Читать книгу Shinobi - Die Auslöschung - Danny Seel - Страница 12
Оглавление6. Flieh oder Stirb
Erschrocken schauten Yujiro und Suzaku zurück. Mit offenem Mund und schockierten, weit aufgerissenen Augen stand Izuya einige Dutzend Armlängen von ihnen entfernt erstarrt da und ließ schlaff seinen Speer sinken. Ein Krieger hatte ihm eine Naginata, eine Gleve, in die Brust gestoßen. Yujiros und Izuyas Blicke trafen sich ein letztes Mal und der Chūnin meinte die schmerzvolle Qual seines Bruders selbst aus dieser Entfernung spüren zu können, als ihn Izuya abschiednehmend ansah.
Auf einmal trat ihm sein Mörder in die Brust und zog somit seine Naginata mit einem Ruck aus dessen Körper heraus. Den Blick emporhebend, stürzte Izuya rücklings ins überflutete Reisfeld. Auf dem Wasser aufprallend, tauchte er unter, wobei sich die Wasseroberfläche schnell rot färbte.
„NEIN!“, brüllte Yujiro und fiel kraftlos auf die Knie. „NEIN!“
Gramerfüllt senkte er den Blick. Die Schwäche überwältigte ihn und er wurde von solcher Trauer erfasst, dass er dachte, davon sterben zu müssen.
„W-wir müssen los!“, rief ihm Suzaku stammelnd zu, der ebenfalls Mühe hatte, seine Gefühle zu kontrollieren. „Er hat sich geopfert, damit wir entkommen können. Schnell, sonst ist sein Opfer umsonst!“
Kiyonori sammelte seinen restlichen Mut, denn er wusste, dass sein Waffenbruder Recht hatte. Langsam aufstehend, hob er den Blick. Er erstarrte. Seine Augen richteten sich auf das vernarbte Gesicht des Mannes, der seinen Bruder auf dem Gewissen hatte und auf dessen Stirn eine Tätowierung zu sehen war. Dieser lächelte ihn nun spöttisch an. Es fiel dem Chūnin wie Schuppen von den Augen.
„Takeru!“, zischte er rasend vor Wut, als er seinen Erzfeind, den Mörder seines Vaters und nun auch seines Bruders, erblickte. Er hielt es nicht mehr aus, denn das überstieg nun alle Grenzen. Bevor er jedoch in Sowanos Richtung rennen konnte, wurde er plötzlich von Suzaku an der Schulter gepackt.
„Was tust du da? Das ist Selbstmord!“
Mit einem hasserfüllten Blick in den Augen sah ihn Yujiro an. „Lass mich los!“
Gewaltsam befreite er sich aus Suzakus Griff, bevor er einem sterbenden, am Boden liegenden Iga-Krieger, erbarmungslos ein Katana aus der Hand riss und auf Takeru zustürmte. Ein überlegenes Lächeln erschien auf den Lippen des Letzteren, als er dem Chūnin herausfordernd zunickte.
„Und ein weiteres Kiyonori-Familienmitglied ist gestorben“, höhnte er.
„Ich bring dich um!“, brüllte Yujiro, blind vor Zorn.
Er verengte die Augen zu Schlitzen und nahm Anlauf. Unverzüglich sprang er in die Luft und brachte sein Schwert auf Sowanos Kopf nieder. Sich duckend neigte sich Takeru zur Seite und wurde nur knapp von der Klinge verfehlt.
Während der Chūnin neben ihm landete, hackte dieser mit seinem Naginata horizontal nach ihm. Ein wenig unvorbereitet hob Kiyonori sein Katana. Gerade noch rechtzeitig wehrte er den Stoß ab, wurde jedoch dabei vom Aufprall zurückgeworfen.
„Stirb!“, schrie Sowano, dessen verächtliches Lächeln nie sein Gesicht zu verlassen schien.
