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3.9.12 Qualitätskriterien im AC
ОглавлениеIm Laufe der Ausführungen über AC wurde immer wieder der Begriff Qualität gestreift, ohne näher zu beschreiben, was darunter zu verstehen ist. Schon im Altertum wurde debattiert, was unter Qualität zu verstehen sei und beispielsweise Anaximenes (585-524 v.Chr.) weist bereits darauf hin, dass Quantität und Qualität gar nicht grundsätzlich verschieden seien. Nach ihm kommt die qualitative Verschiedenheit aller Dinge lediglich aus der Vorhandenheit ihrer Elemente in verschiedener Quantität. Eine moderne Definition findet sich bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität (dgq.de). Demnach ist Qualität nichts anderes als die Erfüllung von Anforderungen. Der Begriff Qualität enthält selbst also noch keinen Maßstab, er bedeutet zunächst nur die Erfüllung von vorher bestimmten Anforderungen. Wasser muss demnach nicht qualitativer als Coca-Cola sein, wenn die definierte Anforderung ein wachmachendes Getränk ist.
AC gelten als das prognosesicherste Instrument im Personalmanagement, wenn Qualitätskriterien eingehalten werden. Da Qualität die Erfüllung von Anforderungen bedeutet, müssen diese Anforderungen durch Attribute belegt werden. Dementsprechend ist ein AC-Verfahren hinsichtlich der Prognosegüte nur dann anderen eignungsdiagnostischen Instrumenten überlegen, wenn das AC qualitativ hochwertig konstruiert ist. Im Folgenden werden deshalb noch einmal wesentliche Design-Kriterien für AC zusammengefasst, orientiert sowohl an Erfahrungswerten als auch an Standardkriterien in der Literatur. Derartige Kriterien finden sich z. B. in den Qualitätsstandards des Arbeitskreises Assessment-Center e. V. (forum-assessment.de) oder in der DIN ISO 33430, welche Anforderungen für berufsbezogene Eignungsuntersuchungen beschreibt. Wir wollen im Folgenden daraus neun Qualitätsstandards definieren:
1. Anforderungsorientierung
2. Verhaltensorientierung
3. Prinzip der kontrollierten Subjektivität
4. Simulationsprinzip
5. Transparenzprinzip
6. Individualitätsprinzip
7. Systemprinzip
8. Lernorientierung des Verfahrens
9. Organisierte Prozesssteuerung
Am Anfang jeder Eignungsdiagnostik sollte das Anforderungsprofil stehen. Wenn man nicht weiß, wofür man etwas entwickelt, kann man es auch nicht entwickeln. Dabei sollte das Anforderungsprofil immer auf die unternehmensspezifischen Anforderungen zugeschnitten sein. Einige Beratungsunternehmen zwingen den Unternehmen ein externes Qualifikationsprofil auf, das der Nomenklatur des Beratungsunternehmens entspricht. Das spart den Unternehmensberatungen Arbeit, führt aber dazu, dass Kriterien u. U. am vorhandenen Unternehmensleitbild und an der bestehenden Unternehmenskultur vorbei angelegt werden. Demnach sollte im Prozess immer der Dreischritt von Anforderungsprofil, Ableitung unternehmensspezifischer Fähigkeiten und Konstruktion geeigneter Übungen beachtet werden ( Abb. 24).
Grundsatz: Eignung ohne Analyse des konkreten Wofür ist sinnleer!
Das AC muss auf Grundlage unternehmensspezifischer Anforderungen entwickelt sein, eine Übernahme externer Kriterien ist nicht zielführend!
Dreischritt: 1) Anforderungsprofil – 2) Ableitung unternehmens-spezifischer Fähigkeiten – 3) Konstruktion geeigneter Übungen
• Verzicht auf Anforderungsanalyse
• Übernahme Merkmale anderer Zielgruppen/Unternehmen/Beratungen
• Festlegung der Anforderungen nach den Fähigkeiten vorhandener Eignungsdiagnostik
• Verzicht auf Situationsanalysen zugunsten allgemeiner Merkmale der Führungsstilforschung
Abb. 24: Anforderungsorientierung
Ein weiterer Qualitätspunkt im AC ist die strikte Einhaltung protokollierter Verhaltensbeschreibungen in den Beobachtermaterialien, um Wahrnehmung und Interpretation sowie Beurteilung nachträglich trennen zu können. Auch hier empfiehlt es sich, den Dreischritt von Verhaltensbeschreibung, Interpretation und Beurteilung einzuhalten ( Abb. 25).
Grundsatz: Protokollierte Verhaltensbeschreibungen sind das einzige Mittel, zwischen tatsächlichem Teilnehmerverhalten und Interpretationen oder Schlussfolgerungen der Beobachter zu unterscheiden!
