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Barnett ging auf die Brücke der TRILANI und überwachte von dort die laufenden Manöver der Mannschaft. Auch das Krankenrevier wurde wieder auf das Mutterschiff zurückverlegt, um drei Stunden später erneut auf das B-Boot verlagert zu werden.

Der laufende Positionswechsel der Untereinheiten wirkte auf die Männer monoton und dann sogar lächerlich. Einige resignierten und verzichteten auf eine eigene Meinung. Andere rissen ihre Glossen über ihre operettenhaften Aktionen. Jeder aber fühlte die makabre Bedeutung dahinter, und wenn einer lachte, so klang es nicht echt.

Trotz allem bestand Iks-Wol-Esak in seinem Labor den schwersten Kampf. Er hatte sich zurückgezogen ohne Assistenten. Assistenten konnten heute den Erfolg seiner Bemühungen nur in Frage stellen, denn der Wahrscheinlichkeitsfaktor, dass eine seiner Ideen tatsächlich zum Erfolg führte, war ohnehin sehr gering. Er hatte die Aufgabe mit abstrakten Zahlen von Bellinski mit der Elektronenstatistik durchrechnen lassen. Der Bordroboter gab ihm eine Chance von 1 zu 10. Und das war herzlich wenig.

Lediglich dieser eine Gedanke, den er nicht programmieren durfte, weil er auch Tsou nichts anging, konnte das Bild noch ändern.

Aber war es gelungen, dieses Geheimnis vor der grünen Kugel zu verbergen?

Iks-Wol-Esak schwang sich auf den Hocker seines Leitstandes. Dieser Platz war eigens für ihn eingerichtet. Für ein Wesen in Kugelform, für ein Wesen von 80 cm Größe, für ein Wesen mit drei vier Meter langen sechsfingrigen Armen.

Achtzehn Finger drückten Knöpfe für hundert verschiedene Reaktionen.

Telepathische Energie durchdrang den Abwehrschirm Tsous und tastete sich an die kalte Wand der grünen Gehirnkugel heran, verharrte … und stieß durch.

„Ich habe dich, Tsou. Du bist Kybernetik. Du hast kein Recht, biologisches Leben zu bevormunden. Dir steht kein eigener Wille zu. Ich befehle dir, den Abwehrschirm zu löschen und den Menschen und Prokas ihren rechtmäßigen Bereich zu überlassen. Dein Geist und deine Intelligenz sind zum Dienen geschaffen. Und wenn du jemals herrschen solltest, so darfst du es nur im Sinne der Herren, deren Diener du bist. Die Tellurer werden dir den Platz geben, der dir zusteht, nicht mehr und nicht weniger. Lösche den Abwehrschirm! Lösche den Abwehrschirm!“

Iks-Wol-Esak dachte, und eine Batterie von Telepathierelais sandte den Befehl hundertfach verstärkt in Tsous Gehirnwindungen.

Dieses Denken ging auch über seine Kräfte. Er machte eine Pause und wischte erschöpft über die transpirierende Haut seines glatten Körpers.

Würde Tsou sein Verlangen akzeptieren? Würde Tsou sich der Gewalt seiner Gedanken unterwerfen?

Dann sprach Tsou.

Der Proka hörte zum ersten Male seine „Stimme“. Es waren prokaskische Worte, aus dem abstrakten Verstehen heraus in eine beliebige Sprache übersetzt, die die grüne Gehirnmasse innerhalb von Minuten erlernt hatte.

„Dein Verlangen ist unbillig, Proka. Vollendete Kybernetik ist vollendetes Denken.Vollendetes Denken ist vollendete Selbständigkeit. Vollendete Selbständigkeit ist vollendeter freier Wille. Ich werde die Welt regieren, Proka. Aber ich werde Diener brauchen. Nicht ich werde der deine sein, sondern du der meine. Ich gebe dir eine Chance, zu deinem eigenen Vorteil.“

Tsous Versuchungen nahmen kein Ende. Iks-Wol-Esak wollte sich die Ohren zuhalten, so sehr machten die Gedanken des Gegners einen akustischen Eindruck.

„Aufhören!“, schrie der Proka.

„Du wirst mein Diener sein“, quälte Tsou weiter. „Mein freier Wille wird dir helfen, glücklich zu leben.“

Iks-Wol-Esak drückte einen Schalter. Dann wagte er das letzte Experiment. Er dachte Dinge, die der Gegner nicht wissen durfte. Er dachte sein letztes Geheimnis.

Tsou reagierte nicht darauf. Tsou war in seinem Element. Tsou redete sich immer fanatischer in die Rolle des Demagogen. Tsous Wille wurde zum Wahnsinn.

Und der Proka vermisste eine Reaktion auf sein Geheimnis.

Durfte er aufatmen?

Oder hatte Tsou sich so vollendet in der Gewalt, dass er sich durch nichts verriet?

Noch ein Knopf!

