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15. Akemis Bedrängnis

Die Erlebnisse der vergangenen Nacht nahmen Yujiro den Rest seines Schlafs und ließen ihn aufwachen. Langsam öffnete er die Augen und bemerkte, dass er eine der letzten Personen im Zimmer sein musste, die wach geworden war, denn bis auf Akemi, war der Raum vollkommen leer. Diese lag in genau derselben Position, wie er sie vor mehreren Stunden gesehen hatte, als er eingeschlafen war. Sobald er sie ansah, bemerkte er, dass sie nicht schlief, sondern mit einem abwesenden Blick vor sich hin starrte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er etwas besorgt und erhob sich, um sich neben ihr hinzusetzen.

Akemi schaute ihn flüchtig an und wischte sich schnell die Tränen aus den Augen. Sie setzte sich aufrecht hin, wagte es jedoch nicht, den Blick zu heben, und starrte weiterhin den Boden an.

„Ich …“, fing sie an, konnte aber nicht den Satz beenden.

Der Chūnin schaute ihr in die Augen und sah ihre gewaltige Traurigkeit sowie die Tränen, die sich erneut bildeten.

„Akemi-chan“, begann er aufmunternd, „Wir haben immer noch eine Chance. Wir können noch überleben.“

Obwohl es stimmte, dass diese Möglichkeit vorhanden war, zweifelte er selber daran. Doch natürlich verschwieg er es ihr gegenüber.

„Das ist es nicht“, flüsterte sie leise.

Ihr Gesicht musternd, begriff er, dass es nicht die Angst, sondern der Kummer und die Sorge waren, aus ihrem Blick sprach. Zuerst sagte er nichts und versuchte seine Gedanken zu sammeln.

„Jetzt ist nicht der richtige Augenblick für die Trauer“, merkte er sanft an. „Dafür wird es später Zeit geben. Im Moment musst du stark sein.“

Seine Nichte schüttelte den Kopf, unfähig ihre Tränen weiter zurückzuhalten. „Ich kann’s nicht. Es ist zu schwer.“

„Akemi-chan, sieh mich an.“

Sie zögerte kurz, unwillig ihm zu zeigen, dass sie weinte. Schließlich hob sie den Kopf und schaute ihn an.

„Doch, du kannst es“, fuhr ihr Onkel fort. „Glaub mir, ich fühle mit dir …“ Er hielt kurz inne. „Würde hier jeder in der Festung seine Trauer vorläufig nicht unterdrücken, wie würden wir weiterkämpfen? Wenn du das nicht für dich selbst tun möchtest, tue es für Imai-kun.“

Überrascht blickte ihm Akemi tiefer in die Augen. Sie spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Von der Peinlichkeit berührt, sah sie weg und senkte den Blick.

„Woher wissen Sie das?“, fragte sie in einem flüsternden Ton, der beinahe verletzt klang. Sie schien es unangenehm zu finden, über Ayato zu sprechen.

„Bisher habe ich es nur geahnt“, antwortete Yujiro. „Doch jetzt sehe ich die Bestätigung in deinen Augen … Wie dem auch sei, was ich damit sagen möchte, ist, dass du dich nicht von deiner Betrübnis verschlingen lassen sollst. Verschwende nicht deine Zeit damit, in der Vergangenheit zu leben … und darüber nachzudenken, was hätte sein können.“

Er machte eine Pause, als er sich daran erinnerte, denselben Gedanken viele Jahre lang gehabt zu haben. Was wenn er Takeru irgendwie hätte davon abhalten können, seinen Vater zu ermorden? Er schüttelte leicht den Kopf, um zurück in die Gegenwart zu gelangen.

„Denk doch darüber nach. Es wird dir das Leben erleichtern – das kann ich dir aus meiner persönlichen Erfahrung versichern. Quäl dich nicht mit solchen kränkenden Gedanken.“

Akemi, die beinahe bewegungslos geblieben war, mit Ausnahme von der unregelmäßigen Hebung und Senkung ihrer Brust, als sie ihr Schluchzen unterdrückte, sah wieder zu ihm auf. Dieses Mal schien sie mehr Willenskraft zu haben, ihren Kummer vorläufig zu verdrängen.

„Bist du gewillt, dies zu versuchen?“, fragte er.

Schluckend blickte Akemi auf die Halskette hinab, die um ihren Hals hing und las zum hundertsten Mal, was auf ihr eingraviert war: Für immer miteinander verbunden. Yujiro wusste, dass es ein Geschenk von Ayato war. Als ihre Augen dann zusätzlich in weite Ferne zu schauen schienen, wusste er, dass sie gerade an ihn dachte.

„Ja“, erwiderte sie mit einiger Zuversicht.

Kiyonori schmunzelte leicht. „Dann würde ich dir raten, es draußen an der frischen Luft zu tun. Es hat mir immer geholfen, wenn ich mal nachdenken musste.“

Er erinnerte sich an die nächtlichen Spaziergänge, die er gemacht hatte, als er noch in Nabari lebte. Jetzt war das Dorf wahrscheinlich nichts mehr als Schutt und Asche …

Er wollte sich gerade zur Tür drehen, hielt jedoch an, sobald er Akemis bittende Stimme vernahm.

„Wartet.“

Der Chūnin drehte sich wieder zu ihr zurück.

Etwas zögerlich blickte sie ihn an. „Ich möchte mit Ihnen gehen … Ich würde gerne meiner Mutter helfen.“

Yujiro nickte, zufrieden darüber, dass seine Worte sie überzeugt und sogar dazu angespornt hatten, anderen zu helfen. Er wartete, bis sie aufgestanden und ihm nähergekommen war. Sie schien etwas sagen zu wollen, denn sie blieb unsicher vor ihm stehen.

