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Kapitel 2

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Rilana stand vor dem Bettchen ihres Sohnes und betrachte gedankenverloren sein schlafendes Gesicht. Er sah Raoul so ähnlich, dass ihr der Kleine fast wie eine jüngere Ausgabe ihres Mannes erschien. Liebevoll streichelte sie seine Wange, während der Kleine seinen Daumen in den Mund steckte und im Schlaf laut schmatzend daran nuckelte.

»Du kannst ruhig näher herankommen. Er schläft.«

»Wie machst du das nur immer? Ich habe mich fast lautlos bewegt und doch hast du mich gehört.« Kräftige Arme umschlangen von hinten ihre Taille, während er zärtlich ihren Nacken küsste.

»Ich brauche dich nicht zu hören, um zu wissen, dass du da bist«, erwiderte sie ihm. »Ich kann deine Nähe fühlen.« Sie drehte sich langsam zu ihm um und sah ihm in die Augen, während er sich zu ihr hinunter beugte und sie küsste. »Ich meine es ernst Raoul«, fuhr sie unbeirrt fort, als er sich von ihr löste. »Ich kann dich spüren, bevor du überhaupt dasselbe Zimmer betrittst. Seit jener Nacht in der Höhle ist es so. Es ist, als hätte sie uns durch ihr Blut miteinander verwoben. Wenn du in meiner Nähe bist, fühle ich mich vollständig. Doch sobald du dich auch nur etwas von mir entfernst, habe ich das Gefühl, ich würde auseinandergerissen.«

»Tröste dich, mir geht es genauso.« Raoul ergriff ihre Hand und beide drehten sich dem Bettchen zu. Raoul seufzte. »Unser Sohn ist jetzt schon über ein Jahr auf der Welt und er hat ihn noch nicht einmal gesehen.« In seiner Stimme lag Bedauern und eine Trauer, die Rilanas Herz fast zerrissen.

»Er wird kommen!«

»Ich weiß, irgendwann wird er zurückkehren, aber es fällt mir schwer, so lange zu warten. Er war für mich immer der große Bruder, den ich nicht hatte. Ich vermisse ihn schrecklich.« Rilana bettete ihren Kopf gegen Raouls breite Brust und seufzte nun ebenfalls.

»Lass ihm Zeit! Er muss erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen, bevor er zurückkehrt. Er hat genauso viel durchgemacht wie wir, vielleicht sogar noch mehr. Nur im Unterschied zu uns musste er mit all dem alleine klarkommen.«

»Er ist nicht alleine! Er hat mich!«

»Du weißt, dass das nicht dasselbe ist. Raoul gib ihm die Chance das zu finden, was wir haben. Dann wird er auch wieder nach Hause kommen.«

»Rilana, ich weiß selbst, dass ... Verdammt! Ich gönne ihm ja alles Glück der Welt, aber wir haben seit zwei Jahren nichts mehr von ihm gehört. Es könnte sonst was mit ihm geschehen sein. Vielleicht hat deine Mutter ja doch überlebt und ihn wieder in ihre Finger bekommen. Vielleicht sitzt er wieder in einem Käfig und sie … Verflucht, er wollte nicht darüber reden, was sie mit ihm gemacht hat, aber sein Gesichtsausdruck, als ich ihn danach fragte ... Es muss die Hölle gewesen sein.« Rilana drehte sich ihm zu und sah ihm tief in die Augen.

»Wenn sie überlebt hätte, glaubst du wirklich, sie hätte nichts Besseres zu tun, als Ruben erneut zu quälen. Denkst du nicht auch, sie wäre eher hierher zurückgekehrt, um uns die Hölle heißzumachen? Immerhin war ich schuld an ihrer Niederlage. Ich habe ihren Geliebten getötet. Ich habe dich vor ihr gerettet. Ich habe sie David in die Hände gespielt. Ich habe ...«

»Rilana, ich liebe dich und ich liebe dich noch mehr, seit ich weiß, was du für uns alle getan hast, aber deine Mutter ist unberechenbar. Jeder normale Mensch wäre zu uns zurückgekehrt, um seine Rache zu genießen, doch deine Mutter ist kein normaler Mensch. Überlege doch einmal, wie lange sie ihre Rache an David herausgezögert hat. Sie hat sich über Jahrhunderte hinweg zurückgezogen, solange bis sie in Vergessenheit geriet und dann hat sie mit voller Wucht zugeschlagen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass David ebenfalls noch lebte. Wäre er nicht gewesen", seine Stimme brach, »hätte keiner von uns standhalten können und er«, er deutete auf seinen Sohn, »wäre niemals geboren.«

»Trotzdem kann und will ich nicht glauben, dass sie irgendwo steckt und Ruben in einen Hinterhalt lockt.«

»Du hast ja recht«, gab er zähneknirschend zu, »tief in meinem Herzen halte auch ich es für ziemlich unwahrscheinlich. Aber dennoch mach ich mir langsam Sorgen. Selbst wenn er etwas Zeit für sich brauchte, sind zwei Jahre verdammt lang.«

»Hast du schon mit seinem Vater gesprochen?« Raoul nickte.

»Das habe ich. Auch Armand macht sich allmählich Sorgen. Er befürchtet mittlerweile, dass Ruben mit der Situation so überfordert war, dass er gar nicht mehr nach Hause zurückkommen will. Er macht sich die größten Vorwürfe. Er denkt, Ruben wird es ihm nie verzeihen, dass er ihn damals allein zurückgelassen hat.«

»Und was denkst du?«

»Ich denke, dass er seinen Sohn unterschätzt. Ruben ist nicht nachtragend. Er hat verstanden, warum sein Vater das alles getan hat.«

»Das denke ich auch«, erneut küsste er sie.

»Rilana es fällt mir schwer, dir das zu sagen, aber ...«, er hielt mitten im Satz inne.

»Du willst ihn suchen«, beendete sie seinen Satz. »Ich versteh dich, auch wenn es bedeutet, dass es mir fast das Herz bricht, solange von dir getrennt zu sein. Versprich mir, zu mir zurückzukehren. Versprich mir, dass du dich nicht unnötig in Gefahr begibst. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.«

»Ich verspreche es. Außerdem werden mich Wilbur und Marcus begleiten. Die beiden werden schon auf mich aufpassen.«

»Wann wirst du gehen?«

»Unser Schiff läuft morgen früh mit der Flut aus.« Rilana nickte, während ihr, Tränen in die Augen traten.

»Dann haben wir noch diese eine Nacht", flüsterte sie ihm zu.

»Ja, mein Herz! Diese eine Nacht und ich werde sie für dich unvergesslich machen.«

Die Chroniken Aranadias II - Die Herrin der Seelen

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