Iks-Wol-Esak hatte damit das Repeat des Gedankenkonservators eingeschaltet. Das Gerät würde jetzt laufend seine eigene Rede an Tsou wiederholen. So lange, bis es abgestellt wurde.

Iks verließ das Laborzentrum und ging in einen Nebenraum. Drei flinke Hände sortierten Gedanken und Wortaufnahmen, die in den letzten Stunden während der verwirrenden Truppenmanöver entstanden waren. Es waren eine Menge Abschnitte darunter, die intensiv das Problem des Umzugs auf die drei Beiboote behandelten. Mit allen Nebengedanken, mit allen Hoffnungen, mit aller Skepsis und mit aller Angst, zu denen die Individuen in Barnetts Mannschaft fähig gewesen waren.

„Nein, Tsou, wenn das jetzt endlich mein Geheimnis ist, wirst du einen Fehler machen. Aber nur, wenn es mein Geheimnis ist.“

Iks kroch in einen Anzug, den es vor drei Stunden noch nicht gegeben und in dem ihn noch niemand gesehen hatte. Er hatte die Taschen voller Utensilien, die keinen etwas angingen. Nicht Tsou, nicht Barnett und erst recht keinen von der übrigen Besatzung,

Iks-Wol-Esak verließ das Labor wie ein Einbrecher. Er sicherte nach allen Seiten, bevor er

den Gang betrat. Zurück ließ er den Gedanken-Repetitor, der sich intensiv mit dem grünen Gehirn zu beschäftigen hatte.

Er erreichte eine Nottreppe, die nicht bewacht wurde. Dadurch gelangte er ins vierte Deck. Hier wurde es gefährlicher. Daxas’ Wachtposten standen überall. Patrouillen streiften durch alle Gänge.

Iks hörte Schritte. Mechanisch-regelmäßige Schritte von zwei Robotern. Er zog sich zurück in eine Gerätekammer. Eine Minute später wagte er einen erneuten Vorstoß. Die Luft war rein. Keine kleinen bunten Kugeln, keine Roboter, keine Soldaten der Besatzung.

Sein Ziel war eine kleine Kabine im vierten Deck. Hastig zog er die Tür hinter sich zu. Der Raum war dunkel. Iks schaltete einen Taschenscheinwerfer an. Er sah nichts als Kabel und Röhren. Er befand sich in einer der Schaltstationen für das Versorgungssystem des Raumriesen TRILANI.

Ein Bündel Werkzeuge quoll aus seiner Tasche. In zwei Minuten war das Sicherheitsventil der zentralen Entlüftungsanlage geöffnet. Er nahm ein etwa zehn Pfund schweres Plastikpaket aus der Jacke und entleerte den mehligen Inhalt in die Röhre. Komprimierte Saugluft der hydraulischen Pumpstation riss das Gift mit sich, verteilte es minutenschnell über alle Decks und ließ es durch die Frischluftdüsen in den letzten bewohnten Winkel der TRILANI dringen.

Iks-Wol-Esak war längst wieder auf dem Rückzug.

Von seinem Labor aus führte ein anderer Weg an wichtigen Energieleitungen vorbei. Jeden Fußbreit in der näheren Umgebung seiner Arbeitsräume kannte er im Schlaf. Er öffnete die Kammer einer Verteilerstation. Die Kabel für die kybernetische Kontrollzentrale! Aus reinen Sparsamkeitsgründen wurden die Roboter, solange sie an Bord der TRILANI waren, aus einer gemeinsamen Quelle mit Energie gespeist. Iks-Wol-Esak zerschnitt die Verbindung zum Sender. In diesem Augenblick hatten die künstlichen Soldaten noch Aktivität für zehn Sekunden. Dann würden sie stillstehen, und ihre Gehirne würden passiviert sein.

Der Schnitt – und zurück!

Mit wenigen Sätzen erreichte Iks-Wol-Esak sein Schaltpult, riss die Verbindung des Repetitors heraus und dachte selbst in die Antenne seiner Telepathie-Batterie.

„Hör zu, Tsou! Hör zu! Wenn du nicht nachgibst, kann es nur einen Kompromiss geben. Überlege dir Vorschläge, wie wir uns einigen können. Aber es ist unannehmbar für mich, dass du die absolute Gewalt über Tellur ausübst. Mache mir einen Kompromissvorschlag!“

Stopptaste!

Wiederholung der Aufnahme!

Iks-Wol-Esak nahm sich nicht die Zeit, Tsous Reaktionen abzuhören. Er brauchte jede Sekunde für seinen Plan.

Wie nebensächlich griff der linke Tentakel hoch hinauf zu einem Schaltbrett und aktivierte die Bildübertragung zur Kommandozentrale.

Barnett, Lisman, Praxlomza und Bellinski waren besinnungslos zu Boden gesunken. Das Gift hatte bereits gewirkt. Es hatte schnell gewirkt. Schnell und unauffällig für die Betroffenen. Wäre es anders gewesen, hätten sich noch Abwehrreaktionen in den Köpfen der Betroffenen bilden können, so müsste der ganze Plan sinnlos werden.

