Читать книгу Das Leben ent-ERNST-en - Cornelia Hürlimann - Страница 12
ОглавлениеLeukerbad, eine Reise wert
Meine zweite Heimat in der Schweiz ist Leukerbad. Da zieht es mich oft hin, egal zu welcher Jahreszeit. Einige Bekannte und Freunde sind uns nach unseren Schwärmereien gefolgt.
Einmal saßen wir als Familie in einer Gondel. Plötzlich erkannte unser Sohn aus unser Wohngemeinde die Familie Herzig. Voller Aufregung sagt der 9-jährige Sohn: „Mama schau, wie Herzig die Familie Herzig skifährt“.
Solche Momente mit liebevollem kindlichen Humorgehalt anzuerkennen, frei von persönlichem Angriff, erscheint mir eine hohe Lebenskunst. Egal, wie diese Familie skifährt, das Wichtigste ist die innere Atmosphäre, die ausgelöst wird beim Skifahrenden und beim Betrachter. Wenn bei allen eine positive Sichtweise der Freude vorausausgeht, stärken wir unser kollektives Bewusstsein.
„Neumödisches Züügs“
Ein anderes Mal saßen wir mit Freunden in der Gondel. Die Mutter, zuständig für den Sonnenschutz, strich mit der neumodischen Tube das Gesicht ihres Mannes ein. Sie drückte auf die Tube und es wollte einfach nicht mehr rauskommen, obwohl diese Tube neu gekauft wurde. Dieser Roller an der Spitze ging nur harzig über die Backen, Stirn und Nase. Das Gesicht von meinem Gegenüber erhielte eine glänzende, wachshaltige Schicht verpasst und ich fragte die Freundin, weshalb sie so viel Lippenpomade ins Gesicht streiche? Jetzt war es klar und die volle Kabine mit sechs Insassen fiel ins Grölen. Ich erklärte der Mutter, dass diese Tube in Doppelfunktion zu benutzen sei. Einerseits als Lippenpomade, und nachdem man den gesamten oberen Teil der Lippenpomade abschraubt, kann das „Neumodische Zeugs“ als Sonnencreme gebraucht werden. Nun ja, neu würde nicht NEU heißen, wenn wir es schon kennen.
„Walliser Roggenbrot“
Wer liebt es nicht und genehmigt sich gerne beim Frühstück eine, zwei oder drei dünne Scheiben! Während des Tages setzt dann meist der Stoffwechsel ein und bei freier Fahrt auf der Piste erlaubt sich so mancher „Verklemmter Furz“ durch die freien Pobacken aus der Enge zu fliehen. Auch ich schenkte meinen Gasen sehr wohl den nötigen, befreiten Raum. An einem Tag gab es nicht genügend Schnee, so dass wir mit den Skiern die Talabfahrt hätten machen können. Wir mussten die große Gondel benutzen, um hinunter ins Dorf Leukerbad zu gelangen. Mein Sohn meinte in der vollbesetzten Gondel plötzlich relativ laut: „ Mama, doh het öpper gfurzt – und dä stinkt wie dini“! (Mama, hier hat jemand gewindet, und dieser stinkt wie deine.) Nun ja, meine Pobacken haben in diesem Moment kläglich versagt. Trotz leisem Entfliehen und Loslassen kam es dazu, dass ich herzhaft zu lachen begann und versuchte, die Situation zu entspannen. Das ist übrigens ein Muster von mir. Wenn es mir äußerst peinlich ist, werden sämtliche Lachmechanismen in mir aktiviert und ich kann mich beinahe nicht mehr einrenken.
Sonntagsgeburtstag
Bei starkem Schneefall liefen wir an einem meiner Geburtstags-Sonntage in dieser wundervollen Stille zum Bodmerstübli, ca. eineinhalb Stunden von unserm Ferienhaus entfernt. Dort angekommen, genehmigten wir uns einen halben Liter Weißwein. Typischer, ‚leichter‘ Walliser-Johannesberg. Unsere mittlerweile volljährigen Kinder waren eingeladen, mitzutrinken, mit mir auf meinen Geburtstag anzustoßen. Doch beide verneinten. Oh weh, ich weiß – Weißwein ist nicht optimal für mich! Der Schneefall nahm in der Zwischenzeit zu und irgendwie fühlte ich eine Schwere in meinen Beinen, als ich wieder draußen an der frischen Luft stand. Ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Vorwärts zu gehen war eine Anstrengung. Als dann beide Kids noch den Lobspruch gaben, dass ich schwanke, lag ich im Schnee und konnte alleine beinahe nicht mehr aufstehen. Lachen erschwerte zudem das Aufstehen und meine Kinder amüsierten sich hochkarätig über ihre lachende, beschwipste „Mutti“. Die Rückkehrzeit zog sich in die Länge, denn der Schnee wurde immer mehr und mehr. Diese Droge lag zentnerschwer in meinen Beinen und ich werde mich hüten, eine solche Erfahrung reicht!
Schlittenfahrt auf dem Bauch
Es war eher neblig, und zum Skifahren auf Torrent wenig ansprechend. Deshalb legten wir einen Schlitteltag auf dem Gemmi ein. Wunderbar warm eingepackt mieteten wir die Schlitten und sausten die Piste hinunter. Papa voraus. Den Kindern vorzeigend natürlich bäuchlings, denn so schlittelte ‚Mann‘ ja schon als Kind den Hang hinunter. Eben frech und möglichst schnell. Es hatte ca. 20 cm Neuschnee. Ich nahm es gemütlich und saß auf dem Schlitten, ohne Eile. Wie durch ein Wunder hörte ich an einer meiner Schlittenkufen etwas metallartiges kratzen und bremste meinen Schlitten. Auf allen Vieren verfolgte ich meine Schlittenspur und fand tatsächlich den Schlüsselbund von meinem Mann im Schnee. Ich traute meinen Augen nicht. Dass ich den fand; da waren anscheinend kluge Helfer am Werk. Ich steckte die Schlüssel ein und schloss den Reißverschluss. „So, warte nur“, ging es mir durch den Kopf. Unten angekommen, traf ich auf meine Familie. Wir fuhren mit der Gondel wieder hoch und wiederholten die Schlittenfahrt weitere Male. Als wir bei der großen Luftseilbahn in der Kolonne standen – um von der Gemmi wieder nach Leukerbad zu kommen – sah ich, wie mein Mann in allen offenen Taschen begann, nach seinen Schlüsseln zu suchen. Hände rein, Hände raus. Hosentaschenkontrolle. Sein Gesicht veränderte die Farbe, denn schließlich waren ALLE Schlüssel – auch die vom Geschäft – an diesem Schlüsselbund. Ich fragte mal so beiläufig, was er den suche. Ungern gab er mir eine Antwort auf diese Misere. Ich spürte, wie in mir die ‚Schaden-Freude‘ hochkam und zückte den Schlüsselbund. „Suchst du diese?“, fragte ich ihn. Er: „Ja! Wo hast du diese gefunden?“ – „Nun, die lagen im Schnee und ich bin mit meinem Schlitten darübergefahren“, sagte ich. „Ja, und mein Militärmesser, das ich seit der RS habe, hast du das auch gefunden?“, fragte mein Mann ernsthaft. Mein Mund blieb offen. Wie konnte er eine derartige Frage stellen? Weder ein ‚Zum Glück hast du die Schlüssel gefunden‘ noch ein ‚Danke‘ bekam ich zu hören. Ich verstand in dem Moment die Welt der Wichtigkeitsmaterie nicht.
Hinterher war er bestimmt froh, doch diese Erkenntnis folgt oft zeitverzögert.