Читать книгу Revolverfreunde: Wichita Western Sammelband 6 Romane - Conrad Shepherd - Страница 8
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ОглавлениеDie Sonne hatte den ganzen Tag über unbarmherzig vom Himmel herabgebrannt. Jetzt, am späten Nachmittag war sie milchig geworden.
Clay Lawrence zügelte sein Pferd und kniff die Augen etwas zusammen, als er in die Ferne sah - dorthin, wo er einige, sich bewegende Punkte erkannt hatte.
Nach einer Weile konnte er erkennen, dass es Reiter waren, die da im Galopp über die Ebene jagten.
Lawrence war den ganzen Tag geritten, ohne auf eine Menschenseele zu treffen. Die Reiter bewegten sich in seine Richtung und je länger er sich die Sache ansah, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, dass es sich um so etwas wie eine Verfolgung handeln musste.
Ein Trupp von vier bewaffneten Männern jagte einen fünften Reiter. Lawrence sah eine lange, schwarze Mähne. Zuerst glaubte er, dass es ein Indianer war, aber dann wusste er es plötzlich besser.
Es war eine Frau!
Schüsse donnerten über das flache Grasland. Zwei der Verfolger hatten ihre Revolver aus den Holstern gezogen und ballerten hinter der Flüchtenden her.
Die Frau presste sich so dicht sie konnte an den Hals ihres Pferdes, so dass sie ein möglichst kleines Ziel bot. Sie war eine ausgezeichnete Reiterin.
Der Abstand zwischen ihr und der Wolfsmeute, die hinter ihr her, vergrößerte sich zusehends.
Die Wölfe schienen Cowboys zu sein. Jedenfalls waren sie dementsprechend gekleidet.
Sie trugen Leder-Chaps um die Beine und Wurfseile an den Sattelhörnern.
Lawrence wusste nicht so recht, was er von der Angelegenheit zu halten hatte. Er wartete einfach ab. Sie kamen ohnehin auf ihn zu.
Wer konnte schon wissen, was dahintersteckte?
Vielleicht hatten die Männer einen guten Grund, die schwarzhaarige Frau aufzuhalten... Vielleicht wollten sie sich auch nur an ihr vergreifen.
Die Männer schossen jetzt aus allen Rohren und auf einmal strauchelte das Pferd, auf dem die Frau pfeilschnell über die Ebene gekommen war. Sie stieß einen überraschten Schrei aus, als das Tier getroffen niederging.
Aber auch in dieser Situation verhielt sie sich geschickt. Sie sprang rechtzeitig vom Pferderücken herunter und rollte sich über die Schulter auf den Boden ab, so dass der massige Körper des Tieres sie nicht unter sich zerquetschte. Lawrence kam nun etwas näher heran, bis er die Frau erreicht hatte. Die Hand fuhr unwillkürlich in die Nähe des Revolvers, den er an seiner Seite trug...
Vielleicht würde er das Eisen noch brauchen, wenn die vier Schießer, die da herangeprescht kamen, nicht vernünftig waren...
Die Frau war sofort wieder hoch.
Lawrence musterte sie kurz.
Sie trug Männerkleidung, die ihr viel zu groß war und durch einen breiten Gürtel zusammengehalten wurde.
"Hilf mir!", wandte sie sich an Lawrence. "Die Kerle wollen mich umbringen!"
Sie versuchte an das Gewehr heranzukommen, dass im Sattelschuh ihres toten Gauls steckte. Aber das Pferd hatte sich bei seinem Sturz auf die falsche Seite gelegt und nun konnte sie die Waffe nicht unter dem schweren Tierleib hervorholen.
Sie keuchte.
Angstschweiß stand ihr auf der Stirn. Der Vorsprung, den sie vor ihren Verfolgern gehabt hatte, schmolz schnell zusammen.
Die Meute rückte unerbittlich näher.
"Nimm mich hintendrauf!", meinte sie. "Und dann nichts wie weg. Wir können in die Berge schaffen!"
Aber Lawrence schüttelte den Kopf. Erstens wusste er nicht, in was für ein Wespennest er da trat und zweitens schätzte er die Chance, den Häschern auf diese Weise zu entkommen, als äußerst gering ein.
"Zu spät, Lady!", meinte er.
"Aber sie werden mich umbringen!"
"Nein, das werden sie nicht!", behauptete Lawrence gelassen. "Dafür werde ich schon sorgen!"
