Читать книгу Zur Professionalität der Professionalisierenden - David Gerlach - Страница 19

3.1.2 Beliefs, Subjektive Theorien und Reflexivität

Оглавление

Einen weitaus bedeutenderen Schwerpunkt bilden im Zusammenhang mit fremdsprachendidaktisch orientierter Professionsforschung seit 2000 Vorhaben und deren einschlägige Publikationen, welche sichtbar werden lassen, wie sich die subjektive Sicht der Lehrkräfte bzgl. ihrer Tätigkeit, z.B. auch bezogen auf konkrete fremdsprachendidaktische Konstrukte oder Methoden, konstituiert und wie sie reflexiv damit umgehen. In diesem Kontext fällt jedoch ebenfalls auf, dass Forschung zu dem Lehrer*innenberuf vorgeschaltete Motive bzw. zu Berufsbiographien überraschend kurz kommen. Valadez Vazquez (2014), Özkul (2011) und Dirks (2000) stechen für diesen Bereich insofern heraus, dass sie zumindest auf diese Berufswahlmotive sowie berufsbiographische (bei Valadez Vazquez (2014) identitäre) Entwicklungsprozesse fokussieren. Özkul (2011) kann beispielsweise in ihrem quantitativ orientierten Vorhaben aufzeigen, dass die Lehramtsstudierenden des Faches Englisch nicht primär aus Interesse am Fach Lehrerin oder Lehrer werden möchten, sondern aus einer Motivik heraus, die dem angestrebten Berufsfeld immanent zu schein scheint wie z.B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Auch positive Erfahrungen in der eigenen Schulzeit spielen eine bedeutende Rolle. Dennoch zeigt sich zusammenfassend, dass die befragten Personen sich für „diesen Beruf vornehmlich aus pädagogischen Motiven und [für] das Fach Englisch auf Grund ihres Interesses für die englischsprachigen Länder und Kulturen“ (ebd.: 229) sowie zur Förderung der eigenen Sprachkompetenz entscheiden, nicht jedoch aus englischdidaktischen oder primär kulturvermittelnden Motiven. Die EVENING-Studie (Evaluation Englisch in der Grundschule; vgl. Engel et al. 2009, Börner et al. 2013), die Englischlehrkräfte im Primarbereich untersucht, kann ähnliche Berufswahlmotive wie Özkul herausarbeiten, wobei hier aufgrund der Spezifität der Fremdsprache in der Grundschule auch bereits schon die frühe Bedeutung des Englischen in der Schullaufbahn gesehen wird, jedoch auch ein gewisser Wettbewerbsvorteil durch das Beherrschen des Faches als Grundschullehrkraft gesehen wird. Die Besonderheit, dass zahlreiche Lehramtsstudierende gleich zwei Fremdsprachen studieren, geht ebenfalls häufig damit einher, dass neben dem Berufswunsch Lehrer/Lehrerin ferner eine andere, außerschulische Perspektive im Anschluss gesehen oder zumindest offengehalten wird (vgl. Weiß/Kiel 2011), außerdem zeigen diese Studierenden erwartungsgemäß ein erhöhtes Interesse an den fachlichen Inhalten der Fremdsprache(n) (ebd.).

Basierend auf narrativen Interviews und mittels berufsbiographisch, struktur-, kompetenz-, sowie hier als „entwicklungstheoretisch“ gewendet, geprägter Konstrukte untersucht Dirks (2000), mit welchen Herausforderungen sich Englischlehrkräfte in den neuen Bundesländern seit der Wiedervereinigung konfrontiert sehen, ob und wie sie einen Rollenwechsel vollziehen und wie sie diesen reflexiv bearbeiten. Die von Dirks rekonstruierten Entwicklungsprozesse scheinen sich zunächst überwiegend nicht mittelbar auf die Spezifik einer Englischlehrkraft beziehen, sondern dürften Prozesse sein, die auch Lehrkräfte anderer Fächer aufgrund des sich im Bildungssystem vollziehenden Ideologiewechsels durchlaufen. Interessanterweise erleben sie jedoch bezogen auf das Fach Englisch gegenüber dem vorherigen Primat des Russischen eine Aufwertung, die sich ebenfalls positiv auf ihre subjektiv wahrgenommene Wichtigkeit als Lehrkraft auswirkt. Neue Lehr- und Unterrichtsmaterialien sowie strukturell neu gewonnener Freiraum erlauben den Englischlehrkräften innovatives Ausprobieren, was strukturtheoretisch gedeutet werden kann und sozial abgefedert wird: „Diese Experimentierphase stellt sich auf der individuellen Handlungsebene als eine produktive Verunsicherung dar, die durch den Verbleib in gewachsenen kollegialen Strukturen bzw. durch einen sozialen und psychischen Rückhalt im Kollegium und/oder durch private Stützsysteme aufgefangen wird.“ (ebd.: 211) Denjenigen Lehrerinnen und Lehrern, denen das reflexive Einholen dieser Innovationsräume nicht gelingt, misslingt auch eine Neuorientierung. Hieraus folgert Dirks entsprechend eine stärkere Implementation von (berufsbiographischer) Reflexion in den lehrerbildenden Phasen, was beispielsweise ebenfalls Reinartz (2003) im Kontext didaktischen Wissens hinsichtlich des Prinzips der Handlungsorientierung im Englischunterricht herausstellt. Hier zeigt sich eine Vertiefung bzw. Verschränkung theoretischen Wissens und seinem Anschluss an Praxis vornehmlich dann, wenn es situativ berufsbiographisch anwendbar wird.1

