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2 Schulpädagogische Lehrerprofessionsforschung

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Diskussionen um Lehrerprofessionalität und -professionalisierung beginnen in einschlägigen Einführungswerken und wissenschaftlichen Publikationen nicht selten mit einer Annäherung an den Begriff der Profession, der schnell, gleichsam kurzschlussartig, die Charakteristika einer Profession im soziologischen Sinn aufmacht und dann im Vergleich des akademischen Feldes bemerkt, dass sich der Lehrer*innenberuf gar nicht so einfach mit den klassischen Zugängen zum Professionsbegriff, exemplarisch bemessen an den Disziplinen Jura und Medizin, vergleichen lässt.1 Im Anschluss erfolgt dann häufig die Diskussion darüber, inwiefern überhaupt von Lehrerprofessionalität, oder eher: „Semi-Professionalität“, gesprochen werden kann oder ob diese sich im Gegenteil nicht sogar stärker emanzipieren, ob dem Lehrerberuf eine Professionalisierungsbedürftigkeit oder ganz besondere -fähigkeit unterstellt werden müsse (vgl. zusammenfassend Lundgreen 2011; auch Tenorth 2006). Obwohl ich nun hier mit ebenjenem Einstieg genauso verfahren bin, wie ich es kritisch anklingen lassen wollte, möchte ich es sogleich hierbei belassen.2 Im Wesentlichen wurden die Diskussionen darüber, ob denn der Lehrberuf eine Profession sei, von einem professionstheoretischen Zugang abgelöst, der „für begrenzte Bereiche notwendige Kompetenzen der Professionellen zu bestimmen und Wege zu deren Erwerb zu skizzieren“ (Hericks/Keller-Schneider/Bonnet 2019: 598) versucht. Denn: Parallel geht mit der Anerkennung der Existenz von Lehrerprofessionsforschung einher, dass hiermit eine in besonderem Maße herausgestellte Tätigkeit verbunden ist, die komplexe Anforderungen bearbeitet und gleichzeitig vieler Ressourcen bedarf, die es daher auch wert ist, er- und beforscht zu werden, da Professionsforschung dann zu einer Entwicklung der Profession und ihrer Professionellen führen kann, ja im Grunde genommen sogar muss. Zuvorderst muss allerdings eine Differenzierung getroffen werden zwischen den Begrifflichkeiten Profession, Professionalität sowie Professionalisierung – jeweils unmittelbar bezogen auf die Spezifik des Berufs von Lehrerinnen und Lehrern:

 Eine Profession wird über bestimmte Tätigkeiten, charakteristische Anforderungen und spezifische Wissensstrukturen charakterisiert, die zudem in gewisser Weise institutionalisiert, akademisiert und organisiert sind. Sie stellt „the structural, occupational and institutional arrangements for dealing with work associated with the uncertainties of modern lives in risk societies“ (Evetts 2003: 297). Die Profession der Lehrerin/des Lehrers unterstützt damit (zumindest primär) Entwicklungsprozesse der Lernenden, die von Unsicherheiten geprägt sind, wobei im Kontext des Lehrerberufs für die Profession der Grundschullehrpersonen noch heute die Existenz einer spezifischen Wissens- und Kompetenzbasis bezweifelt [wird], da für sie ein hoher Anteil an pädagogisch-personalen, eher diffusen und wenig spezifisch-professionellen Fähigkeiten angenommen wird, wohingegen man Gymnasiallehrern aufgrund ihrer soliden Wissensbasis in den Unterrichtsfächern einen gewissen Respekt entgegenzubringen bereit ist. (Terhart 2011: 205) Selbst wenn man diese Sichtweise, wie sie Terhart stellvertretend formuliert, nicht vollkommen teilen kann oder will, zeigt sie doch die Brisanz und Schieflage innerhalb der Profession (und ihrer Außenwirkung als Statusgruppe), die sich von verschiedenen Tätigkeitsfeldern, Schulformen und Fächern in ihren je spezifischen Anforderungen, durch das Alter der Lernenden oder auch durch fachliche Tiefe bedingen lässt.

 Professionalität meint das kompetente Handeln im Beruf des Lehrers/der Lehrerin, wenn er/sie „über möglichst hohe bzw. entwickelte Kompetenzen und zweckdienliche Haltungen verfügt, die anhand der Bezeichnung ‚professionelle Handlungskompetenzenʼ zusammengefasst werden“ (Terhart 2011: 207) – gleichwohl die oben angedeuteten Elemente einer modernen, risikobehafteten und von Unsicherheit geprägten Gesellschaft (und Schülerschaft) dieses Handeln vor Herausforderungen stellen dürfte.