Sie tauschten einen schnellen Blick. Lawrence sah in dunkle Augen und in ein feingeschnittenes Gesicht, das von namenloser Furcht gezeichnet war.
Er reichte ihr den Arm und einen Augenaufschlag später saß sie hinter ihm im Sattel.
Als die Wölfe herankamen und ihre Pferde zügelten, versteckte sie sich regelrecht hinter Lawrence breitem Rücken.
Die Männer hatten ihre Revolver wieder eingesteckt. Ein Mann mit schwarzer Lederweste und ebenfalls dunklem Hemd schien der Anführer zu sein. Er grüßte, indem er die Hand hob. Dann schob er sich den Hut in den Nacken.
Die Blicke der anderen gingen immer wieder zu dem Mann in Schwarz hin. Sie warteten auf seine Reaktion und seine Befehle.
"Tag, Gents!", meinte Lawrence gelassen.
"Tag, Mister! Sie sind nicht von hier?"
"Nein, auf der Durchreise."
"Ich bin Bo Cameron von der Mitchell-Ranch." Er sagte das, als würde das allein schon etwas erklären, als wäre es sowas wie ein Freibrief... "Wir sind hinter dem Luder her, das da hinten bei Ihnen auf dem Sattel sitzt!"
"Ja, das habe ich beobachtet."
"Lassen Sie sie absteigen. Sie gehört uns!"
"Und was haben Sie dann mit ihr vor, Cameron?"
"Das ist unsere Sache."
"Nein, so einfach ist das nicht."
"Sie ist die Schwester von Juan Lopez, einem gemeinen Hund, der sich mit seiner Bande oben in den Bergen herumtreibt und die ganze Gegend mit seinem Terror in Atem hält."
"Ist das das einzige, was Sie ihr vorzuwerfen haben?" Lawrence verzog den Mund. "Nicht besonders viel, nicht wahr? Schließlich kann ja niemand etwas für seine Verwandtschaft!"
"Es ist genug!", meinte Cameron. "Sie steckt mit ihrem Bruder unter einer Decke, das ist doch klar!"
"Mit anderen Worten, Sie wollen sie dafür umbringen, dass sie die Schwester von diesem Lopez ist!"
"Nein, nicht umbringen..."
"Sie haben auf sie geschossen!"
"Wir wollen sie festhalten und diesen Lopez auf diese Weise aus den Bergen locken!"
"Ich habe meinen Bruder seit Jahren nicht gesehen!", rief die Frau nun und klammerte sich fest an Lawrence' Rücken. "Bitte, du kannst mich nicht diesen Wölfen zum Fraß vorwerfen!"
Lawrence blickte in das Gesicht von Cameron, dessen Augen sich zu schmalen Schlitzen verengt hatten. Der Ranch-Mann schien jetzt aufs Ganze gehen zu wollen.
"Wir haben keine Lust, länger zu warten!", meinte er. "Die Frau soll absteigen!"
"Sie müssen sie sich schon holen!", meinte Lawrence. Bo Camerons Gesicht verzog sich zu einer Maske des Zorns.
"Wollen Sie Streit anfangen?" Seine Hand ging zur Seite und auch seine Begleiter langten zu den Hüften, dorthin, wo die Revolvergriffe aus den Holstern ragten. "Es macht uns überhaupt nichts aus, Sie über den Haufen zu schießen, Fremder! Hier draußen kräht kein Hahn mehr nach einer Leiche, die irgendwo im Präriegras liegt und von der niemand sagen kann, um wen es sich handelt!"
Es war eine offene Drohung. Der Tonfall war eisig, aber Lawrence blieb ruhig.
"Mir gefällt die Art nicht, in der Sie die Dame hier behandeln - ganz gleich, was für einen Schurken sie auch immer zum Bruder haben mag. Ich schätze, es ist das Beste, wenn Sie ihre Colts steckenlassen und abdrehen..."
"Du hast es nicht anders gewollt, du Wurm!", zischte Cameron wütend.
Vier Mann!, dachte Lawrence.
Wenn alle auf einmal zogen, war er erledigt, aber so würde es kaum sein. Einer würde als erster seinen Revolver herausreißen und zu feuern versuchen. Lawrence glaubte, dass es Cameron selbst sein würde, der zuerst schoss. Aber das hieß nicht, dass er die anderen aus den Augen lassen durfte.
