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Prophetin auf dem Barfüsserplatz

Meine Freunde lieben mich für meine Andersartigkeit und auch wenn ich mich auf komischen Flohmärkten aufhalte. Nachdem ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin, war ich auf der Suche nach einer neuen Gemeinschaft. Ich hatte den Eindruck, dass ich irgendetwas „Seelenbalsammäßigem“ angehören müsse. Ich brauchte diese besondere Erfahrung, welche mir eine Bekannte an einem Nachmittag vorschlug. Ich trat in eine weiße Brüderschaft ein. Näher gehe ich auf diese Sekte nicht ein. Denn ich ging so weit, dass ich mir wie Franz von Assisi eine braune lange Robe überzog, um so Werbeflyer für diese Gemeinschaft zu verteilen, auf dem Basler Barfüsserplatz! Wenn ich heute zurückdenke, stelle ich fest, wenn mich jemand mitreißt und der Begeisterungsfunke überspringt, bin ich dabei und laufe mit. Nun, frühestens auf dem Barfüsserplatz in Basel war mein Herz gespalten. In diese Verkleidung zu steigen bedeutete plötzlich für mich, als ob ich mich zum Narren machen lasse. Meine Freundin besuchte mich mit ihrer Schwester über Mittag und alleine wegen des Prophetenoutfits unterließen sie aus Anstand und Respekt ihr Grinsen.

Es ging so weit, dass ich nach Amerika/Washington flog, um das Oberhaupt aus der Nähe kennenzulernen, den wir jeden Sonntag anbeteten. Da gingen mir die Ohren auf. Ich spürte, das gemeinsame Singen war das, was mein Herz höher schlagen ließ. Und nicht die Geschichten von diesem geliebten Bruder, der im Rollstuhl saß (weil er, übergewichtig, soviel Bürde der Menschen zu tragen hat). Sein 4000 Dollar teures Outfit haute mich um und ich erwachte während des zehntägigen Aufenthalts zusehend. Bei einigen Aussagen wusste ich: Genau das will ich nicht! Nein, das kann es nicht sein. Wären da nicht auch noch andere Menschen gewesen, die mich baten, die zehn Tage durchzustehen. Die Zwischenräume der freien Zeiten verbrachte ich meistens mit dem Mann von meiner Kollegin, die mich in diese Sekte führte. Am freien Tag fuhr ich mit ihm mit dem Velo in der Gegend herum. Es war sehr heiß und wir lachten viel. Als ich einen Brunnen entdeckte – in Form eines Springbrunnens, der wie ein Tunnel aus dem Boden einen Torbogen spritzte – sah ich, wie einige Menschen darin hin und her sprangen. Oh, ich will auch. Pudelnass ließ ich mich bespritzen, bis mein Begleiter ebenso freudvoll mit in dieses Abenteuer einstimmte. Wir lachten, amüsierten uns. Als ob die inneren Kinder Heimat entdeckt haben. Der Begleiter meinte, sowas hätte seine Frau nie mitgemacht. Oh, so ein armer Mensch. Während des Heimflugs über den großen Teich wusste ich: Dieser Flug trug mich aus dieser Gemeinschaft fort. Und ich war froh, diesen Lernweg wieder zu beenden.

Ich will Singen und so das Gemeinschaftsgefühl spüren. So trat ich in einen Gospelchor ein. Diese Erfahrungen zeigen mir auf: Wenn ich vor einer Pizzeria stehe und die Speisekarte studiere, gelingt es mir nie, zu wissen, wie die Pizza da drinnen schmeckt, bis ich sie in meinem Gaumen ausprobiere. Ich bin ein Mensch, der Entscheidungen trifft, um Erfahrungen zu erhalten und danach mitzureden und nicht umgekehrt!

Das Leben ent-ERNST-en

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