„Danke“, flüsterte sie. Es kam ihr direkt aus ihrem Herzen. „Ihre Worte waren mir eine große Hilfe.“

Kiyonori lächelte sie erfreut an. Er öffnete die Schiebetür und ging durch zwei Zimmer, die halb voll von Menschen waren. Als er die Eingangstür erreicht hatte, machte er sie auf, trat zur Seite und ließ seine Nichte zuerst herausgehen. Anschließend verließ er selbst das Haus und schloss die Tür. Akemi wartete auf ihn und folgte ihm dann zum Hauptgebäude. Sobald sie es betraten, blieben sie stehen, angewidert von dem Gestank des Blutes, der die Luft verpestete. Akemi warf Yujiro einen unruhigen Blick zu, als sie die Stirn vor Unsicherheit runzelte.

„Onkel …“ Beschämt senkte sie ihren Kopf. „Wie gewöhne ich mich daran all das … Blut … zu sehen?“

Der Chūnin schaute seine Nichte ein wenig verblüfft an. Sie schien entschlossen dazu zu sein, ihrer Mutter zu helfen, obwohl sie dadurch ihrer Furcht ins Gesicht sehen werden müsste.

„Nun“, antwortete er. „Meine Pflicht gegenüber unserer Heimat verlangte gelegentlich das Blutvergießen und so habe ich mich daran gewöhnt. Und was dich angeht … ich schätze, dass du dich nur an Blut gewöhnst, wenn du es öfter siehst.“

Als er sah, dass ihr diese Antwort genügte, obwohl sie anscheinend auf eine andere gehofft hatte, steuerte er auf die nächste Tür zu. Er nickte einem Mann zu, der im Korridor mit einem gebrochenen Arm saß und seinen Gruß erwiderte. Seufzend betrat er ein Zimmer durch die offene Tür und trat zur Seite, damit Akemi hereingehen konnte.

Im Raum erblickten sie Dutzende Verletzte, wobei nicht wenige der Wunden dem nächtlichen Angriff entstammten. Yujiro stellte fest, dass obwohl ihr Überraschungsangriff den Oda viel mehr Verluste zugefügt hatte, sollten sie ihre Attacken fortsetzen, würden sie bald nicht genügend Männer haben. Und die Oda würden immer noch mit ihrer riesigen Armee vor Kashiwara lagern. Es mochte sein, dass sie mehr feindliche Krieger getötet als eigene verloren hatten, doch trotzdem schien es alles angesichts der erdrückenden, gegnerischen Übermacht vergebens zu sein.

Kiyonori riss sich aus seinen düsteren Gedanken, sobald er bemerkte, dass Akemi vor der Tür angehalten war, immer noch ein wenig unsicher. Er sah, wie seine Nichte eine ältere Frau dabei beobachtete, wie diese ein Tuch in eine Schüssel voller Wasser tauchte, bevor sie es an die Wunde, um den Schaft des Pfeils eines Verletzten, presste. Aus Reflex zuckte der Verwundete zusammen und stöhnte laut auf. Schluckend blickte Akemi ihren Onkel an und seufzte. Tief einatmend schritt sie zu ihrer Mutter, die einen älteren Mann pflegte, um sie zu fragen, wie sie ihr helfen konnte.

Der Chūnin folgte ihr mit den Augen, wandte jedoch dann seine Aufmerksamkeit einem Verwundeten zu, der auf dem Boden lag. Besorgt näherte er sich Sawada, der ins Leere starrte, und blieb vor ihm stehen. Dieser war kürzlich von einem Pfeil am Schenkel getroffen worden, und Yujiro hatte bis jetzt nicht die Chance gehabt, nach ihm zu sehen, obwohl er sich um seinen ehemaligen Lehrmeister große Sorgen machte.

„Guten Tag Sawada-san. Ich hoffe, Ihnen geht es gut, trotz der Umstände …“

Der Alte schaute ihn so an, als ob er aus einer Trance erwachte. „Guten Tag, Kiyonori-san. Ich habe zwar noch viele Schmerzen, doch es geht mir tatsächlich schon besser und ich werde es überleben … glaube ich.“

Er schmunzelte leicht amüsiert. Yujiro lächelte aufrichtig zurück, unfähig die Besorgnis über seinen ehemaligen Lehrmeister loszuwerden.

„Das heißt, dass Ihr keine Symptome einer Blutvergiftung aufweist?“

Sawada öffnete den Mund, doch ein alarmierter Schrei von draußen kam ihm zuvor.

„Entschuldigen Sie mich bitte“, sagte Kiyonori Sawada und drehte sich hastig um, bevor er aus dem Zimmer Richtung Eingang eilte.

Ohrenbetäubende Geräusche erfüllten die Luft und er schluckte ein wenig nervös. Der Chūnin kam gerade an seinem Zielort an, um zu sehen, wie ein Mann mit einem Ausdruck von Schrecken auf dem Gesicht die Eingangstür aufriss.

„Sie sind da! Sie bestürmen die Fes–“

Er brach mitten im Satz ab, als sich ein Pfeil in seinen Rücken bohrte und sein Herz durchstach. Bestürzt starrte er Yujiro an und sackte dann leblos vor der Tür zusammen. Der Erstere weitete die Augen, sobald er die Bedeutung dieser Worte verstand.

Shinobi - Die Auslöschung

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