Lawrence blickte von einem zum anderen, seine Rechte befand sich in der Nähe des Revolvergriffs. Noch war es eine Hängepartie, noch war nichts entschieden und kein Blei in der Luft...
Aber es war allen Beteiligten klar, dass dieser Zustand kaum mehr als ein paar Sekunden dauern konnte.
Einen Augenaufschlag lang hing noch alles in der Schwebe. Dann ging es plötzlich los.
Es war nicht, wie erwartet, Cameron selbst, der als Erster die Nerven verlor und den Colt aus dem Gürtel riss, sondern der Mann rechts neben ihm.
Er war schnell, sehr schnell sogar.
Der Colt lag bereits in seiner Pranke, als Lawrence sein Eisen noch nicht einmal zu Hälfte herausgezogen hatte - und dann feuerte er auch schon.
Aber Schnelligkeit ist nicht alles. Der Mann schoss überhastet und unsicher.
Der Schuss pfiff an Lawrence vorbei.
Und dann schoss dieser zurück, nicht ganz so schnell, aber mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit.
Der Kerl, der geschossen hatte, schrie vor Schmerz auf und fluchte, als ihm die Kugel in den Unterarm fuhr. Sein Colt fiel in das braune, trockene Gras.
Lawrence wirbelte im Sattel herum und feuerte ein zweites Mal, jetzt auf den Mann zur Linken von Cameron.
Der Mann hatte bereits angelegt und den Hahn seiner Waffe gespannt, aber zum Schuss kam er nicht mehr.
Eine Kugel fuhr ihm in die Schulter und riss ihn herum. Er stöhnte auf, versuchte erneut die Waffe zu heben, aber nun machte es klick! und Lawrence hatte seinen Revolver erneut gespannt.
Alles erstarrte.
Hände umschlossen die Griffe von Revolvern.
Cameron hatte seinen bereits zur Hälfte hochgerissen, aber als er jetzt in Lawrence' Mündung blickte, war auch er wie zu Stein erstarrt.
Sie hatten gesehen, dass dieser fremde Reiter ein ganz außergewöhnlicher Revolverschütze war, den sie nicht so einfach hinwegpusten konnten, wie sie sich das gedacht hatten.
Mit einem derart entschlossenen Widerstand schien die Meute nicht gerechnet zu haben. Und jetzt hatten sie Angst.
"Wer sich bewegt, ist ein toter Mann!", sagte Lawrence ruhig und kalt. Und und in seiner Stimme lag absolute Sicherheit.
"Du wärst ebenfalls tot!", stellte Cameron dann fest, als er sich wieder gefasst hatte.
Lawrence zuckte mit den Schultern.
"Schon möglich. Aber zuvor wird es noch einige von euch treffen! Die nächsten Schüsse werden nicht nur in den Arm oder die Schulter gehen, da könnt ihr sicher sein! Und um mich zu erledigen, bevor ich nicht mindestens zwei von euch umgelegt habe, dazu seid ihr nicht gut genug - das hat man gerade gesehen!"
Die Wölfe ahnten, dass Lawrence Recht hatte.
Der fremde Reiter rechnete mit ihrer Feigheit. Sie hatten geglaubt, leichtes Spiel mit ihm zu haben, aber jetzt wussten sie, dass sie sich vorsehen mussten.
Und schon war ihr Mut dahin...
"Waffen weg!", meinte Lawrence dann. "Ich sage es nicht zweimal!"
Die Kerle schauten jetzt grimmig drein.
"Okay, okay..."
Cameron war der Erste, der seinen Colt wieder im Gürtel hatte. Die anderen folgten seinem Beispiel.
"Und jetzt verschwindet...!"
Sie ließen sich das nicht zweimal sagen, sondern rissen ihre Pferde herum und preschten davon. Der Kerl, dem der Colt ins Gras gefallen war, machte nicht einmal Anstalten, die Waffe aufzuheben...
Während die anderen dann weiterjagten, zügelte Bo Cameron plötzlich seinen Gaul, riss ihn herum und zeigte Lawrence ein grimmiges Gesicht.
"Wir sehen uns noch, du Hund!", rief er mit heiserer Stimme, die vor Wut bebte. "Und dann wird es dir schlecht ergehen! Darauf kannst du Gift nehmen! So etwas kann keiner ungestraft mit mir machen!"
Dann gab er seinem Pferd die Sporen und jagte hinter den drei anderen her.