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Kapitel 4

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Raoul stand an Deck seines Schiffes und starrte auf die spiegelglatte See. Dies war nun schon der fünfte Hafen, den sie anliefen, doch noch immer hatten sie keinen Erfolg. In keinem der vorherigen Häfen war die »Persepolis« vor Anker gegangen. Niemand hatte sie gesichtet und keiner der Matrosen aus den einschlägigen Spelunken wusste, wohin sie segelte. Es war zum Mäusemelken. Es schien fast, als hätte sich das Schiff seines Vetters in Luft aufgelöst. Wenn sie nicht bald etwas über ihn in Erfahrung bringen würden, dann hatte seine Mission nicht den geringsten Sinn. Wer nicht gefunden werden will, der wird auch nicht gefunden! Raoul beugte sich über die Reling und sah hinunter auf das Dock. Der Hafen von Hibera war einer der größten Umschlagplätze, für Waren aller Art. Er lag so zentral, dass Schiffe der unterschiedlichsten Handelsrouten ihn passieren mussten. Im Grunde genommen war er der Knotenpunkt aller Routen. Der Punkt, auf dem sie alle aufeinandertrafen. Wenn er hier nicht endlich fündig wurde, dann hatte seine Reise wirklich keinen Sinn mehr. Dann würde er schweren Herzens zu Rilana zurückkehren und ihr berichten müssen, dass seine Mission gescheitert wäre.

Auf dem Dock herrschte reges Treiben. Unzählige Schiffe lagen hier vor Anker. Ladungen wurden gelöscht und Matrosen zahlloser Länder schrien sich in genauso vielen Sprachen, etwas zu. Es war ein heilloses Durcheinander. Raoul holte tief Luft und sog die frische Meeresbrise in seine Lungen. Verdammt, es war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. So hilflos hatte er sich noch nie zuvor gefühlt, nicht einmal damals, als Armands Männer ihn schwer verwundet und ausgepeitscht hatten. Raoul sah sich um, als er hinter sich Schritte hörte. Wilbur und Marcus kamen auf ihn zu. Obwohl sie damals einen echt schlechten Start gehabt hatten, immerhin hatte er ihn ausgepeitscht, erwies sich Wilbur mittlerweile als treuer Gefährte. Er war zuverlässig und sich für nichts zu schade. Man konnte sich einfach auf ihn verlassen. Marcus war nach wie vor einer seiner besten Freunde, und dass man sich auf ihn verlassen konnte, hatte er bereits unzählige Male bewiesen. Die beiden Männer waren inzwischen miteinander verwandt. Wilbur hatte Olga, die Wirtin des »Stinkenden Matrosen« aus Andrass geheiratet und Marcus ihre Tochter, Tine. Jetzt kamen die beiden Männer, sich lautstark unterhaltend auf ihn zu.

»Marcus«, sprach er seinen Gegenüber an. »Besorgst du den nötigen Proviant für unsere Weiterreise? Ich will mit Wilbur in die Hafenkaschemme. Vielleicht haben wir hier ja endlich Glück.«

»Wenn nicht hier, wo dann?«, gab der Angesprochene zurück. »Ich habe gerade schon zu Wilbur gesagt, dass ich langsam die Hoffnung verliere, überhaupt etwas von ihm zu hören. Ich glaube allmählich, er will gar nicht gefunden werden.« Wilbur nickte.

»Was würde meine Olga sagen? »Wat dat Jüngelchen nich will, dat will er nich!« Raoul musste unwillkürlich grinsen. Olga war eine Seele von Mensch, der das Leben übel mitgespielt hatte. Doch ihrer herzlichen und mütterlichen Art hatte das keinen Abbruch getan, ganz im Gegenteil.

»Wir treffen uns nachher wieder hier! Ich schätze mal, zwei Stunden werden reichen. Wenn wir nichts erfahren sollten, dann gebe ich auf und wir segeln heute noch zurück nach Andrass. Ich will Rilana nicht so lange alleine lassen, immerhin ist sie erneut schwanger. Und Ihr beide seid sicher auch froh, wenn ihr Eure Frauen schnell wiederseht.«

»Gib nicht so schnell auf! Noch haben wir diese eine Chance«, warf Marcus ein.

