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TODMORDEN

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Todmorden ist eine Stadt in der englischen Grafschaft West Yorkshire, die mit ihren 15.000 Einwohnern sicher nicht mit Detroit konkurrieren kann, in anderen Punkten aber sehr wohl. Denn genauso wie ihre große Schwester lebte sie lange von einer einzigen Industrie: Textilien. Und die Deindustrialisierung traf sie als Schlag ebenso hart und unvorbereitet wie die große Schwester. Die Arbeitslosigkeit ist in Todmorden fast doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt (das hat sie nicht mit Detroit gemeinsam, wo sie bei 40 % liegt). Ebenso wie in Detroit ist die Ernährung der Auslöser für eine Bewegung, die den Wandel der Stadt voranbringt.

Das Ganze geht auf die Initiative zweier ganz gewöhnlicher Frauen zurück, als die sie sich selbst gerne vorstellen, zwei Einwohnerinnen „wie alle anderen auch“: Pam und Mary. Pam Warhurst ist dunkelhaarig, schlank, mit Pagenschnitt und wirkt fast ein wenig streng. Sie trägt Jeans, hat eine modische Brille und kann sehr gut reden – mit ausgeprägt englischem Akzent. Ihre Sprache ist gut artikuliert, man merkt, dass sie eine gewisse Routine darin hat, öffentlich Stellung zu beziehen und dass ihre Ideen nicht von gestern sind. Sie vermittelt den Eindruck, viel gelesen zu haben, wie ein Lehrerkind, das nicht nach dem großen Geld strebt, weil man ihr beigebracht hat, dass Wissen der eigentliche Reichtum ist. So stelle ich mir ihre Eltern vor. Später erfahren wir, dass sie Arbeiter waren und militant für ihre Rechte kämpften. Ihre Tochter Pam wiegten sie mit den Geschichten der großen Kämpfe der Genossenschaftsbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts23 in den Schlaf. Heute führt diese das elterliche Restaurant weiter, das Bear Café – als Kooperative wohlgemerkt. Und ist gerade dabei, das Geschäft nach und nach ihrer Tochter zu übergeben. Mary Clear ist das genaue Gegenteil, zumindest wirkt es so. Kräftig gebaut, trägt sie das passende Outfit fürs Gärtnern: Blümchenbluse, eine Oversized-Jeans und mehrere abenteuerliche Haarreifen im graumelierten Haar. Ihre Augen sind meerblau und strahlen eine beeindruckende Wärme aus. Pam drückt einem die Hand, während Mary einem um den Hals fällt, ohne einen zu kennen. Pam hält Reden, während Mary begeistert auflacht, zustimmend nickt, einen zu Tränen rührt. Sie wartet, bis die andere, die sie als die Clevere des Duos anzuerkennen scheint, ausgeredet hat, um dann eine Bemerkung zu machen, die genau das Gegenteil aussagt. Sie sind um die fünfzig, lockern unser Gespräch mit viel Gelächter auf, lieben Humor, was sehr angenehm ist. Als wir im Bear Café an einem Tisch sitzen, erzählen sie uns, wie das Abenteuer begann.

„Vor sieben Jahren“, setzt Pam an, „bin ich zu einem Vortrag gegangen, wo die Leute über unseren Staat sprachen, über die Erde, die Klimaerwärmung, darüber, dass die Ressourcen allmählich knapp werden, und ich dachte: Schon seit Jahren reden wir darüber, aber ich habe noch nie von jemandem gehört, der irgendetwas tut.“

Besagter Vortrag findet in London statt und versammelt die Vertreter aller Countys des Landes. Pam ist für die Grafschaft Calderdale dabei, zu der Todmorden gehört. Später erzählt sie, dass zwei Sätze des Professors für Ernährungspolitik an der City University bei ihr den Funken zum Glühen brachten. Der Mann hielt eine Rede über den Klimawandel und sie fühlte sich von den Zahlen und dem ganzen Problem wie erschlagen. Sie konnte den Worten nicht mehr richtig folgen. Es war alles so schrecklich abstrakt, wie immer. Bis Tim davon redet, dass er früher eine Rinderfarm hatte und anfängt, die Zuhörer fast inständig zu bitten, mit dieser Art der Viehzucht aufzuhören. Ein paar Minuten später sagt er dann auch noch: „Hören sie auf, Blumen zu pflanzen, und ziehen Sie stattdessen lieber Gemüse.“