Ohne sich die Zeit zu nehmen, um seine Naginata wieder zurückzuziehen, schwang er das stumpfe Ende der Gleve in einem hohen Bogen nach unten, es direkt auf das Haupt seines Widersachers niederbringend. Yujiro schnappte nach Luft. Schnell hob er sein Schwert über den Kopf, wobei er mit der linken Hand die untere, flache Seite seiner Klinge nahm, um sich dem gegnerischen Hieb leichter widersetzen zu können.
Mit einem dumpfen Schlag prallten sie aufeinander, als der Chūnin den hölzernen Schaft der Naginata auffing. Währenddessen nutzte Takeru diesen Augenblick aus, um seinem Gegner einen starken Tritt in den Bauch zu versetzen, der Kiyonori zu Boden warf.
Unsanft kam Yujiro auf der Erde auf und blickte unverzüglich nach vorne. Erst jetzt bemerkte er, dass er einer der letzten Iga-Krieger war, der sich noch gegen die Oda wehrte. Diese Erkenntnis sowie der Aufprall halfen dabei, ihn zur Vernunft zu bringen. Er würde gleich sterben, wenn er nicht sofort floh.
„Ist das alles, was du kannst?“, spottete Sowano.
Doch Yujiro ging darauf nicht ein und sprang stattdessen fluchtbereit auf die Beine.
„Nein, du entkommst mir nicht!“, rief Takeru.
Sowano, der seine Gleve so vor sich hielt, dass die Klinge das Gras berührte, brachte sie diagonal hoch, auf Kiyonoris Kopf zielend. Der Chūnin hatte kaum genug Zeit, um sich richtig auf einen weiteren Angriff vorzubereiten, und wich deshalb zurück. Zu seinem Entsetzen streifte ihn die Glevenklinge am Gesicht und riss ihm die Wange direkt unter dem rechten Auge auf.
Er zuckte vor Schmerz zusammen und bemerkte, dass die Oda ihn bald vollständig umzingeln würden. Als er wieder einmal sah, wie Takeru kurz davor war mit seiner Naginata zuzustoßen, griff er nach seinem Messer und schleuderte es ins Gesicht seines Erzfeindes. Obwohl sich Sowano noch rechtzeitig ducken konnte, reichte Yujiro diese Ablenkung, um sich umzudrehen und auf den Graben zuzurennen.
„Wo willst du hin?!“, hörte er Takeru frustriert hinter sich rufen.
Er brauchte nicht einmal über die Schulter zu schauen, um zu wissen, dass ihm mehrere Oda-Krieger dicht auf den Fersen waren. Verzweifelt wurde es ihm bewusst, dass es ihm nie gelingen würde, über den Wassergraben zu springen und anschließend über den Erddamm zu kommen. Doch er hatte keine weitere Wahl. Entweder starb er in einem Versuch, über den Graben zu gelangen, oder er würde von einem Haufen Kriegern zerstückelt werden.
Ohne nachzudenken, sprang er über den Wassergraben und landete ganz am Rande des Erddamms. Unvermittelt verlor er das Gleichgewicht und begann rücklings in den Graben zu stürzen. Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen war er sich sicher, dass sein Leben in wenigen Sekunden enden würde, während er rückwärtsfiel.
Plötzlich spürte er, wie er am Arm gepackt und sein Sturz somit verhindert wurde. Hoch erfreut blickte er in Daisukes Gesicht auf. Yujiro fühlte den Luftzug einer Klinge, die ihn knapp verfehlte, als ihn sein Waffenbruder eiligst hochzog. Mit einem angestrengten Stöhnen brach er vor den Füßen seines Freundes zusammen.
Bevor er sich bei ihm bedanken konnte, ergriff Daisuke wieder seinen Yari, den er neben sich in den Boden gerammt hatte. Hastig stach er damit nach einem Bushi, der gerade abgesprungen war, um auf der anderen Seite des Grabens anzukommen. Der Samurai zuckte zusammen und stöhnte vor Schmerzen auf, als er mit einem Schrei in den Graben taumelte.