Reflexion als besondere Wissensform und Reflexivität als entwickelbare bzw. entwicklungsbedürftige Kompetenz bildet dabei ein verhältnismäßig breites Feld innerhalb der Fremdsprachenforschung, zumal wenn man noch die Forschung zu Subjektiven Theorien und Beliefs hinzunimmt (vgl. Caspari 2014), denen man unterstellen kann, dass sie über Reflexivität einer gewissen Bewusstmachung unterliegen können. Wenn über Reflexionsprozesse oder -kompetenzen im fremdsprachendidaktischen Diskurs gesprochen wird, erfolgt dies in der Regel im Anschluss an Deweys frühe Konzeptualisierung reflexiven Denkens (vgl. Dewey 1933) und Schöns prägende Unterscheidung von Reflection on und in action (vgl. Schön 1983, 1990). Im Anschluss an Dewey, Schön sowie Expertiseansätze arbeitet Roters (2012) im Vergleich von US-amerikanischen und deutschen Lehramtsstudierenden unterschiedliche Reflexionsniveaus heraus und leistet dabei einen Beitrag, Reflexivität innerhalb von (Fremdsprachen-)Lehrerbildung empirisch greifbar zu machen.2 Denn obwohl Reflexion und Reflexivität als essentielle Bestandteile erfolgreicher (Fremdsprachen-)Lehrerprofessionalität angesehen wird (vgl. z.B. Bach 2013, Gerlach 2015, Schädlich 2015, Abendroth-Timmer 2017), zeigt sich in zahlreichen Publikationen weiterhin ein erhebliches Forschungsdefizit bzgl. Reflexivität und Uneinigkeit darüber, wie wirksam und nachhaltig das Schaffen von Reflexionsanlässen tatsächlich ist, welche Auswirkungen eine reflektierte und reflektierende Lehrperson auf Lernendenleistungen im Fremdsprachenunterricht hat und wie sich die Wirkung von Reflexion auch je nach reflektiertem Gegenstand unterscheidet (vgl. Akbari 2007, Borg 2009, Mann/Walsh 2013).

Das Europäische Portfolio für Sprachlehrende in Ausbildung (EPOSA; Newby et al. 2007, Mehlmauer-Larcher 2012), konsensuell von einem Konsortium theoretisch hergeleitet, kann sowohl als normative Anforderungsfolie von Fremdsprachenlehrerkompetenzen wie auch als Reflexionsinstrument angesehen werden, bietet es doch angehenden Fremdsprachenlehrkräften die Möglichkeit, innerhalb verschiedener Domänen theoretischen Wissens und praktischen Handelns in Form einer Selbstdiagnose festzustellen, wo sie gewissermaßen bereits stehen und in welchen Feldern noch Entwicklungsbedarf vorhanden ist.3 Während ich selbst u.a. im Anschluss an EPOSA-Deskriptoren noch auf einer konzeptionellen Ebene der möglichen Integration von sogenannten Reflexionsaufgaben in fremdsprachenlehrerbildenden Seminaren verbleibe (vgl. Gerlach 2015), unternimmt Schädlich (2015) (auch mittels des EPOSA) den Versuch, Reflexionskompetenz durch die Überbrückung des Theorie-Praxis-Verhältnisses von Französischlehramtsstudierenden in deren Fachpraktikum auszuschärfen. In Anschluss u.a. an Farrell (2016), der selbst ein vielschichtiges, in seinen verschiedenen Bereichen auch empirisch belastbares Reflexionsmodell auf verschiedenen Ebenen von Lehrerpersönlichkeit bis Lehrer*innenhandeln und Berufsethos vorgelegt hat (vgl. Farrell 2015), stellt Abendroth-Timmer (2017) ein „Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion“ (ebd.: 111) mit verschiedenen Ebenen vor, die in Interaktion miteinander treten bzw. einander beeinflussen (s. Abbildung 6). Insbesondere bezogen auf Fremdsprachenlehrpersonen sieht Abendroth-Timmer „die identitätsstiftende Bedeutung der Sprache als Mittel zur Materialisierung der Reflexion und als Teil sozialer Praxis“ (ebd.: 121), welche sich wiederum im Handeln, der Abarbeitung theoretischer Konzepte sowie in unterrichtlicher Interaktion widerspiegeln kann und damit ein Konstrukt darstellt, das auch phasenübergreifend oder -spezifisch zur Rekonstruktion handlungsleitender Elemente in der Ausbildungs- und Lehrpraxis dienen könnte.

