Читать книгу Tomorrow - Cyril Dion - Страница 16
ОглавлениеDie Ernährung war also das vorrangige Problem. Überbevölkerung, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, Zerstörung der Natur, alles lief darauf hinaus, dass wir Menschen zum Teil vernichtet werden würden. Die Frage musste deshalb lauten: Wie lassen sich mehr als zehn Milliarden Menschen ernähren, während man gleichzeitig die Ökosysteme regeneriert und die Erderwärmung aufhält?
Seit vielen Jahren zerbrechen sich Menschen an allen Enden der Welt den Kopf über diese Frage. Und sie fanden Antworten, die man in zwei Kategorien aufteilen kann: industrielle Antworten mit dem Versuch, die leistungsfähigste Technologie einzusetzen und zu standardisieren, damit sie sich so schnell wie möglich auf der ganzen Erde ausbreitet; und ganzheitliche Antworten, die einerseits danach fragen, welche Dynamiken und was für ein Denken uns in die heutige Lage gebracht haben, und andererseits, welche Zukunftsvision uns helfen könnte, da wieder herauszufinden.
Die industrielle Antwort kommt in der Regel von zentralisierten Organisationen: Staaten, multinationalen Agrarkonzernen etc. Auf der Homepage von Monsanto, dem globalen Verkaufsführer von Saatgut, GVO10 und Pflanzenschutzmitteln, kann man lesen: „Das Wachstum der Weltbevölkerung und deren Ernährung verlangt von der Landwirtschaft eine Steigerung der Ernteerträge um 70% bis zum Jahr 2050 […] Um den gestiegenen Nahrungsmittelbedarf zu befriedigen, haben Landwirte auf der ganzen Welt die Aufgabe, das folgende Dilemma zu lösen: Entweder sie erzeugen mehr pro Acker oder sie vergrößern ihre Anbauflächen […] GVO können einerseits die Erträge pro Hektar steigern, andererseits tragen sie dazu bei, dass Gebiete mit einer großen Artenvielfalt geschützt werden und erhalten bleiben.“11
Wenn man das liest, könnte man meinen, der stark in Verruf geratene multinationale Konzern würde unsere Ernährungslage genauso bewerten wie militante Ökologen und Wissenschaftler. Die gleichen Antworten darauf gibt er allerdings nicht. In der Rubrik „Pflanzenschutzmittel“, darunter das bekannte Roundup®, das kürzlich von der WHO12 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde, steht auch zu lesen: „Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und dem Verlust von Ackerböden ist es strategisch wichtig, hohe Ernteerträge zu erzielen. Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmittel spielen eine entscheidende Rolle in der Landwirtschaft, denn ohne sie würden die Erträge (je nach Pflanzensorte) um 60 bis 80% sinken (Bestimmung 2092/91).“13
Die Idee dahinter ist diese: Für die Produktion von reichlich preiswerter und angeblich gesunder (wobei dieses Argument angesichts der stark vermuteten Schädlichkeit14 vieler Pestizide und Herbizide wie Roundup® rätselhaft bleibt) Nahrung benötigen wir dringend hochentwickelte Saaten, dazu chemische Produkte, die die Natur in Form von Schädlingen, Pilzen und Unkräutern bekämpfen bzw. unter Kontrolle bringen. Dies ist die gängige Vorstellung von Landwirtschaft, die im Westen nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine starke Industrialisierung einsetzte, allgemein verbreitet wurde.
Im Gegensatz dazu behaupten die Vertreter einer ganzheitlichen Lösung, dass genau diese Art der Landwirtschaft nach und nach die Ökosysteme zerstört und genau das Gegenteil bewirkt, nämlich das Risiko erhöht, die Menschheit nicht mehr ernähren zu können.
Also, was stimmt nun? Um Licht ins Dunkel zu bringen, sind wir nach Brüssel gefahren und haben uns mit Olivier De Schutter unterhalten. Er war von 2008 bis 2014 Berichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung. Olivier ist ein besonnener, ernsthafter Gesprächspartner, der darauf Wert legt, das Problem in seiner Gesamtheit zu betrachten und nicht pauschal die eine oder andere Seite dafür verantwortlich zu machen. Bevor er das Amt des Berichterstatters ausübte, lehrte er internationales und europäisches Recht an der Universität Louvain-la-Neuve in Belgien und im Europakolleg in Polen, wo er immer noch Dozent ist. Als Gastprofessor wurde er außerdem an die New York University und die Columbia University in New York eingeladen. Zwischen 2002 und 2006 leitete er das europäische Netz unabhängiger Experten für Grundrechte und war von 2004 bis 2008 Generalsekretär der Fédération internationale des Ligues des droits de l’homme15. Das klingt jedenfalls nicht gerade nach dem Werdegang eines hitzigen Ökofreaks.