Pam kehrt beflügelt nach Hause zurück und ist davon überzeugt, dass sie keine Zeit mehr damit vertun sollte, ihren Hintern von einer Versammlung zur nächsten zu schleppen, um sich mit noch mehr Männern im Anzug auszutauschen. Sie muss etwas tun, und das soll ganz simpel sein, aber eine Wirkung haben und jeden miteinbeziehen. Sie hat eine Idee und läuft zu Mary, der Kulturbeauftragten der Stadt und, wie sie sagt, „der besten Netzwerkerin der Welt“, um ihr davon zu erzählen. In wenigen Tagen legen die beiden die Grundlagen für eine internationale Bewegung: Incredible Edible.24

Die Idee geht so: Sie will die Einwohner dazu ermuntern, überall in der Stadt Obst- und Gemüsebeete anzulegen, sie gemeinsam zu pflegen und die Ernte gratis miteinander zu teilen. Pam führt aus: „Essen ist etwas, was uns alle angeht, wir reden darüber, wir kaufen es ein, wir lieben es oder auch nicht … Essen gehört zu den wenigen Dingen, über die wir uns auch mit einem vollkommen Fremden unterhalten können.“

Die zweite Säule, auf die sich die Bewegung Incredible Edible stützt, ist der Entschluss anzufangen, ohne auf irgendeine Genehmigung von irgendjemandem zu warten: „Ich war in der Politik gewesen und kannte das Vorgehen zur Genüge. All die Berichte mit den guten Vorschlägen, denen Sitzungen folgten und Abstimmungen und weitere Berichte, dann Strategiepapiere … alles Quatsch. Wenn es uns wirklich um unsere Kinder geht, dann müssen wir die Sache anders aufziehen. Und nicht darauf warten, dass irgendjemand kommt und die Arbeit für uns erledigt.“

Also beschließen Pam und Mary, im Bear Café eine Versammlung einzuberufen, und laden alle ein, die sich von der Frage „Wollen Sie mitmachen beim Aufbau einer neuen Zukunft für unsere Kinder, die bei der Ernährung ansetzt?“ angesprochen fühlen. Sie sagen sich: Wenn fünf kommen, dann wäre das schon mal ein Anfang. Aber am Abend drängen sich 60 Einwohner von Todmorden im Saal des Obergeschosses zusammen.

„Wir haben von unserem Anliegen erzählt“, fährt Pam fort, und als wir fertig waren, herrschte zwei Sekunden Stille, dann ist der Saal explodiert und alle haben durcheinander geredet. Die Leute waren mit Bildern gekommen aus dem Krieg, als die Stadt überquoll von Obst- und Gemüsegärten. Wir haben die Idee nicht neu erfunden, es ging uns nicht darum, die ganz Schlauen zu sein. Wir haben die Leute einfach gefragt: Wissen Sie noch, was Sie können? Erinnern Sie sich daran, was wir früher alles geschafft haben und was uns für die Zukunft helfen kann? Das haben diese 60 Leute sich gegenseitig und auch allen anderen erzählt. Denn das können wir doch immer noch am besten: Geschichten erzählen. Die gehen uns ans Herz und das macht den Unterschied.“

Ein paar Tage später findet ein erstes Experiment in Marys Vorgarten statt, der am Fuß eines Hangs von einer kleinen Straße gesäumt ist. Das Team reißt die Mauer ein und erklärt den Garten zum öffentlichen Raum. Mary und ihr Mann graben die Rosenstöcke aus und pflanzen an ihre Stelle Grünkohl, Pfefferminze, Beerensträucher, Salat, Fenchel. Und sie stellen das inzwischen legendäre Schild auf: „Essen zum Teilen“. Passanten bleiben verwundert stehen, bis sich ein paar Monate später hier und da einer dazu durchringt, ein oder zwei Himbeeren zu pflücken, als sie reif sind.

„Interessant wurde es, als wir uns den Straßenrand einer kaum begangenen und nicht gerade beliebten Straße vorgenommen und ihn umgestaltet haben, ohne irgendeine Behörde um Erlaubnis zu bitten. Mary hatte mehr Saatgut, als man für ein ganzes Leben braucht, und das haben wir mit den freiwilligen Helfern ausgebracht. Ein Jahr später stellte die Gemeinde eine Bank dort auf, damit die Leute den Gemüsegarten genießen können. Übrigens ohne, dass wir sie darum gebeten hätten. Es ist nämlich oft die bessere Idee, gar nicht erst eine Erlaubnis zu beantragen, weil die Sachbearbeiter dann denken, sie müssten nein sagen. Es geht ihnen viel besser, wenn sie die Initiativen, die sie toll finden, aus freien Stücken unterstützen können“, lächelt Pam.

