Читать книгу Tomorrow - Cyril Dion - Страница 25
ОглавлениеAlle diese Faktoren führen zur Verzehnfachung der Erträge. „In den USA hat insbesondere John Jeavons die Produktivität von Hügelbeeten eingehend erforscht. Die Zahlen sprechen für sich: Die höhere Pflanzdichte und der verbesserte Boden erlaubten auf der gleichen Fläche sechs-, sieben- oder achtfache Erträge. Bei bestimmten Kulturen sogar das Dreißigfache. Mit dem in Bec-Hellouin entwickelten Ansatz, der verschiedene bewährte Methoden kombiniert, haben wir im Schnitt und wenn wir alle Kulturen zusammennehmen, die zehnfachen Erträge.“
Für all diese Methoden braucht man vor allen Dingen manuelle Geräte, die sehr einfach und geradezu genial sind. Eins davon ist die Präzisions-Sämaschine, entwickelt von einem Meister der Permakultur: Eliot Coleman. Sie wird auf 80 cm breiten Flachbeeten verwendet und ermöglicht die Aussaat von bis zu 26 Reihen Gemüse und deren Mischung, wo ein Traktor nur drei Reihen der gleichen Sorte hinbekommt. „Wir bearbeiten unser Land so, wie es die alten Gemüsegärtner im Paris des 19. Jahrhunderts taten. Da wurden auch zwei, drei oder vier Gemüsesorten miteinander kombiniert. Das ermöglicht uns in der Regel bis zu acht Fruchtfolgen, also acht Kulturen im Jahr auf ein- und demselben Beet. Während der Durchschnitt beim Biolandbau bei ungefähr 1,2 Fruchtfolgen liegt. Wir versuchen eine ganz kleine Fläche so gut wie möglich zu nutzen. Wenn wir auf einem Quadratmeter acht Kulturen anbauen, dann entspricht das acht Quadratmetern in der konventionellen Landwirtschaft. Damit haben wir gleichzeitig die Pflege verdichtet: kompostieren, bewässern, jäten. Letzten Endes ist das sehr viel effektiver!“
Dank ihrer umfassenden Kenntnisse konnten die Pariser Gemüsegärtner die Stadt mit ihren damals rund 1,8 Millionen Einwohnern während der ganzen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts autark mit Obst und Gemüse versorgen und sich sogar den Luxus leisten, ihre Erzeugnisse nach England zu exportieren. Ihre Parzellen waren im Schnitt 4.000 Quadratmeter groß, eine Arbeitskraft kam auf 1.000 Quadratmeter und sie erzielten beim Gemüse bis zu acht Fruchtfolgen im Jahr. Demgegenüber kommt heute eine Arbeitskraft auf mehrere Hektar und die Fruchtfolgen sind wesentlich geringer. Für ihre beeindruckenden Erträge benötigten die Pariser Gemüsegärtner ganze 600 Hektar. Um das ganze Jahr liefern zu können, oder fast, wandten sie noch einen Trick an, den Charles und Perrine natürlich auch kopiert haben: Warmbeete. Diese alte Technik besteht darin, die Gärhitze des Misthaufens zu nutzen, während er sich zersetzt. Man nimmt einen hübschen Haufen Mist, den man schön quadratisch zu 50-60 cm Höhe aufschichtet und hat ab Januar auf natürliche Weise eine 25 bis 28 Grad warme Pflanzerde. Die Wärme hält etwa eineinhalb Monate und lässt die Kulturen noch besser angehen. Wenn man die Wärmeschicht Anfang Januar einbringt, kann man ab Ende Januar auf der Schicht darüber ernten. So ziehen wir jährlich unsere fünfte oder sechste Kultur. Und was von der Schicht übrig bleibt, wird zum Kompost für die nächste Saison.“
