Читать книгу Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane - Conrad Shepherd - Страница 11
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ОглавлениеAls Clay Lawrence nach Saint David kam, hatte es keineswegs in seiner Absicht gelegen, hier länger als eine Nacht zu bleiben.
Ein Whiskey im Saloon, möglichst in Gesellschaft von Leuten, die nicht allzuviel redeten, dazu eine Mahlzeit, die unter die Rippen geht, eine Badewanne, ein Bett und acht Stunden Schlaf - in dieser Reihenfolge hatte er es sich gedacht.
Woran ihm am wenigsten gelegen war, war Streit. Er war schließlich den ganzen Tag geritten und ziemlich müde.
Aber es kam ganz anders...
Saint David war ein winziges Nest, ungefähr auf halbem Wege zwischen Fort Douglas und Tucson.
Eine Kirche, ein Saloon, ein Drugstore, dazu ein paar Wohnhäuser. Die Lücken zwischen den Häuserzeilen nannten sich Straßen und sie hatten sogar Schilder, auf denen Namen eingebrannt waren.
Im Augenblick waren diese Straßen furchtbar staubig. Wenn ein Gespann die Main Street entlangraste, konnte man kaum die Hand vor Augen sehen...
Aber wenn es geregnet hatte, dann mussten die Gespanne solange warten, bis es wieder trocken war, so schlammig war es dann.
Clay Lawrence machte keine Umwege.
Er lenkte seinen Gaul mitten über die Main Street, direkt auf den Saloon zu, stieg aus dem Sattel und machte das Tier neben ein paar anderen fest. Lawrence klopfte sich den Staub von der Kleidung, der ihn über und über bedeckt hatte. Dann richtete er sich wieder zu voller Größe auf und passierte die Schwingtüren.
Seine ruhigen, graugrünen Augen musterten den Schankraum und die wenigen Zecher, die sich dort bereits versammelt hatten.
Im weiteren Verlauf des Abends würden sie schon noch zahlreicher werden...
Die Männer drehten sich kurz um, wandten sich dann aber wieder ihren Gesprächen zu.
Lawrence trat an die Theke. Der Mann dahinter war ein riesiger Kerl mit schwarzem Vollbart. Lawrence selbst war schon kein kleiner Mann, aber der Barkeeper überragte ihn noch um Haupteslänge.
Vermutlich war er Keeper und Rausschmeißer in einer Person. Die körperlichen Voraussetzungen dafür hatte er jedenfalls.
"Whisky, etwas zu Essen, und ein Zimmer mit Bad!", brachte Lawrence es gleich auf den Punkt.
Der Keeper machte ein skeptisches Gesicht.
"Können Sie sich so etwas denn leisten?"
"Kann ich!"
Eigentlich konnte er es nicht, denn er war ziemlich abgebrannt. Andererseits hatte er schon seit langem kein Bett mehr gesehen, sondern draußen in der Wildnis kampiert. Und wenn er morgen weiter in in Richtung Tucson ritt, dann lag ohnehin eine lange Strecke vor ihm, auf der es keine Siedlung gab, sondern nur karge Prärie, zum Teil gar Halbwüste. Lawrence holte eine Münze aus der Hosentasche und ließ sie über den Schanktisch rollen. Der Keeper hielt sie ins Licht und nickte dann.
"Gut."
Etwas später bekam er dann einen Teller mit Stew vorgesetzt. Es war ein undefinierbarer Eintopf, bei dem sich kaum genau sagen ließ, was der Keeper alles hineingetan hatte... Aber Lawrence hatte großen Hunger und darum fragte er nicht weiter.
Als er fertig war, schob er den Teller über den Schanktisch.
Unterdessen hatte sich der Saloon aufgefüllt.
Immer mehr Männer waren durch die Schwingtüren getreten, hatten an den Tischen platzgenommen oder sich an die Theke gesellt.
Lawrence hatte gerade den Schlüssel für sein Zimmer bekommen und wollte nun hinaus zum Pferd gehen, um seine Sachen zu holen.
Da sah er die Schwingtüren auseinanderfliegen und einen Mann eintreten, von dem er gehofft hatte, dass er ihm nie wieder begegnen würde...
Bo Camerons Augen wurden schmal, als er Lawrence erblickte. Der Mann von der Mitchell-Ranch erstarrte mitten in der Bewegung. Nur seine Hand, die glitt fast unmerklich zur Hüfte.
Er verzog den Mund zu einem hässlichen Grinsen.
"Seht mal, Leute, wen wir da haben..." Er trat etwas vor und dann kamen noch zwei weitere Männer durch die Tür.
An einen von ihnen erinnerte Lawrence sich noch gut. Er hatte zu der Gruppe gehört, die das Mädchen verfolgt hatte. Den anderen kannte er nicht und genau dieser raunte dann an Cameron gewandt: "Ist das die Ratte, die euch soviel Schwierigkeiten gemacht hat?"
"Ja...", zischte Bo Cameron.