Von Monat zu Monat wächst das Team und nimmt die Stadt ein. „Ein paar Beete haben wir mitten auf den Grünstreifen der Straßen eingerichtet, damit man uns sehen kann“, wirft Mary ein. Denn es ist ihre Strategie, ‚Werbebeete’ anzulegen, damit sie ins Gespräch kommen. Diese kleinen Pflanzzellen verwandeln sich nach und nach zu wahren Gemüsebeetstraßen, in denen einige Abschnitte zu „essbaren Landschaften“ werden. Nick Green, promovierter Biochemiker, ehemaliger Unternehmer und jetzt Bauer, ist einer von den Meistern dieses Erfolgs. Er ist klein, rundlich, das Gesicht überwuchert von einem zotteligen Bart, auf dem Kopf sitzt ein praktischer Hut. Seine Stimme ist sanft und näselnd zugleich. Er wirkt wie die Figur aus einem Roman von Tolkien. Aber am meisten beeindruckt uns, wie glücklich er ist. Man sieht ihm an, wie befriedigend es für ihn ist, da zu sein, wo er sein muss, und das zu tun, was er machen muss.

„Anfangs bin ich nicht zu den Treffen gegangen. Aber irgendjemand hat gesagt, ich sei der beste Gärtner überhaupt, weil ich kleine Obstbäume im Supermarkt kaufte und die Leute fragte: Wo soll ich die hinpflanzen? Bis einer zu mir gesagt hat: Wenn Sie damit weitermachen, unterstützen wir Sie. Also habe ich weiter gemacht. Später habe ich gehört, dass die Gruppe jemanden für das Fundraising brauchte. Daraufhin war ich vier Jahre lang Schatzmeister und habe Geldgeber gesucht, sodass das Projekt wuchs. Wie sich herausstellte, taten wir das Richtige zum richtigen Zeitpunkt, eine Sache, für die sich der Einsatz lohnte. Diese Erfahrung hat etwas in meinem Kopf verändert. Heute mache ich mir keine Sorgen mehr über den Zustand der Welt, er belastet mich nicht mehr, auch nicht die Jugend, die nichts mehr kann, oder die ganze Verschwendung. Weil ich etwas Positives tue und meine Gedanken einzig darauf ausrichte, was ich als nächstes Positives tun kann.“

Unter Nicks Anleitung legen die Einwohner überall Beete an: in Schulhöfen und Rathausgärten, vor dem Bahnhof und am Krankenhaus; dort entsteht ein Arzneikräuterbeet neben einer Passage aus Johannisbeersträuchern, die wiederum auf einen von Kirschbäumen umgebenen Parkplatz führt. Vor dem Kommissariat gedeihen Mais, Gurken und andere Kürbisgewächse, und am Arbeitsamt können sich die Arbeitslosen mit Tomaten, Gurken, Rüben, Kartoffeln oder Zwiebeln versorgen. Innerhalb von sieben Jahren wurden alle Ecken und Enden der Gemeinde mit mehr als 1.000 Obstbäumen bepflanzt.

„Heute nutzen wir diese Bäume, um daraus neue zu ziehen. Jedes Jahr ziehen wir 500 bis 600 neue Sträucher aus Ablegern. Einige verschenken wir und andere verkaufen wir. Insgesamt haben wir auf diese Weise 3.000 bis 4.000 Bäume gezogen und 1.000 gepflanzt. Wenn das keine Investition in die Zukunft ist! Und jetzt, da die Bäume groß sind, können sich alle umsonst am Obst bedienen. Dieses Jahr habe ich auf dem ganzen Weg vom Krankenhaus bis zum Polizeikommissariat Kirschen gefuttert.“

Lachend setzt Nick hinzu: „Als wir angefangen haben, überall in der Stadt Beete anzulegen, wussten wir nicht, wo das Ganze hinführen würde, aber drei oder vier Jahre später war uns klar, dass es im nächsten Schritt darum ging, der Jugend beizubringen, wie sie ausreichend Obst und Gemüse für den Eigenbedarf anbauen kann – und darum, die Leute wieder auf dem Land zu beschäftigen.“


Nick Green in seiner Incredible Farm

Das kleine Team geht auf die Suche nach einem passenden Ackergrund und wird schließlich fündig: Zehn Minuten vom Stadtzentrum entfernt kann es ein sumpfiges Grundstück auftreiben. Nick begeistert sich für das Schulungsprojekt und zieht Incredible Farm auf, ein soziales Unternehmen, das Schüler und junge Erwachsene im Gemüseanbau anleitet, landwirtschaftliche Lehrlinge zu echten Landwirten ausbildet, außerdem Baumschule und Pflanzenzuchtbetrieb ist und obendrein mit seinen Erträgen die städtische Gastronomie beliefert.