Natürlich werden alle diese Methoden miteinander kombiniert, um sie zu optimieren, auch im Gewächshaus, wohin uns Perrine führt. „Hier haben wir ein Warmbeet, aber mitten im Sommer. Es ist sehr feucht, dicht, nährstoffreich, voller Regenwürmer. Meine ganz frühen Kulturen, die ich mitten im Winter ansetze, profitieren von der Hitze der gärenden Mistschicht, und im Frühjahr habe ich dann ein reichhaltiges organisches Material zur Verfügung, das die Feuchtigkeit hält. Auf diese Weise benötigen die Kulturen so gut wie keine Bewässerung. Diese Technik ist hervorragend. Auf dieser Schicht hier sehen Sie ein Beispiel für eine Mischkultur, die sich für den Sommer eignet: Man setzt das Basilikum unten hin, darüber pflanzt man die Tomaten und lässt den Wein das Ganze überranken. Da die Tomate eine Liane ist, holt sie sich ihr Licht von oben, das Basilikum verträgt dagegen gut Halbschatten, und alle beide kommen mit wenig Wasser aus. Das Basilikum verströmt einen starken Geruch und vertreibt somit mögliche Schädlinge, die sich gerne über die Tomaten hermachen. Wenn man das Basilikum nicht verbraucht und es Samen entwickelt, kann man es als Mulch verwenden, d. h. man bedeckt den Boden damit, sodass die Feuchtigkeit gehalten wird und die allmähliche Verrottung des organischen Materials den Boden stetig mit Nährstoffen versorgt. Über den Tomaten bildet der Wein eine Art Schutzdach und gibt Feuchtigkeit ab, was für die Pflanzen darunter nicht uninteressant ist, vor allem in unseren Sommern der letzten Jahre, in denen es sehr heiß geworden ist. Und als Sahnehäubchen obenauf gibt es auch noch Weintrauben. Wir haben hier also verschiedene Erträge, aber das Ziel einer Pflanze besteht nicht nur darin, Erträge zu bringen, vielmehr muss sie auch ihre Rolle im Ökosystem wahrnehmen. Das finde ich so genial an der berühmten Permakultur: Jedes Element erfüllt mehrere Funktionen.“
Einige Dutzend Meter von den Gewächshäusern entfernt besichtigen wir mit Charles den Forstgarten, „die Nachbildung des natürlichen Waldes, mit dem Unterschied, dass hier alle Pflanzen genießbar sind.“ Die Vegetation gedeiht wie in einem Urwald auf mehreren Etagen. Obstbäume ragen hoch auf und darunter stehen Beerensträucher und näher am Boden Pflanzen mit kleinen Früchten. „Diese Umwelt braucht null Arbeit, kein Erdöl, keine Bewässerung, keinen Dünger. Das ist äußerst ökonomisch! Der Wald bringt eine Überfülle an guten Früchten hervor und ist zudem eine kleine, völlig autonome Oase der Biodiversität, die CO2 speichert und ihren eigenen Mutterboden erschafft. Hier blüht es jedes Jahr, ganz egal, ob das Wetter gut ist oder schlecht, trocken oder regnerisch.“
Der Standort eines Baumes ist in Bec-Hellouin aus den oben erwähnten Gründen wichtig, aber er spielt auch eine Rolle für die Nahrungsmittelversorgung. „Zurzeit ernährt sich die Menschheit von etwa 20 Pflanzen, und 60% unserer Nahrung beruht auf Weizen, Mais und Reis, allesamt einjährige Getreidesorten. Dabei haben wir uns während unserer langen Evolution, in der wir als prähistorischer Mensch durch die Natur sprangen, im Wesentlichen von Früchten, Beeren, Blättern und Wurzeln ernährt: von ausdauernden Pflanzen. Unser Organismus ist auf diese Art Nahrung eingestellt. Unsere heutige Ernährung, die auf Getreide, Fleisch und Milchprodukten basiert, ist weder gut für die Gesundheit noch für unsere Erde. Unser Speiseplan ist sehr reduziert und die Einbußen der Vielfalt in unserer Ernährung fügen uns und der Natur großen Schaden zu. Eine nachhaltige Zivilisation kann man nur aufbauen, wenn man Früchte stärker nutzt als einjährige Pflanzen. Bäume sind ausdauernd: ein Pflaumenbaum, ein Apfelbaum, eine Birne kann 50, 60, manchmal sogar 100 Jahre alt werden. Einmal gepflanzt wird er Jahr für Jahr tragen.“
Indem er all diese Methoden und Techniken kombiniert, bringt der kleine Hof Bec-Hellouin absolut außergewöhnliche Erträge, ohne einen einzigen Tropfen Erdöl oder den geringsten Krümel Pflanzenschutz- oder Düngemittel zu verwenden.
