Читать книгу Shinobi - Die Auslöschung - Danny Seel - Страница 17
Оглавление11. Der Feind vor dem Tor
„Sie sind hier.“
Yujiro spürte, wie die Verzweiflung in ihm hochstieg, als er die unzähligen Krieger hinter den Reisfeldern von der Festung von Kashiwara erblickte. Die Oda waren einige Stunden nach Sonnenaufgang erschienen und hatten die Zeit genutzt, um ihr Lager aufzuschlagen und um ihre Truppen für den Angriff vorzubereiten. Kiyonori, Daisuke und Suzaku schauten abwechselnd durch einen kleinen Pfeilschlitz in der Mauer.
„Es sind so viele“, stellte Suzaku hoffnungslos fest. „Wenn es sogar unmöglich ist auch nur einen Bruchteil von ihnen zu vernichten, wie sollen wir dann diese Belagerung je überleben?“
„Verzweifle nicht“, bemühte sich der Chūnin, ihn zu ermutigen. „Wenigstens trennen uns die Mauern voneinander, die sie zuerst überwinden müssen.“
In trauriger Stimmung schüttelte Daisuke den Kopf. „Unsere Mauern können so eine Übermacht nicht aufhalten.“
Yujiro wollte ihm widersprechen, beschloss jedoch keine Debatte anzufangen, da diese ihnen sowieso nichts bringen würde. Stattdessen richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die feindlichen Truppen, die dauernd in Bewegung waren und ihre Positionen einnahmen.
Plötzlich vernahmen sie die dumpfen Schläge von Kriegstrommeln und lautes Geschrei erfüllte die Luft.
„Sie greifen an!“, schrie Kiyonori alarmiert und drehte sich zu der Menschenmenge im Innenhof um. Verängstigt brachen einige von ihnen in Panik aus, sodass es so laut wurde, dass sie sich gegenseitig kaum verstehen konnten.
„Ruhe!“, rief eine autoritative Stimme.
Der Chūnin sah in die Menge und konnte dort mittendrin einen älteren Mann ausmachen, der anscheinend einer der Jōnin war.
„Alle Frauen und Kinder müssen jetzt den Innenhof verlassen! Sofort!“ Sich umschauend blieb sein Blick auf einer kleinen Gruppe von Männern hängen. „Ihr da! Besorgt die Fernwaffen und teilt sie aus!“
Sobald diese mit einer flüchtigen Verbeugung fortrannten, um ihre Aufgabe auszuführen, wandte sich der Jōnin an alle anderen. „Jeder, der nicht weiß, wie man mit einem Bogen oder einer Hakenbüchse umgeht oder keine Fernwaffe hat, muss sofort in einem der Häuser Schutz suchen!“
Die Menge wurde unruhig, als viele versuchten, den Innenhof zu verlassen, um sich in Sicherheit zu bringen. Einen Augenblick später erschienen einige Männer, die den Iga-Kriegern Fernwaffen sowie Munition austeilten. Somit bekamen auch Yujiro und Daisuke einen Bogen, während Suzaku eine Luntenschloss-Arkebuse gegeben wurde.
„Positioniert euch an den Schießscharten!“, befahl Momochi, wobei er selbst einen Bogen ergriff.
Daisuke und Kiyonori konnten noch den Platz neben einer der Pfeilschlitze einnehmen, doch Suzaku hatte weniger Glück und musste sich hinter ihnen stellen. Unverzüglich begann er seine Hakenbüchse zu laden. Er würde die Schießscharte seiner beiden Waffenbrüder benutzen müssen, sobald seine Luntenschloss-Arkebuse schussbereit war.
Die drei Männer gehörten zu den Glücklichen, denn der Großteil ihrer Kameraden mussten im Innenhof im Freien stehen und von dort aus schießen. Dabei wären sie jeglichen feindlichen Projektilen ausgeliefert.
„Danke“, murmelte Yujiro einem kahlen Mann zu, der ihm und Daisuke ein oder zwei Dutzend Pfeile reichte.
Eilig nahmen die zwei die Projektile entgegen, bevor sie sie in den Boden vor ihren Füßen steckten, um während des Kampfes schneller nach ihnen greifen zu können. Suchend blickte sich der Chūnin nach seinem Neffen um, bis er ihn nicht weit von sich hinter einer der Mauern mit einem Bogen in der Hand erblickte. Zu seiner Überraschung bemerkte er Ryuzakis wütende Miene, die nur Entschlossenheit auszudrücken schien. Er konnte bloß hoffen, dass dem jungen Mann nichts geschehen würde.