In wenigen Jahren erlernt Nick die Grundlagen der Permakultur, verzehnfacht die Erträge und bildet Hunderte von Interessierten aus. Wie Malik in Detroit, so sind auch die Begründer von Incredible Edible überzeugt, dass wir den ländlichen und den städtischen Raum heute wieder viel enger aneinander binden müssen.

„In unserer heutigen Landwirtschaft wird die menschliche Arbeitskraft auf ein Minimum reduziert und der Einsatz von Maschinen maximal ausgebaut. Aber wir wollen genau das Gegenteil: mehr Arbeitsplätze, mehr Landwirtschaftsbetriebe. Im globalen Maßstab wird die Erdbevölkerung hauptsächlich von kleinen, familiär geführten Bauernhöfen versorgt, die oft sehr viel bessere Erträge bringen als die Großbetriebe. Auf eines, das muss man ihr lassen, versteht sich die Agrarindustrie gut: Geldscheffeln. Aber Geld macht uns nicht satt, für die Zukunft brauchen wir eine tragfähige Nahrungsmittelversorgung für alle. Und dafür müssen die Menschen das Land selbst besitzen und bewirtschaften dürfen …“, grummelt Nick.

Incredible Farm erzeugt umgerechnet 14 Tonnen Nahrung pro Hektar, und Nick glaubt, dass er damit vom Optimum noch weit entfernt ist. Dennoch haben er und sein Team schon bewiesen, dass man auch unter widrigen Umständen hohe Qualität erzeugen kann, indem man in Gegenden, die für den Gemüseanbau als ungünstig gelten, die den topographischen und klimatischen Gegebenheiten entsprechenden Methoden anwendet. Rund um Todmorden sind die meisten Böden beispielsweise ziemlich feucht. Als wir an einem Julitag nach zwei Sonnentagen durch die Gassen der Stadt schlenderten, zupfte ich Mary am Ärmel und zeigte ihr ein paar Beete mit hängenden Blättern und bemerkte: „Die sollte man vielleicht mal gießen.“ Dabei hatte ich natürlich unsere Dreharbeiten im Kopf und den Eindruck, den dieses Gemüse machen würde. Sie wandte sich zu mir um, als verstünde sie nicht. Ich stutzte und überlegte einen Moment, ob meine Frage wirklich so doof war oder ob sie mein holpriges Englisch nicht verstanden hatte. Dann versuchte ich es mit: „Ihr gießt überhaupt nicht?“ Diesmal erhellte ein breites Lächeln ihr Gesicht: „Nein. Es regnet ja jeden Tag.“

Innerhalb weniger Jahre bildet Nick bei Incredible Farm Hunderte Interessierter aus, mit der Folge, dass ganze Branchen neu belebt werden und heute wieder Fleischer, Bäcker und Gemüsegärtner auf Marktplatz und -halle ihre lokalen Erzeugnisse anbieten oder diese an die städtische Gastronomie liefern, damit sie ihre Speisekarten aufwerten kann. Dank der ‚Werbebeete’ und des Engagements von Pam und Mary beginnt die ganze Stadt, eine neue Geschichte zu erzählen: die eines Marktflecken in West Yorkshire, der seine Lebensmittelversorgung wieder selbst in die Hand nimmt. Die Gemüsebeete decken nicht den ganzen Bedarf des Ortes, weit gefehlt, aber sie sind der Startschuss für eine tiefgreifende Erneuerung. So erklären inzwischen 83% der Einheimischen, dass sie einen Teil ihrer Lebensmittel aus lokalem Anbau einkaufen, und das in einem Land, das weniger als 50% seines Nahrungsmittelbedarfs selbst produziert. Aber das Erstaunlichste kommt noch.