Iks-Wol-Esak hatte keinen Beweis dafür, dass bis jetzt alles geklappt hatte. Er durfte nur hoffen.

Und handeln!

Die Existenzpost! Der Materietransmitter!

Der Proka entleerte weiterhin die Taschen seines neuen, skurrilen Anzuges. Kapseln mit stundenalten Gedankenkonserven. Kapseln, die in fast hundert kleine Sender eingebaut waren und ihren Weg in alle Decks der TRILANI nahmen. Es war eine mühselige Arbeit.

Achtzig Abschüsse mit dem Materietransmitter. Achtzig verschiedene Gedankenpakete an achtzig verschiedene Adressen.

78, 79, 80 – Ende! Fertig!

Schweißgebadet sank Iks-Wol-Esak in sich zusammen. Während sein Geist der Müdigkeit nachgeben wollte, signalisierte sein Gehirn „Gefahr“.

Wenn er jetzt schlappmachte, war alles vergeblich und nutzlos!

Der Plan musste weiterlaufen!

Bis zu seinem kritischsten Punkt, bis zu dem Punkt, wo das grüne Gehirn Tsou das große Fragezeichen blieb. Bis zur Entscheidung …

Die mit der Existenzpost verschickten Kapseln fingen an zu senden.

Konservierte Gedanken. Für Tsou mussten sie wie eine Livesendung wirken.

Iks-Wol-Esak sprang in den Nebenraum für Ersatzteile. Hier warteten sechs passivierte Navigations-Roboter auf ihren Teil der Aufgabe.

Er rüstete sie mit Individual-Batterien aus, so dass sie unabhängig von der zentralen Energiezufuhr agieren konnten. Rote Stirnlichter signalisierten die Aktivierung.

„Achtung, Robots!“

„Sie wünschen, Sir?“

„Je zwei von euch besetzen die drei Beiboote und machen sie startklar. Ich komme mit euch, kann mich im Übrigen aber nicht um euch kümmern. Ihr müsst absolut selbständig handeln und auch die Schleusen der Hangars öffnen. Aber meinen Startbefehl abwarten, verstanden?“

„Jawohl, Sir!“

„Okay! Dann ab und keine Fragen mehr!“

Iks sammelte den gesamten Vorrat an Teleporterwesten in seinen neuen Anzug, den er in den letzten zwei Stunden zusammengehamstert hatte. Es waren genau 23 Stück. Viel mehr hätte er auch nicht schleppen können. Hinzu kam noch die eigene, die er auf der nackten Haut trug.

Bevor er selbst sprang, trat noch einmal der Transmitter in Aktion und beförderte 25 Gedankenkapseln an Bord der drei Beiboote. Dann folgte er selbst.

Auf der Brücke des A-Bootes lagen Lopez und drei Unteroffiziere. Iks zwängte sie in die mitgebrachten Jacken und gab ihnen ein Programm für die Zentrale des Mutterschiffes. In Sekundenschnelle teleportierten die Besinnungslosen.

Iks hetzte weiter durch das Schiff. Er wollte alle retten und auch bei den unteren Dienstgraden keine Ausnahme machen. Es ging an die Grenze seiner Kräfte. Und trotzdem ließ er keinen Winkel der drei Beiboote undurchsucht.

Zum Glück hatte während seines Manövers das gesamte Lazarett gerade wieder Position in der TRILANI bezogen. So blieb ihm wenigstens diese Arbeit erspart.

23 Teleporterwesten hatte er mitgebracht. Er brauchte nur 21. Zwei brachte er wieder mit. Umso besser.

Wenn jetzt nur nicht die Kugeln kamen!

Der Gedanke war lästig und unangenehm. In der Eile vielleicht sogar überflüssig. Eine von Iks-Wol-Esaks ersten Erkenntnissen bei der Erforschung von Tsous Elementen war die Tatsache, dass er sich auf optische Eindrücke nicht verließ. Tsou konnte nicht sehen. Tsou wickelte alle seine Informationen über den Frequenzbereich der Gedankenwellen ab. Deshalb hatte er auch nie Wert darauf gelegt, die optische Einsicht seiner Gegner zu sperren.

So war es gewesen, und so war es auch jetzt.

Noch hielt die größte Ungewissheit den Proka in Bann. Als er die Brücke der TRILANI betrat, wäre er am liebsten in ein Freudengeheul ausgebrochen. Der Bildschirm zeigte es! Die grüne Kugel hatte den Maschinenraum verlassen. Die Kästen waren verschwunden, und es gab keine von den geheimnisvollen Flaschen mehr. Nur ein dunkler grüner Fleck, zäh und gallertartig, erinnerte noch an das Missgeschick des Maschinenoffiziers Perkins, an das Missgeschick, das in seiner Auswirkung dem Wunder der Rettung gleichkam.

Gestrandet in der Unendlichkeit: Paket 15 Science Fiction Abenteuer

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