Dreischritt: 1) Verhaltensbeschreibung 2) Interpretation 3) Beurteilung
• Einsatz diagnostischer Mittel, deren Bezug zu realem Verhalten nicht hinreichend nachgewiesen ist (die meisten Testverfahren)
• Nur Methoden, bei denen der Verhaltensbezug hypothetisch ist (z. B. Interview)
Abb. 25: Verhaltensorientierung
Weiterhin ist dringend die Durchführung einer ausführlichen Beobachterschulung zu empfehlen. In der Schulung ist zu gewährleisten, dass die Beobachter einheitlich geschult sind. Das sollte dazu führen, dass die Beobachter die eingesetzten Materialien kennen, aktiv den Beurteilungsprozess eingeübt haben, für Wahrnehmungsverzerrungen sensibilisiert wurden und Feedback im Rollenspiel trainiert haben. Sofern die Ressourcen es zulassen, sollten in den Übungen so viele Beobachter wie möglich eingesetzt werden. Nur ein Beobachter pro Übung führt das Verfahren ad absurdum. Wie bereits erwähnt, bietet es sich an, den Moderator aus den Reihen des Personalwesens eines Unternehmens zu besetzen, alle anderen Beobachter sollten möglichst hochrangige Entscheider aus dem Unternehmen sein ( Abb. 26).
Grundsatz: Die objektive Wahrheit ist uns nicht zugänglich!
Mehrere, einheitlich geschulte (!) Beobachter, die Entscheidungsträger sind, führen zu objektiveren Urteilen! Die Beobachterschulung muss folgende Ziele haben:
• Kenntnis der eingesetzten Materialien
• Aktive Einübung des Beobachtungs-/Beurteilungsprozesses anhand von Verhaltensbeschreibungen
• Aufmerksamkeit für spontane Wahrnehmungsverzerrungen
• Einübung von Rückmeldegesprächen (Beobachter profitieren für ihr eigenes Führungsverhalten!)
• Verzicht auf Beobachtertraining
• Überwiegender Einsatz von Nichtentscheidern (Personal/Externe)
• Einsatz nur eines Beobachters/Übung
• Keine integrative Konsensbildung sondern Mehrheitsentscheidung
• Quantitative Urteilsbildung ohne qualitative Diskussion anhand der beobachteten Verhaltensbandbreiten
Abb. 26: Prinzip der kontrollierten Subjektivität
Selbstredend sollte ein AC nur solche Situationen simulieren, die der späteren Arbeitswirklichkeit im Unternehmen entsprechen ( Abb. 27).
Grundsatz: Es werden nur Situationen simuliert, die der späteren Arbeitswirklichkeit entsprechen!
• Kein Einsatz von Simulationen
• Nur Einsatz von Methoden mit hypothetischem Simulations-Charakter (z. B. Interview)
• Einsatz von Simulationen die der Wirklichkeit paradox widersprechen (z. B. Auswahl der Rollenspieler)
• Überbetonung einzelner Übungstypen aus Ökonomiegründen (z. B. Einsatz vieler Gruppendiskussionen vs. wichtigerer Zweiergespräche etc.)
Abb. 27: Simulationsprinzip
Hinsichtlich der Teilnehmer ist vor allem zu beachten, dass das AC möglichst transparent sein sollte. Das heißt für das Unternehmen, im Vorfeld bereits über den Ablauf zu informieren, bei einem Development Center mit internen Mitarbeitern auch hinsichtlich etwaiger Risiken einer Teilnahme. Ein Verschweigen der Beobachtungsschwerpunkte trägt nicht zur Validität des Verfahrens bei, sondern verunsichert Teilnehmer und wirkt negativ auf das Unternehmensimage zurück ( Abb. 28).
Grundsatz: Wer nicht weiß worum es geht, kann sich auch nicht geeignet verhalten oder geeignetes Verhalten beobachten!
• Info der Teilnehmer vorab über Ziel, Ablauf, Bedeutung und Chancen/Risiken einer Teilnahme
• Beobachter sind durch Schulung über Verfahren und Übungsarten informiert
• Rückmeldung im Nachgang über Ergebnis, Anschlussmaßnahmen und Konsequenzen an die Teilnehmer (am Besten durch die Beobachter)
• Keine Vorinformationen der Teilnehmer
• Keine klaren (oder versteckte) Zielvorgaben vor den Übungen
• Verschweigen der Beobachtungsschwerpunkte der Übungen (z. B. Mahlzeiten, Stadtrundfahrt etc.)
• Informationsweitergabe (ohne Einverständnis/Wissen) an Vorgesetzte
Abb. 28: Transparenzprinzip
Dementsprechend ist ein offenes Feedback, das möglichst noch am gleichen Tag des AC durch die jeweiligen Beobachter direkt und individuell gegeben wird, die beste Weise, Transparenz zu unterstützen ( Abb. 29).
Grundsatz: Die Teilnehmer bekommen die Rückmeldung von den beteiligten Beobachtern selbst unmittelbar, detailliert und mit positiver Grundhaltung!
• Verzicht auf Rückmeldung
• Lediglich Verkündigung von Gesamtergebnissen (Rangreihe, Punktzahl etc.)