„Es ist nicht mehr dasselbe ohne Izuya und Rintaro“, flüsterte Daisuke, der sich mit dem Rücken links vom Pfeilschlitz an die Mauer lehnte, während Kiyonori rechts davon eine ähnliche Position einnahm, wobei er den Bogen gesenkt vor sich hielt.
„Da hast du leider Recht“, stimmte ihm Suzaku zu, der damit beschäftigt war, seine Luntenschloss-Arkebuse zu laden.
„Wie dem auch sei …“, räusperte sich Yujiro, „Daisuke, wir machen’s abwechselnd. Du schießt, während ich meinen Bogen spanne und ich schieße, während du den deinen spannst. Ist das klar?“
Nachdem ihm Daisuke zugenickt hatte, blickte er durch die Schießscharte und verengte die Augen.
„Oh nein“, murmelte er monoton, sobald er sah, wie nahe die kommenden Oda bereits an der Festung waren.
„Was ist?“, wollte Daisuke beunruhigt wissen und versuchte dem Blick seines Waffenbruders zu folgen.
Der Chūnin antwortete nicht sofort und schaute die feindlichen Truppen einen Moment lang an. „Es sieht so aus, als wären alle kommenden Oda-Einheiten mit Arkebusen und Bogen bewaffnet. Zumindest glaube ich, dass all ihre anderen Soldaten zurückgeblieben sind.“
Wütend schlug Daisuke mit dem Ellbogen gegen die Mauer und unterdrückte einen Fluch. „Wir sind erledigt. Sie werden uns alle niederschießen.“
Yujiro sah ihn kurz an und hoffte, dass sich sein Waffenbruder irrte. Eine plötzliche Explosion, die sofort von Todes- und Schmerzensschreien gefolgt wurde, ließ ihn aufzucken. Daisuke und er blickten schnell durch den Pfeilschlitz und konnten gerade noch aufschnappen, wie eine Handvoll schreiender Oda-Soldaten zu allen Seiten geschleudert oder emporgewirbelt wurde. Dabei wurden einige von der Kraft der Explosion auseinandergerissen oder von den Flammen verschlungen.
Viele der Iga-Krieger brachen in Jubelgeschrei aus. Anscheinend funktionierten ihre Minenfelder einwandfrei. Doch gleich darauf erklang wütendes Kriegsgeschrei seitens der Oda und jeglicher Jubel in der Festung ebbte ab, als sie sich erneut auf die Verteidigung konzentrierten.
„Haltet euch bereit!“, kommandierte Tanba, der die eilenden Schützen der Oda gebannt beobachtete. „Wartet auf mein Zeichen, dann schießt! Danach Feuer nach eigenem Ermessen!“
Sich beeilend legte Yujiro einen Pfeil ein und blickte auf Suzaku. Dieser war gerade dabei, ein Stück Filz in den Lauf der Hakenbüchse zu stopfen. Angriffsbereit nickte Daisuke Kiyonori auffordernd zu. Der Letztere begriff sofort, was sein Waffenbruder meinte und stellte sich vor den Pfeilschlitz. Sobald er seinen Bogen gespannt hatte, visierte er einen laufenden Ashigaru inmitten der Reihen der Oda an und wartete auf den Befehl seines Herrn.
Er versuchte seine Nervosität herunterzuschlucken, während er die näherkommenden Truppen beobachtete, die einfach zahllos zu sein schienen. Frustriert bemerkte er, wie seine Kraft langsam zu weichen begann, als er weiter die Sehne gespannt hielt. Den Fußsoldaten in der Ferne beäugend, hoffte er, dass Tanba bald das Kommando geben würde.
„Jetzt!“
Kaum hatte Momochi das Signal gegeben, ertönte das Zischen von Pfeilen sowie die Knalle von Luntenschloss-Arkebusen. Yujiro wartete nicht ab, um nachzusehen, ob er getroffen hatte, und trat schnell zur Seite, um Daisuke schießen zu lassen. Doch die Schmerzensschreie, die aus den Reihen der Oda kamen, waren ausreichend, um ihm eine Genugtuung zu verleihen.
Während er einen Pfeil aus dem Boden zog und ihn einlegte, schoss Daisuke ab und zog sich wieder zurück, wobei er seinen Rücken erneut gegen die Mauer drückte. Eilig spannte der Chūnin seinen Bogen und stellte sich vor die Schießscharte. Sein Herz schlug wild, als er feststellte, dass sich die feindlichen Truppen bereits positioniert hatten und nun selbst ihre Bogen spannten oder Hakenbüchsen luden. Nach zwei Sekunden des Zielens feuerte er seinen Pfeil auf einen Fußsoldaten ab. Im selben Moment wurden unzählige Projektile von den Oda abgeschossen.
„Macht Platz!“, hörte er Suzakus Ruf hinter sich.