»Ich weiß! Und ich hoffe, dass wir sie auch nutzen können.«

Ihr Weg führte sie an unzähligen Schiffen vorbei. Dschunken aus Harara ankerten neben Galeeren aus Rowana. Handelsschiffe lagen friedlich neben Kriegsschiffen, während etliche Fischerboote die Bucht bevölkerten und ihrem Handwerk nachgingen. Die Hafenkneipe lag ein wenig außerhalb des Hafengeländes, wohl um eventuelle Reibereien der Matrosen vom eigentlichen Hafengebiet fernzuhalten. Raoul seufzte leise, doch Wilbur hörte ihn.

»Ich versteh' dich, Junge. Es muss furchtbar sein, nicht zu wissen, was mit ihm geschehen ist. Armand ist auch schon völlig mit den Nerven am Ende. Ich kenn' ihn ja jetzt schon ewig, aber so habe ich ihn noch nie erlebt. Er denkt, es wäre seine Schuld, dass der Junge nicht nach Hause kommt.«

»Ich weiß! Ich habe vor unserer Abreise mit ihm gesprochen. Ich denke aber nicht, dass er die Schuld daran trägt. Ruben ist nicht nachtragend, das habe ich auch Rilana gesagt, als sie mich darauf ansprach.«

»Was glaubst du dann, hat ihn dazu veranlasst, nicht nach Hause zurückzukehren?« Raoul zögerte kurz.

»Ich denke, Roxane hat etwas mit ihm angestellt, was er nicht erzählen will, oder kann. Vielleicht habe ich ihn zu sehr bedrängt.«

»Du hältst es also für deine Schuld?«

»Ich weiß nicht!«

»Der betrunkene Seemann« lag in einer dunklen Gasse. Das windschiefe, heruntergekommene Haus sah nicht gerade einladend aus, aber es war ihre einzige Möglichkeit an Informationen zu gelangen.

»Einladend, nicht? Das erinnert mich an den »Stinkenden Matrosen« bevor Olga mich geheiratet hat.«

»Derselbe Gedanke ist mir auch gerade gekommen.« Die beiden Männer blieben kurz vor der Tür stehen.

»Sollen wir?« Wilbur ergriff den Türknauf und sah Raoul fragend an.

»Es bringt nichts, noch länger zu warten. Na dann mal los!« Der dunkle, schäbige Kneipenraum war angefüllt mit dem Geruch von abgestandenem Rauch und verschüttetem Alkohol. Überall in der völlig verdreckten Stube lagen Matrosen auf den Tischen oder auf dem Boden und schliefen ihren Rausch aus. Hin und wieder hob einer den Kopf und rief nach der Wirtin. Von oberhalb des Schankraums drang lautes Stöhnen zu ihnen herunter. Wahrscheinlich betrieb die Wirtin dort oben zusätzlich zu ihrer Kneipe ein Bordell. Raoul verzog angewidert das Gesicht, während er sich vor den Tresen stellte. Die Wirtin, eine hagere, bleiche Frau mit riesiger Hakennase im Gesicht kam auf ihn zu.

»Na Kleiner, womit kann ich dienen? Ich hab ein paar hübsche Mädchen da oben, ...", sie deutete auf die Decke des Raumes, »..., »die warten nur auf Einen wie dich.«

»Danke! Ich weiß das Angebot zu schätzen, aber ich habe keinen Bedarf.«

»Dann eben nicht!«, gab sie schnippisch zurück.

»Ich bin hier, weil ich Informationen brauche.«

»Hier ist nichts umsonst!«

»Das dachte ich mir bereits!« Er drückte der Alten ein Goldstück in die Hand. Während diese nun darauf biss und dann zufrieden nickte, fuhr er fort. »Ich suche ein Schiff. Um genauer zu sein, die »Persepolis«, habt Ihr etwas von ihr gehört?«

»Die »Persepolis« sagt Ihr? Die war nicht hier.«

»Seit Ihr Euch sicher?«

»Sicher bin ich mir sicher. Ich wüsste doch, wenn einer von dem Schiff hier gewesen wäre. Aber Ihr könnt Euch gerne umhören. Vielleicht weiß ja einer dieser besoffenen Säcke was. Der da hinten vielleicht«, sie deutete auf die dunkelste Ecke, »der lungert hier schon fast zwei Wochen 'rum. Ich weiß nur nicht, ob er in der Lage ist, Euch zu antworten. Der ist besoffen, wie tausend Mann. Ich glaub, der ist in den zwei Wochen nicht einmal nüchtern gewesen.«