Damit die Richtigkeit ihrer Vorgehensweise bestätigt wird, haben sich Charles und Perrine um eine dreijährige Studie bemüht, die das INRA27 und AgroParisTech28 bei ihnen durchgeführt haben. Die abschließenden Ergebnisse wurden im Frühjahr 2015 veröffentlicht und belegen, dass es möglich ist, auf 1.000 Quadratmetern Land eine nachhaltige und angemessen bezahlte landwirtschaftliche Tätigkeit aufzubauen. Im dritten Jahr der Untersuchung konnte für diese Fläche ein Jahresumsatz von 56.000 Euro und ein monatliches Nettogehalt von rund 2.000 Euro erzielt werden – und bei den höheren Gewinnmargen sogar 2.500 Euro. „Diese Umsätze sind vergleichbar mit denen, die unsere Kollegen aus der konventionellen Landwirtschaft mit einem Hektar, manchmal sogar mehr erwirtschaften. Das beweist, dass man auf einer ganz kleinen Fläche und indem man alles mit der Hand macht, genauso viel erzeugen kann wie mit einem Traktor auf einem zehnmal so großen Acker.“
Diese Leistung ist das Fundament für eine grundlegende Erneuerung der Landwirtschaft, die sich für Charles, Perrine und zahlreiche weitere Permakulturbauern in der ganzen Welt abzuzeichnen beginnt. Dazu malt sich Charles aus: „Man kann sich eine Gesellschaft mit lauter Minihöfen oder Gemüsegärtnereien überall vorstellen, in der Stadt, an den Stadträndern, sodass die Versorgung der Bevölkerung durch den lokalen Anbau für die jeweilige Ortsgemeinde sichergestellt ist und die Landschaft verschönert wird. Leute mit einem Garten von einigen hundert Quadratmetern können Teilzeitlandwirte werden, zu Hause, fast ohne Investitionen. Diese Form der Landwirtschaft hat viele Vorzüge: Sie ist wirtschaftlich rentabel; sie steigert die Lebensqualität der Gemüsegärtner, weil sie mitten in einem großen Garten arbeiten; sie bringt sehr schmackhafte natürliche Erzeugnisse hervor, für die sowohl Verbraucher als auch Sterneköche Schlange stehen; und sie leistet ihren Beitrag zur Regeneration der Erde, indem sie neuen Mutterboden schafft, die Biodiversität schützt und CO2 bindet.
Und ich möchte betonen, dass es hier nicht darum geht, alles im kleinen Maßstab nachzubilden, weil es so niedlich ist. Vielmehr geht es um eine Neugestaltung des Landes, weil man feststellt, dass sich die Gemüsezucht auf eine recht kleine Fläche begrenzen lässt. Wenn man auf 1.000 Quadratmetern produziert, wofür sonst ein Hektar mit Maschinen bearbeitet werden muss, bleiben 9.000 Quadratmeter übrig. Da kann man zum Beispiel Hunderte von Bäumen pflanzen, Tiere halten, einen Forstgarten anlegen, Bienenkästen aufstellen, einen Teich ausheben oder ein Haus bauen. Es eröffnet uns die Möglichkeit, auf einem Hektar Land einen vielseitigen Mini-Bauernhof einzurichten, einen wahren Mikrokosmos, wo es sich gut inmitten einer unglaublichen Biodiversität leben lässt. Der Hof bringt seinen eigenen Dünger hervor, denn Biomasse gibt es überall, in Bäumen, Hecken, Teichen, Tierdung.
Dieses System ist tatsächlich autonom und widerstandsfähig. Derzeit verbrauchen wir Menschen für eine Nahrungskalorie, die auf unserem Teller landet, 10 bis 12 Kalorien fossile Energie. Das ist total absurd! Zumal wir genau wissen, dass das Erdöl morgen oder übermorgen knapper und damit viel teurer wird. Dann können wir nicht mehr die Lebensmittel wie heute auf die Reise schicken, und das Klima wird uns immer größere Schwierigkeiten bereiten. Trotzdem müssen wir ja alle weiter etwas zu essen haben. Deshalb müssen wir uns etwas einfallen lassen, damit wir auch ohne Erdöl überleben. Die Landwirtschaft vollständig manuell zu verrichten, ist keineswegs eine Marotte von Nostalgikern des Landlebens. Es ist eine existenzielle Notwendigkeit, damit die Menschheit von morgen noch etwas zu essen hat. Wenn man sich im Übrigen unsere Erde anschaut, dann kommt das Gros der Bauern ohne Maschinen aus, sie produzieren mit ihrer eigenen Hände Arbeit. Eine landwirtschaftliche Permakultur, die sich die Quintessenz der von unseren Ökosystemen geleisteten Dienste zunutze macht, macht großen Sinn für die Versorgung der lokalen Bevölkerung.“