Wie ein Raubtier bleckte er die Zähne. Seine Nasenflügel gingen auseinander.
Die anwesenden Zecher waren mit einem Mal verstummt und sahen gespannt zu, was noch geschehen würde.
"Na, da bist du aber überrascht, was?", meinte Cameron dann. "So schnell sieht man sich wieder..." Lawrence zeigte sich unbeeindruckt.
Er machte ein paar Schritte auf die drei zu, aber Cameron stellte sich ihm so in den Weg, dass er nicht an ihm vorbei kommen konnte.
"Ich hoffe, dass du keinen Streit willst!", meinte Lawrence dann ruhig.
"So einfach kommst du nicht davon, Fremder!" Er spuckte verächtlich aus. Dann setzte er hinzu: "Ich habe über dich nachgedacht!"
"Ach, ja?"
"Ich denke, dass du auch zu dieser verdammten Lopez-Bande gehörst, die da oben in den Bergen haust!"
"Da muss ich dich leider enttäuschen..."
"Du hast seiner Schwester geholfen! Das genügt mir!"
"Geh mir aus dem Weg, Cameron!"
"Außerdem kann ich dich nicht leiden, Fremder!"
"Das ist dein Problem. Was mich angeht, so habe ich einen harten Ritt hinter mir und will keinen Ärger, sofern er sich irgendwie vermeiden lässt!"
In Lawrence' Tonfall lag Bestimmtheit. Aber Cameron schien nicht gewillt zu sein, Ärger zu vermeiden. Er wollte Lawrence um jeden Preis provozieren.
Und er wollte die Rechnung begleichen, die er mit dem fremden Reiter offen zu haben meinte...
"Sollen wir die Sache hier ausmachen, oder dafür auf die Straße gehen?", meinte Cameron.
"Du weißt, dass du gegen mich keine Chance hast, Cameron! Also lassen wir es lieber. Die Sache ist entschieden worden dort draußen auf der Weide. Das muss genügen!"
"Mir genügt aber nicht!"
Lawrence schob Cameron bei Seite und ging an ihm vorbei. Der Ranch-Mann schaute ihm fassungslos nach. Lawrence wollte zu seinem Pferd.
Keine fünf Schritte hatte er nach draußen getan, da hörte er in seinem Rücken, wie die Schwingtüren auseinanderflogen, und ein Mann hinaustrat.
Lawrence brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass das niemand anderes als Bo Cameron sein konnte, der die Schmach, die er draußen auf der Weide erlitten hatte, einfach nicht verwinden konnte.
Lawrence hatte sich fest vorgenommen, dem Streit bis zum letzten Moment auszuweichen, bis zu dem Punkt, an dem ihm keine Wahl mehr gelassen wurde...
Schließlich war er fremd hier und nicht erpicht darauf, sich zu schießen.
Fremde, die schnell mit dem Revolver waren, und keine halbe Stunde in der Stadt zu sein brauchten, um schon einen Mann erschossen zu haben, waren nirgendwo gern gesehen, selbst dann nicht, wenn sie im Recht waren.
Kaum mehr als ein Sekundenbruchteil war vergangen, seit Bo Cameron Lawrence ins Freie gefolgt war, da hörte der Fremde ein verräterisches, hässliches Geräusch...
Ein Geräusch, dass den sekundenschnellen Tod bedeuten konnte!
Cameron hatte den Colt herausgerissen und den Hahn gespannt.
Aber als dann der Schuss kam hatte Lawrence sich längst zur Seite geworfen. Das halbe Dutzend Pferde, das da angebunden stand, wich wiehernd zur Seite.
Ein zweiter Schuss wurde abgefeuert, ging dicht neben Lawrence in den Boden und erzeugte dort eine kleine Staubfontäne. Den Pferden raubte das den letzten Rest von Verstand. Zwei der Gäule stellten sich hoch auf die Hinterhand und wieherten markerschütternd. Sie zogen verzweifelt an den Zügeln.
Lawrence rollte sich herum.
Ein Hufe traf ihn schmerzhaft an der Schulter, aber er biss die Zähne zusammen.
Er musste höllisch aufpassen, dass ihn so ein eisenbeschlagener Pferdehuf nicht unvermittelt am Kopf traf und damit unweigerlich den Rest gab...
Und dann war da noch immer der blindwütige Cameron, der zum dritten Mal feuerte, aber wieder nicht traf. Lawrence rollte erneut herum, diesmal ohne Rücksicht auf die Pferdebeine.
Bruchteile eines Augenblicks später hatte er seinen Revolver schussbereit in der Hand und feuerte sofort. Bo Cameron schrie auf und ließ die Waffe fallen. Seine Hand war rot von Blut. Es war ein glatter Durchschuss, aber zumindest für eine Weile würde er Schwierigkeiten haben, irgendeine Waffe zu benutzen.
Lawrence kam jetzt unter den Pferden hervor, die sich langsam beruhigten. Den Revolver hielt er noch immer in der Hand.