»Kennt Ihr ihn?«

»Nee! Der war vorher noch nie hier. Irgendwas stimmt mit dem nicht. Der redet lauter wirres Zeug. Aber vielleicht weiß er ja was.« Raoul sah hinüber in die dunkle Ecke. Der Mann, der dort saß, sah völlig heruntergekommen aus. Er lag mit dem Kopf auf dem Tisch und brabbelte vor sich hin. Sein blondes Haar stand wüst von seinem Kopf ab und seine Kleidung war vollkommen verdreckt. Er war ein Bild des Jammers. In diesem Moment hob er seinen Kopf und sah ihn aus blutunterlaufenen Augen an. Raoul glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Dieser Mann war niemand anderes als Lucas. Wie in Trance lief Raoul auf ihn zu, dicht gefolgt von Wilbur, der genauso irritiert schien, wie er selbst.

»Lucas?« Der Angesprochene stierte ihn nichtssagend an, dann ließ er seinen Kopf wieder auf die Tischplatte sinken. »Verdammt, Lucas!«

»Geht weg!« Lucas lallte so stark, dass man ihn kaum verstehen konnte.

»Lucas, was, zum Henker, geht hier vor?« Raoul war sichtlich wütend. Als Lucas nicht reagierte, packte er ihn an seinem verdreckten Blondschopf und riss seinen Kopf gewaltsam in die Höhe, sodass er ihm in die Augen blicken musste.

»Du sollst mich in Ruhe lassen!« Lucas schloss seine Augen, doch Raoul ließ sich nicht beirren.

»Zur Hölle, Lucas, du stinkst! Und wie siehst du überhaupt aus? Was ist geschehen? Los! Sag schon!« Lucas öffnete seine Augen. Doch sein Blick galt nicht ihm, denn er starrte an ihm vorbei ins Nirgendwo.

»Die Meerhexe!«, stammelte er. »Die Meerhexe hat sie alle geholt. Und mich wird sie auch noch holen.« Raoul sah ihn verwirrt an.

»Welche Meerhexe? Du redest wirres Zeug. Verdammt noch mal, Lucas, reiß dich zusammen!« Lucas fingerte nach der Flasche Rum, die vor ihm auf dem Tisch stand, und setzte sie an seine Lippen. Doch, noch bevor er richtig trinken konnte, schlug Raoul sie ihm aus der Hand. »Das reicht jetzt! Kannst du mir vielleicht einmal erklären, was das Ganze hier zu bedeuten hat?«

»Was weißt denn du schon!« Lucas schrie ihn an.

»Ja, was weiß denn ich schon! Ich weiß rein gar nichts! Aber ich würde gerne etwas wissen, aber in deinem Zustand glaube ich kaum, dass ich etwas von dir erfahren werde.« Raoul ließ Lucas Kopf los und dieser fiel mit lautem Gepolter erneut auf die Tischplatte. »Wilbur, ich glaube, wir sollten ihn erst einmal ausnüchtern, bevor wir ihn weiter befragen. Außerdem stinkt er so bestialisch, dass einem übel wird. Wir sollten ihn waschen und in saubere Kleidung stecken. Vielleicht kommt er dann wieder zur Besinnung.« Wilbur nickte. Er faste Lucas rechte Schulter und zog ihn vehement von der Bank. Lucas versuchte verzweifelt, sich zu wehren, aber in seinem Zustand hatte es keinen Sinn. Während er nun wackelig auf seinen Füßen stand, schob Wilbur ihn zur Tür. Raoul warf der Alten hinter dem Tresen ein weiteres Goldstück zu, rief ihr, »Hier, für Eure Mühen«, zu und packte dann Lucas andere Schulter. Wilbur und er hielten ihren Freund, der nicht einmal in der Lage war, einen Fuß vor den anderen zusetzten, zwischen sich gefangen und schleiften ihn Richtung Hafen zurück auf ihr Schiff.

Nachdem sie Lucas mit dem Kopf voran in eine Wassertonne geworfen, ihn wieder herausgezogen, mit mehreren Eimern Wasser übergossen und schließlich neu eingekleidet hatten, wirkte er jetzt schon wieder halbwegs passabel. Er war immer noch nicht in der Lage, geradeaus zu laufen, aber Wilbur stand parat und schleifte ihn in Raoul Kapitänskajüte, wo dieser schon auf ihn wartete. Wilbur drückte den jungen Mann auf einen der Stühle, die in dem Raum herumstanden, woraufhin dieser in sich zusammensackte und seinen Kopf hängen ließ.