Während die kleine Aktionsgruppe beschließt, die örtlichen Behörden zu übergehen, kommt diese auf ihre Einwohner zu, genauso wie Pam es prophezeit hatte. Nach dem ersten Schrecken, erzählt sie, suchten die Beamten das Gespräch mit den Spinnern, die die Grünstreifen bepflanzen. „Wir haben zu ihnen gesagt: Wir wollen kein Geld von euch, aber wenn wir mal in der Klemme sind und euch brauchen, können wir euch dann um Hilfe bitten? Damit waren sie einverstanden. Ein paar Jahre später stellte sich heraus, dass wir unsere Anbauflächen vergrößern mussten. Wir hatten bisher nur hier und da kleine Grundstücke und Grünstreifen bepflanzt, jetzt brauchten wir mehr. Wir wollten unseren 15.000 Einwohnern zeigen, wie sie sich selbst versorgen können.“ Da springt der Funke auf die lokale Regierung über und Robin Tuddenham, Bezirksverwalter der Gemeinde Calderdale, zu der Todmorden gehört, macht das Anliegen zur Chefsache, indem er sich leidenschaftlich dafür einsetzt. In wenigen Wochen sind sämtliche Brachflächen seiner 200.000 Einwohner starken Verwaltungseinheit, die sich nicht als Baugrundstücke eignen, in einer Datenbank erfasst und werden ins Internet gestellt. Ab sofort braucht jeder Einwohner, der eine dieser Flächen bewirtschaften möchte, lediglich ein Foto davon aufzunehmen, einen Antrag zu stellen und einen symbolischen Betrag zu zahlen, damit er das Recht erwirbt, den gewünschten Boden zu bewirtschaften. Die Grafschaft Calderdale ist so stolz auf dieses Programm, dass sie jetzt versucht, es in andere englische Amtsbezirke zu exportieren. „Das Land gehört nicht der Regierung, es gehört den Einwohnern“, betont Robin. „Wir müssen als Verwaltung dafür sorgen, dass die Bevölkerung es sich wieder aneignet. Aber wenn die Behörden sie nicht dabei unterstützen, dann ist es immer das gleiche: Aktivisten und Vereine reiben sich auf und müssen alle möglichen Stellen abklappern. Die örtlichen Regierungen sollten über diese Dinge miteinander ins Gespräch kommen und die Zentralregierung überzeugen, dass dies der Weg ist, den wir unserer Zukunft zuliebe einschlagen müssen. Um unsere Herangehensweise im ganzen Land bekannt zu machen, arbeiten wir hier mit einer Organisation namens Locality zusammen. Die öffentliche Verwaltung kann ihren Führungsstil der vergangenen 40 Jahre, bei dem sie Experten befragt und den Leuten dann sagt, was für sie das Beste sei, nicht so beibehalten. Dafür fehlen uns inzwischen sowohl die Ressourcen als auch die Zeit, außerdem hat sich die Bevölkerung verändert, die Leute werden älter, haben höhere Ansprüche, wollen über ihr Leben selbst bestimmen. Und sie können das! Also, warum sehen wir in einer stärkeren Bürgerbeteiligung nicht die Lösung, anstatt sie immer nur als Problem zu betrachten?“

Von Pam wissen wir, dass das Abenteuer von Incredible Edible „eine Geschichte ist, die die Leute zu lieben scheinen. Weil sie ihr Herz genauso anspricht wie ihren Verstand.“ Sie lieben diese Geschichte so sehr, dass sie begonnen haben, sie an ihrem eigenen Wohnort nachzuahmen. Zunächst in England, wo über 80 Städte dem Beispiel von Todmorden folgten. Dann in Frankreich, wo François Rouillay und Jean-Michel Herbillon den Stein ins Rollen brachten und inzwischen in mehr als 400 Städten und Dörfern Initiativen dieser Art entstanden sind. Außerdem machen Niger, Australien, Russland, Deutschland, Argentinien, Mexiko, Südafrika und Manila mit. Bisher lassen sich insgesamt mehr als 800 Orte weltweit von der Mode der Lebensmittel zum Teilen anstecken. Manche Projekte stecken noch in den Kinderschuhen, aber die Saat ist ausgebracht und die Geschichte breitet sich unaufhaltsam aus. Einige dieser Initiativen nennen sich Incredible Edible, andere nicht: „Darauf kommt es überhaupt nicht an“, sagt Mary, „wir wollen mit dem Konzept weder Geld verdienen noch ein Imperium aufbauen. Hier stehen ganz gewöhnliche Leute auf, um etwas zu tun, sie schließen sich zusammen, erhöhen ihre Kompetenzen – allein das zählt. Wir haben weder die Macht noch das Geld einer Regierung, aber der gute Wille und die gute Tat sind auf unserer Seite!“, sagt sie voller Eifer.

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