• Persönlichkeitsorientierte Globalbotschaften
• Rückmeldung ohne Beobachterbeteiligung
• Rückmeldung schriftlich und/oder nach unangemessen langen
• Zeitspannen
Abb. 29: Individualitätsprinzip
Wichtig für Development Center innerhalb eines Unternehmens ist die Verzahnung der Ergebnisse im Rahmen aller vorhandenen Personalentwicklungsmaßnahmen und Performance Management-Systeme. Andernfalls war der erhebliche Aufwand des Verfahrens umsonst ( Abb. 30).
Grundsatz: Das AC muss in das Gesamtsystem der Personal- und Organisationsentwicklung eines Unternehmens eingebettet sein!
• Keine Berücksichtigung der Themen Vorauswahl, Aus- und Fortbildung etc.
• Stabilitätsdiagnostik (Eignung als unveränderbare Grundausstattung des Teilnehmers)
• Keine Beteiligung der Personal-/Organisationsentwicklung im Unternehmen
Abb. 30: Systemprinzip
Es sollte gewährleistet sein, dass jedes AC lernorientiert aufgebaut ist, also ständig bemüht ist, aus Rückmeldungen von Teilnehmern und Beobachtern zu lernen und nicht zuletzt notwendig gewordene Veränderungen aufgrund eines Wandels der Umgebung (Markt, Wettbewerber, eigenes Unternehmen, Anforderungsprofil etc.) wahrzunehmen. Auch muss ein AC ständig hinsichtlich der Prognosegüte geprüft werden, also beispielsweise durch einen Abgleich erfolgreicher AC-Teilnehmer mit deren weiterer Entwicklung im Unternehmen ( Abb. 31).
Grundsatz: Ohne Güteprüfung und Qualitätskontrolle wird das AC zu einem sinnlosen Ritual!
Eine fortlaufende Qualitätsprüfung stellt sicher, dass das Verfahren sich ständig verbessert, Fehler behoben und Wandlungen der Eignungslandschaft (Markt, Organisation, Anforderungsprofil) berücksichtigt werden.
• Einmaliger Aufbau des AC ohne Güteprüfung
• Statt empirischer Güteprüfung (z. B. Aufstiegsgeschwindigkeit, Gehaltszuwachs) begnügen mit Bestätigung durch positive Einzelrückmeldungen
Abb. 31: Lernorientierung des Verfahrens
Bei der Auswahl des Moderators für ein AC sollte darauf geachtet werden, dass dieser sowohl das inhaltliche Verständnis für ein so komplexes Verfahren mitbringt als auch genügend Erfahrung für die Durchführung besitzt. In der Vorbereitungsphase muss er, ähnlich wie im Projektmanagement, darauf achten, dass alle Meilensteine zeitlich und inhaltlich eingehalten werden, sonst muss er das AC ggf. im Vorfeld abbrechen. Die Durchführung eines AC erlaubt oft keine zeitlichen Puffer, und gerät der Zeitplan durcheinander, hat dies auch Auswirkungen auf alle anderen Übungen.
Die Vorbereitung nimmt daher einen sehr hohen Stellenwert ein und ist meist zu einem großen Teil für den Erfolg verantwortlich. In der Durchführung steuert der Moderator den Prozess, achtet auf die Qualität (z. B. der Feedbacks) und leitet die Beobachterkonferenz. Dabei ist zu beachten, dass ein Moderator nie selbst Beobachter sein kann. Auch muss der Moderator alle Signale vermeiden, welche die Beobachter in ihrer Urteilsfindung manipulieren könnten.
Der Moderator wirkt auf eine Konsensentscheidung hin, eine Mehrheitsentscheidung ist nicht Sinn des AC-Verfahrens. Das Setting des AC sollte demensprechend angelegt sein, und der Moderator sollte in der Beobachterkonferenz darauf hinwirken, die Entscheidung qualitativ, also aufgrund von Diskussion über Verhaltensableitungen, zu erwirken, nicht als reine Summierung von Einzelergebnissen. Ein AC geht davon aus, dass mehrere subjektive Beobachtungen letztendlich zu einer objektiveren Sicht des Kandidaten führen. Dies kann nur mit einer Diskussion über Verhaltensweisen und davon abgeleiteten Interpretationen und Bewertungen geschehen ( Abb. 32).
Grundsatz: Ein qualifizierter Moderator steuert das Verfahren, achtet auf die Qualität des Prozesses und leitet die Beobachterkonferenz ohne die Entscheider zu manipulieren!
• Verzicht auf Moderator
• Doppelbelastung Beobachter = Moderator
• Moderator manipuliert versteckt durch wertende Formulierungen
• Moderator ist nicht ausgebildet und erfahren
• Rolle des Moderators ist Teilnehmern und Beobachtern bereits vor dem Verfahren nicht eindeutig erläutert
Abb. 32: Organisierte Prozesssteuerung