»Bist du wieder einigermaßen klar?«, wollte Raoul von ihm wissen, während er sich ebenfalls auf einem der Stühle niederließ. Lucas nickte.

»Meine Güte, Lucas, was ist nur los mit dir? So habe ich dich noch nie erlebt.« Raoul betrachtete ihn eingehend, doch Lucas hob noch nicht einmal seinen Kopf. In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Marcus stürmte in die Kajüte.

»Stimmt das? Ihr habt Lucas gefunden?« Sein Blick fiel auf den Stuhl, auf dem sein Freund, wie ein Häufchen Elend hockte. »Oh«, entfuhr es ihm. Er ging auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Mensch, Lucas, gut dich zu sehen.« Lucas reagierte nicht. Vielmehr er reagierte schon, allerdings anders als erwartet. Er sackte noch ein Stückchen weiter in sich zusammen und vergrub seinen Kopf zwischen seinen Knien. »Was ist hier los?« Marcus war sichtlich irritiert.

»Das wüsste ich auch zu gerne«, war Raouls Stimme zu vernehmen. »Als wir ihn gefunden haben, war es noch schlimmer. Er war so besoffen, dass er noch nicht einmal selbstständig gehen konnte. Dazu war er so verdreckt und hat gestunken, als hätte er sich seit Wochen nicht mehr gewaschen oder umgezogen. Ich bin vollkommen ratlos. So habe ich ihn noch niemals zuvor gesehen. Außerdem antwortet er nicht. Er brabbelt andauernd etwas von einer Meerhexe, dann schweigt er wieder. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll, damit er endlich redet.«, Raoul klang vollkommen verzweifelt.

»Soll ich es mal versuchen? Mit mir hat er immer geredet!« Raoul nickte.

»Von mir aus! Ich bin mit meinem Latein am Ende. Wenn einer es schafft, etwas aus ihm herauszubekommen, dann du! Also los! Versuch' dein Glück!« Marcus ließ sich auf dem Stuhl direkt neben Lucas nieder. Er sah ihn lange schweigend an, dann jedoch ergriff er seine Hand.

»Lucas, sieh mich an! Weißt du, wer ich bin?« Lucas erhob zögernd seinen Kopf, sah ihm kurz in die Augen und ließ dann seinen Kopf wieder sinken. Dann nickte er.

»Marcus!«, antwortete er ihm matt.

»Weißt du auch, wer mit uns in diesem Raum ist?«

»Ich bin nicht blöd!«, Lucas Kopf fuhr erneut in die Höhe. Er schien langsam wütend zu werden. »Hältst du mich für schwachsinnig?«

»Wenn du nicht schwachsinnig bist, dann benimm dich auch nicht so. Du siehst aus, als hättest du wochenlang nicht geschlafen. Gegessen hast du wahrscheinlich auch nicht. Nur gesoffen wie ein Loch? Warum, Lucas? Nenn' mir einen triftigen Grund!«

»Vielleicht hatte ich ja nur Lust, mich bis zur Besinnungslosigkeit zu besaufen.«

»Ja sicher! Und ich singe dazu schmutzige Lieder.«

»Ach, lass mich doch in Ruhe!«

»Nein, das lass ich nicht. Es ist wichtig, dass du mit uns redest. Was ist geschehen? Wo sind Ruben und die anderen?« Lucas Blick wurde erneut starr.

»Sie hat sie alle geholt!«, flüsterte er leise vor sich hin. Marcus sprang auf, packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn.

»Verdammt, Lucas! Sag endlich, was geschehen ist.«

»So benimmt er sich schon die ganze Zeit", warf Raoul ein. »Verstehst du jetzt, warum ich mit meinem Latein am Ende bin?« Marcus nickte. Er war selbst der Verzweiflung nahe. Wo war sein sarkastischer Freund geblieben, der immer einen Spruch auf seinen Lippen und das letzte Wort hatte?