 Professionalisierung beschreibt in seiner Substantivierung des Verbs „(sich) professionalisieren“ einen aktiven Prozess, eine Entwicklung, die zudem aufgrund der Reflexivität mutmaßlich von der/dem – dann zunehmend – Professionellen ausgeht. Horn (2016) diskutiert dies in dreierlei Deutung: „1) Professionalisierung im Sinne der Professionwerdung eines Berufes, 2) Professionalisierung als Entwicklung von Professionalität, um professionell als Lehrer handeln zu können, 3) Professionalisierung als Ausprägung einer professionellen Identität“ (ebd.: 162). Erstere bezieht sich auf eine Konzeptbildung innerhalb der Profession bzw. dem Sich-Entwickeln einer Semi-Profession in Richtung einer etablierten und anerkannten (vgl. Terhart 2011), während die letzten beiden Deutungen auf das Handeln und die identitäre Herausbildung der individuellen Lehrkräfte abzielt, eine gewisse berufsbiographische Perspektive gleichsam mitdenkt und auszufüllen versucht.

Die Schwierigkeit des Professionsbegriffs führt an vielerlei Stellen zur Argumentation dahingehend, diesen Begriff aufzugeben zugunsten einer breiteren Verwendung von Professionalität zur „Rekonstruktion der Handlungs- und Anforderungsstruktur“ (Helsper/Tippelt 2011: 272) der professionell Agierenden sowie der Bearbeitung von Profession im Sinne einer „sozialen Welt pädagogisch Tätiger“ (Nittel 2011: 40), welche Nittel über wissenssoziologische, symbolisch-interaktionistische und berufsbiographische Ansätze mittels des Prinzips „lebenslangen Lernens“ (ebd.: 53) zu erschließen versucht. Dass diese Begriffsbestimmung im pädagogischen Kontext noch lange nicht abgeschlossen ist, machen Helsper und Tippelt (2011) in einer Gesamtschau aktueller Befunde und Diskussionen, beschrieben als „unendliches Projekt und strategischer Kampf um Anerkennung“ (ebd.: 275), mehr als deutlich. Reflexivität sehen sie dabei als zunehmend unausweichliche Anforderung für pädagogisches Handeln „gegenüber Adressaten, aber auch im Kontext von Institutionen und insbesondere gegenüber übergreifenden, etwa staatlichen Akteuren und deren Öffentlichkeit“ (ebd.: 282), das in diesem Sinne für die Professionalität als pädagogisch Tätige ein genuines Bestimmungsmerkmal darstellt.

Uneindeutig wird es begrifflich dann, wenn im wissenschaftlichen Diskurs von Professionsforschung gesprochen, aber möglicherweise Professionalisierungsforschung gemeint ist. Da der Begriff der Professionsforschung im deutschen Diskurs jedoch einschlägiger für beide Schwerpunkte verwendet wird, werde ich im Hinblick auf die konzeptionellen Beiträge zur Profession der (Fremdsprachen-)Lehrkraft (bzw. ihrer Lehrerbildner*innen) primär von Professionsforschung schreiben, dann die damit verbundenen Prozesse hingegen als Professionalisierung, als aktiv-gestalteten oder passiv-erlittenen Prozess, versuchen darzulegen.

Für dieses theoretische Einleitungskapitel in seinem allgemein-einführenden Anspruch ist es nicht das Ziel, die Ansätze von schulpädagogischer Professionsforschung so detailliert wie möglich mitsamt der in den letzten Jahren vorgelegten Forschung herauszuarbeiten3, sondern vor allem die groben schulpädagogischen Strömungen zu identifizieren, zu skizzieren und vor dem Hintergrund des in dieser Arbeit angelegten Forschungsschwerpunkts gegenstandsbezogen die Relevanz der Ansätze zusammenfassend herauszuarbeiten, um später hierauf zurückgreifen zu können. Eines der primären Ziele in der Darstellung ist daher zu untersuchen, inwiefern eine gewisse Strukturgebung einer auf Lehrerprofessionalisierung abzielenden Phase wie der des Vorbereitungsdienstes innerhalb der Professionsforschung be- und gegriffen werden kann.

Zur Professionalität der Professionalisierenden

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