An die Oberfläche kommend, grub er seine Finger in den Erddamm und versuchte heraufzuklettern. Blutunterlaufene Augen blickten flehend zu ihnen herauf. Doch Daisuke stach die Speerspitze in den Kopf des Bushi, der mit einem letzten Todesschrei im Wassergraben unterging und nicht mehr auftauchte.
Tief einatmend wischte sich Daisuke den Schweiß von der Stirn. Er wollte sich gerade zu Yujiro umdrehen, der immer noch fassungslos auf dem Boden kniete, als er einen Schrei vernahm.
„Hier! Wir haben die Verteidigung durchbrochen!“
Die zwei Männer sahen gerade noch rechtzeitig, wie ein wagemutiger Bushi über den Graben sprang. Ein Oda-Shinobi, der sich auf ihrer Seite des Erddamms befand, fing den Unterarm des Samurai auf und zog ihn hoch. Entgeistert beobachteten Daisuke und Kiyonori, wie weitere feindliche Shinobi Anlauf nahmen und anschließend auf die ausgestreckten Hände eines Kameraden sprangen, der sie über den Graben beförderte.
„Kommt schon! Helft mir!“, hörten Daisuke und der Chūnin Suzaku rufen, der neben dem bewusstlosen Rintaro kniete.
Unverzüglich wachten sie aus ihrer Trance auf. Sie wussten, dass sie augenblicklich flüchten mussten, wenn sie zu überleben hofften.
Beide liefen gerade auf Suzaku zu, um ihm zu helfen, als Yujiro aus den Augenwinkeln auffing, wie einer der Oda-Shinobi, der den Graben überquert hatte, nach einem Gegenstand in seinem Kimono griff. Kiyonori brauchte nur einen Blick von der weißen, runden Kugel zu erhaschen, da wusste er, was es war.
„Yoshida-san!“, brüllte er und schoss auf einen älteren Iga-Krieger nicht weit von ihm zu, während der Oda-Shinobi ausholte, um die Granate zu werfen. „Runter!“
Er sah gerade noch, wie die Bombe geschleudert wurde und ungefähr in ihre Richtung flog. Yoshida begriff nur zu spät, was sein Vorgesetzter mit seinem Befehl meinte.
„Granate!“, rief Yujiro und warf Yoshida mit sich zu Boden. Ein lauter Knall ertönte. Der Chūnin und sein Untergebener wurden von der Explosion etwas weggeschleudert und der Erstere spürte, wie ihn Splitter knapp verfehlte, als es seinen Arm streifte und etwas versengte.
Leise stöhnend erhob er sich und zog den hustenden Yoshida auf die Beine. Dieser schien von der Explosion unversehrt geblieben zu sein. Dankbar nickte er seinem Retter zu.
„Yujiro!“, rief Suzaku, der bereits zusammen mit Daisuke und Rintaro viel weiter ins Dorf vorgedrungen war. „Komm doch endlich! Wir haben keine Zeit mehr! Momochi-sama hat den Rückzug schon seit langem veranlasst!“
Zögernd blickte Kiyonori die wenigen Iga an, die sich gegen die Oda wehrten. Sie alle würden sterben, wenn ihnen niemand half. Als es ihm jedoch bewusst wurde, wie viele Oda-Soldaten auf sie zustürmten und wie schnell die sich widersetzenden Iga-Krieger abgeschlachtet wurden, änderte er seine Meinung.
Widerwillig wandte er sich ab und rannte zu seinen fliehenden Waffenbrüdern. Sobald er Daisuke und Suzaku erreichte, half er ihnen mit Rintaros Last, bevor sie mühsam versuchten zu viert zu flüchten.
Verzweifelt musste Yujiro innerlich zugeben, dass sie nicht wenige Verluste erlitten hatten … Nun hatten sie nur noch eine einzige Chance. Sie würden sich an ihrem Stützpunkt versammeln müssen, um von dort aus ihr letztes Gefecht zu führen: in der Festung Kashiwara.