»Lucas, bitte! Ich flehe dich an! Du musst uns sagen, was passiert ist. Wir sind extra von Andrass aufgebrochen, um Euch zu suchen. Wir waren schon in vier verschiedenen Häfen, aber niemand wusste, was mit Euch geschehen ist. Jetzt finden wir dich und du bist nicht mehr du selbst. Sag endlich, was los ist.

»Ich ...«, Lucas zögerte. »Wir ... Die Meerhexe hat sie alle geholt.«

»Das sagtest du bereits! Was hat das zu bedeuten?«

»Marcus, es war grauenvoll! Alle sind tot!«

»Alle?«

»Alle oder die meisten. Was weiß denn ich.«

»Dann erzähl' uns bitte ausführlich, was geschehen ist. Vielleicht können wir ja noch einige retten.«

»Ich wünschte, es wäre so, aber ... Wir sind lange einfach so durch die Weltmeere gefahren. Nur wenn unser Proviant zu Ende ging, hat Ruben uns einen Hafen ansteuern lassen. Die Männer waren unzufrieden. Sie wollte endlich nach Hause. Aber Ruben ...«

»Was ist mit Ruben?«, Raoul klang ungeduldig und wütend.

»Ruben hat sich verändert. Er ist nicht mehr der, der er war. Er wird mit ... Ach, egal! Wo war ich stehen geblieben?«

»Die Männer!«, half ihm Marcus.

»Ach ja, die Männer waren unzufrieden. Sie wollten nach Hause, doch Ruben wollte nicht zurückkehren. Stattdessen hat er uns in die Meerenge von Alara segeln lassen.«

»Nach Alara, sagst du!« Raoul war jetzt außer sich. »Wie konnte er? Kein Schiff hat diese Passage bisher unbeschadet verlassen.«

»Das habe ich ihm auch gesagt. Er wusste noch nicht einmal, dass er uns hineingeführt hat.«

»Das kann nicht sein, Ruben würde niemals ...«

»Raoul, Ruben hat aber!« Lucas Stimme wurde immer matter. »Als er gemerkt hat, wo wir uns befanden, wollte er umkehren, zumal die Männer immer lethargischer wurden, aber das ging nicht. Wir befanden uns seit Tagen in einer Flaute. Dann zog auch noch dichter Nebel auf und schließlich gipfelte das Ganze darin, dass sich ein Unwetter über uns zusammenbraute, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Ich wurde verletzt. Beim Versuch, mich zu retten, wurde Ruben über Bord gespült. Fast die gesamte Mannschaft wurde über Bord gespült. Einige konnten sich in die Beiboote retten. Ich weiß nicht, was mit ihnen geschah. Ich selbst habe mich an den Mast geklammert. Wie lange ich im Meer getrieben habe, kann ich nicht sagen. Ich war ohnmächtig, als mich Fischer fanden und hierher nach Hibera brachten.«

»Ihr seid also in einen Sturm gekommen und die »Persepolis« ist gesunken.« Lucas nickte.

»Das glaube ich zumindest. Wenn sie nicht gesunken wäre, dann wäre sie früher oder später hier aufgetaucht. Da dies nicht der Fall ist ...«, er zuckte mit den Achseln.

»Und Ruben wurde von Bord gespült?«, zum wiederholten Male nickte er. »Wenn du überlebt hast, wer sagt uns dann, dass Ruben nicht überlebt hat?«

»Ich weiß es nicht! Könnte sein! Aber, wenn er überlebt hat, wo steckt er dann?«

»Das müssen wir herausfinden.« Eine Weile schwiegen die Männer, dann begann Raoul von Neuem das Gespräch.

»Lucas, eine Frage hätte ich noch. Was hat das alles mit der Meerhexe zu tun? Deine Geschichte klingt vollkommen logisch, aber ...«

»Es war ihr Gesang", unterbrach Lucas ihn. »Ihr Gesang hat die Fluten anschwellen lassen. Ihr Gesang hat aus dem Wind einen Orkan gemacht. Ich habe sie gehört. Alle haben sie gehört. Es war grauenhaft, aber wir konnten nicht anders, als ihr zuzuhören. Wir waren wie versteinert. Sie hat unser Schiff verflucht. Sie ist gekommen, um uns zu holen.« Lucas wurde immer panischer. »Ich kann sie noch immer hören. Sie wird das vollenden, was sie begonnen hat. Sie wird mich auch holen. Sie wird mich so lange verfolgen, bis sie bekommt, was sie will.«

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