So schnell er nur konnte, trat Yujiro zur Seite und legte erneut einen Pfeil ein, während Suzaku seine Luntenschloss-Arkebuse in den Pfeilschlitz schob und zielte. Sobald er jemanden anvisiert hatte, drückte er ab und zog sich wieder hinter seine beiden Waffenbrüder zurück.
Mit einiger Frustration schaute Daisuke den Rauch an, den Suzakus Schuss vor der Schießscharte erzeugt hatte. Er wollte sich gerade vor den Pfeilschlitz stellen, doch Knalle, die außerhalb der Festung kamen, ließen ihn seine Meinung ändern. Ohrenbetäubende Schüsse, die kurz darauf von zischenden Pfeilen gefolgt waren, erfüllten die Luft, als die Projektile auf die Festung von Kashiwara niederregneten.
Plötzlich vernahm Kiyonori Schmerzensschreie hinter sich. Sich über die Schulter blickend, bekam er einen wahrhaftigen Pfeilhagel zu Gesicht. Manche der Iga-Krieger, den Bogen in der Hand und kurz vorm Abschießen, sackten zu Boden, als sie von Pfeilen durchlöchert wurden.
Ein Schrei neben Yujiros Ohr ließ ihn erschrocken aufzucken. Unwillkürlich sah er, wie einer seiner Männer, der vor einer Schießscharte stand, sich mit beiden Händen den Bauch hielt. In ihn war offensichtlich eine Kugel eingedrungen, die es anscheinend erstaunlicherweise geschafft hatte, durch den Pfeilschlitz zu gelangen.
„Schneller! Schießt schneller!“, wurden er sowie viele andere von einem Ruf eines Kameraden aus ihrem tranceartigen Zustand gerissen.
Daisuke reagierte rascher als der Chūnin und feuerte zuerst ab. Während die Oda eine weitere Salve abschossen, trat Kiyonori vor die Schießscharte und zielte auf einen Samurai. Er ließ die Sehne los, zog sich wieder zurück und presste sich gegen die Mauer. Dabei ließ er kurz den Blick über den Innenhof wandern. Vor seinen Augen sah er, wie vier oder fünf seiner Kriegskameraden schreiend von Pfeilen niedergestreckt wurden. Wütend biss er sich auf die Zähne.
Sobald der Platz vor dem Pfeilschlitz wieder leer war, trat er erneut heran und schoss nach kurzem Zielen ab. Während er sich zurückzog, riss er die Augen entsetzt auf, als er Zeuge eines Unglücksfalls wurde.
Einer der Schützen hatte anscheinend nicht aufgepasst und seine brennende Zündschnur versehentlich das Schießpulver in der offenen Zündpfanne anzünden lassen. Ein Knall ertönte und die Hakenbüchse feuerte einem nahestehenden Mann eine Kugel ins Ohr ab. Das Opfer taumelte nach einem Todesschrei zu Boden, wobei der andere Krieger, der den unbeabsichtigten Mord begangen hatte, schockiert neben der Leiche auf die Knie fiel und seinen leblosen Kameraden an den Schultern rüttelte.
Hastig widmete Yujiro seine Konzentration wieder der gegenwärtigen Aufgabe. Während Daisuke die Schießscharte besetzte, warf er Suzaku einen Blick zu. Der Letztere war diesmal damit beschäftigt den Ladestock an der Außenseite des Laufs zu befestigen und schien mit dem Laden beinahe fertig zu sein.
Inzwischen drückte sich Daisuke erneut an die Mauer neben dem Pfeilschlitz, um einen neuen Pfeil einzulegen, als ihnen Suzaku mit den Worten „Ich schieße!“ Bescheid gab, dass sie Platz für ihn machen sollten. Flink ging er an die Schießscharte heran und feuerte nach einigen Sekunden ab. Dann zog er sich wieder zurück und griff nach einem Behälter voll Pulver, der an seinem Obi hing.
Erneut spannte der Chūnin seinen Bogen und schoss ab. Dieses Mal verfolgte er neugierig den Pfeil, der blitzschnell durch die Luft sauste, bevor er einen Bushi niederstreckte. Doch zu seiner Entrüstung stand der Bogenschütze wieder auf. Yujiro bemerkte missvergnügt, dass sein Projektil einfach in der Schulterplatte des Samurai steckte, der wütend einen Pfeil einlegte.
Frustriert wich Kiyonori zurück, als auf einmal ein Muschelhorn das Kampfgewühl übertönte.
„Rückzug!“, vernahm er den Ruf eines der Oda-Kommandanten.
Bald darauf hörten die Schüsse sowie das Zischen von Pfeilen auf. Der Chūnin riskierte einen Blick durch den Pfeilschlitz.
Die Oda zogen sich zurück!