Die beiden Kerle, mit denen Cameron gekommen war, traten jetzt ins Freie, aber sie taten nichts, sondern standen zunächst nur schweigend da.
Aber in ihren Augen brannte ein gefährliches Feuer, dass für die nächsten Momente nichts Gutes ahnen ließ. Lawrence musste weiter auf der Hut sein.
"Blast ihn um!", zischte Cameron hasserfüllt, während er sich die blutende rechte Hand hielt. "Blast diesen verdammten Bastard um!"
Ein Ruck ging durch die Männer.
Camerons Befehle galten für sie etwas, aber sie waren auch Realisten genug, um zu wissen, dass sie kaum ungeschoren davonkommen würden, wenn sie jetzt zu den Eisen griffen. Cameron fluchte laut, aber seine Jagdhunde rührten sich nicht.
Unterdessen war vor dem Saloon eine neugierige Menschenmenge zusammengelaufen, die sich das Schauspiel ansehen wollte. Ein Mann im dunklen Anzug drängte sich zwischen den Zuschauern hindurch.
An der Brust trug er einen Metallstern, der in der untergehenden Sonne blinkte. Kein Zweifel, dies war der Sheriff! Mit selbstbewusster Haltung trat er vor. Unter dem Arm hatte er eine Winchester. Sein Gesicht, in dessen Mitte sich ein dichter, buschiger Schnurrbart befand, drückte Entschlossenheit aus. Als er sah, dass beiden Kerle von der Mitchell-Ranch, die mit Bo Cameron gekommen waren, ihre Hände an den Hüften hatten, meinte er schneidend: "Besser ihr lasst die Dinger dort, wo sie im Moment sind! Sonst schieße ich sie euch aus der Hand!" Dann spuckte er aus. "Ihr wisst, dass ich ein schlechter Schütze bin! Es könnte als so sein, dass ich daneben ballere und aus Versehen einem von euch den Kopf wegblase!"
Die beiden schluckten.
"Schon gut, Sheriff!"
Dann wandte sich der Sternträger an Clay Lawrence, der unterdessen seine Waffe eingesteckt hatte.
"Ich mag keine Unruhestifter!", meinte er.
"Cameron hat zuerst gezogen! Ich hatte keine andere Wahl!"
"Wie dem auch immer sei: Ich möchte, dass Sie aus der Stadt verschwinden! Mit Männern wie Ihnen gibt es immer nur Ärger..."
"Ich will nur die Nacht über bleiben!"
"Nein, kommt nicht in Frage!"
Aus der Menge trat nun ein Mann hervor. Er hatte grauweißes Haar und mochte die fünfzig lange hinter sich gelassen haben. Seine Haut war dunkel und wettergegerbt.
"Seien Sie nicht zu hart zu dem Gentleman!", meinte er zum Sheriff. Der Sternträger runzelte die Stirn und wandte sich um.
"Mr. Mitchell...!"
Mitchell wandte sich an Lawrence und musterte ihn. Dann sah er zu Cameron hinüber und brummte: "Ist das der Kerl, mit dem ihr Schwierigkeiten hattet?"
"Ja!"
Mitchells Blick bohrte sich in Lawrence' Augen.
"Sie haben ein paar meiner Männer übel verletzt!"
"Ich hatte keine andere Wahl!"
Mitchell zuckte mit den Schultern.
"Mag es sein wie es will... Sie müssen ein guter Schütze sein. Und schnell."
Lawrence nickte.
"Kann man wohl sagen!"
"Darf man Ihren Namen erfahren?"
"Lawrence. Clay Lawrence."
"Schon mal auf einer Ranch gearbeitet?"
"Ja. Ich bin Cowboy."
"Sie können bei mir anfangen! Ich zahle sechzig Dollar im Monat."
Lawrence legte die Stirn in Falten.
"Sechzig Dollar? Für einen einfachen Cowboy?"
"Ja, ganz recht! Darüber kann man nicht klagen, was?" Nein, dachte Lawrence bei sich. Das konnte man sicher nicht. Sechzig Dollar! Das bekam man sonst nur als Vormann.
"Boss, Sie wollen doch nicht etwa diesen Bastard einstellen!", ereiferte sich jetzt Bo Cameron. Er war außer sich vor Wut.
"Halt's Maul, Bo!", versetzte Mitchell. Der Rancher ließ den Blick nicht von Lawrence. "Na, was ist? Sie können gleich mitkommen, wenn Sie wollen! Dann brauchen Sie auch nicht in diesem Nest hier zu übernachten!" Er deutete kurz auf den Sternträger. "Sheriff Dole hat etwas dagegen, wie mir scheint!"
Warum nicht?, dachte Lawrence.
Schließlich brauchte er dringend Geld. Er hätte ohnehin bald einen Job annehmen müssen. Warum also nicht bei Mitchell in der Ranch-Mannschaft?
Lawrence nickte also.
"Meinetwegen!", erklärte er. "Ich komme mit Ihnen!"