihnen drei Minuten.“
„Sie geben mir, was ich nehme, Mr. Barnett. Und Sie werden abtreten. Sie haben den Galaktischen Krieg beendet – denkt die Welt. Sie sind der Held des Wiederaufbaus – denkt die Welt. Sie sind der vergötterte Mann des Jahrtausends – denkt die Welt. Journalisten beginnen bereits damit, unser Zeitalter nach Ihrem Namen zu benennen. Begreifen Sie nicht, wie lächerlich das ist?“
„Letzteres ja, Leutnant. Wir sind da ganz einer Meinung. Aber was machen wir gegen die Propaganda der Journalisten?“
„Wir machen einen Strich darunter! Sie werden Terra in Ihrem Leben nicht mehr wiedersehen, Barnett, weil ich Sie töte.“
Bellinski hatte keine Waffe bei sich. Aber seine angewinkelten Arme hoben sich bedrohlich. Seine Hände schnellten vor und umklammerten Barnetts Hals. Drückten zu.
Da endlich kam die Reaktion, auf die Lisman zitternd gewartet hatte.
Ein kurzer, trockener Schlag auf den Solarplexus. Bellinski fiel hin wie ein gefällter Baum.