Abb. 6:

Modell zur Definition und Rahmung von Reflexion (Abendroth-Timmer 2017: 111).

Forschung zu Reflexion geht schnell über in Interventionsforschung (s. nächstes Kapitel) bzw. Projekte, die explizit Lehrkräfte zum Reflektieren anleiten, was Wipperfürth (2015) mittels des Konstrukts der Professional vision unternimmt. Durch den interaktiven Austausch und die Diskussion mit anderen Professionellen der gleichen Berufsgruppe, in diesem Fall mit Englischlehrkräften, können für die Interagierenden relevante thematische Schwerpunkte oder Herausforderungen der Praxis gemeinsam als Professional vision (vgl. auch Goodwin 1994) erarbeitet, reflektiert und lösungsorientiert verhandelt werden. In ihrer Studie analysiert Wipperfürth (2015) die in einem solchen Kontext genutzte Berufssprache, wenn erfahrene Fremdsprachenlehrkräfte gemeinsam mit Novizinnen und Novizen über videographierte Unterrichtsbeispiele diskutieren und ihr (Erfahrungs-)Wissen explizieren. Einen methodisch-methodologisch ähnlichen Weg geht Knorr (2015), wenn sie im Zusammenhang von Planungsgesprächen erster Unterrichtsvorbereitungen angehender Englischlehrkräfte die Ko-Konstruktion fachspezifischen Wissens und dessen Aushandlung beforscht. Sie zeigt hier u.a., dass der tatsächliche Planungsprozess der Studierenden anders verläuft, als die von ihr theoretisch zusammengetragenen Planungskonzepte – mögen sie allgemeindidaktisch oder fremdsprachendidaktisch orientiert sein – dieses anvisieren. Sie sieht eine stärkere Anleitung des Planen-Lernens als zielführend für professionelles Wissen und Handeln, da ein solches, instruiert und begleitet durch das Praktikumspersonal, eine größere Transparenz hinsichtlich der Ziele in dieser Ausbildungsphase bewirken könnte (vgl. auch Knorr 2016).

Einen weiteren, hier anschlussfähigen Forschungsschwerpunkt bildet die Frage danach, „[was] in den Köpfen von Fremdsprachenlehrer(inne)n vorgeht“ (Caspari 2014: 20) und meint damit den Forschungsbereich von Lehrerkognitionen, Beliefs und der Subjektiven Theorien, von denen letztere insbesondere aufgrund des in den 80er Jahren aufgelegten Forschungsprogramms großen Einfluss genommen hat (vgl. Groeben/Scheele 2010) und erstere verstärkt durch internationale Forschungsarbeiten geprägt und hier im Feld der Fremdsprachenlehrkräfte besonders mit dem Namen Borg (2003, 2006) verknüpft sind. Caspari (2003) untersucht in Anlehnung an die Annahmen des Forschungsprogramms Subjektive Theorien das berufliche Selbstverständnis von Fremdsprachenlehrkräften mittels Interviews und deren Sequenzanalyse sowie der Herausarbeitung von Strukturbildern, die sie im Anschluss an die innerhalb des Forschungsprogramms häufig verwendete Strukturlegetechnik beschreibt. Von drei Grenzfällen ausgehend, deren Selbstverständnis sie in ihrer Gesamtstruktur betrachtet, modelliert sie sowohl einen berufsbiographischen Zugriff des Selbstverständnisses, das stark von der eigenen Sprachlernbiographie der Lehrkräfte geprägt ist, sowie einen kompetenztheoretischen Zugriff, für den sie verschieden wahrgenommene Rollen und Funktionen der Lehrkräfte extrahiert. Auch in weiteren Arbeiten, die subjektive Sichtweisen herausarbeiten, zeigt sich, „dass es sich dabei um hoch komplexe Gebilde handelt, die insbesondere durch die eigene Lernerbiographie, die beruflichen Erfahrungen und die Wahrnehmung der Kontextfaktoren geprägt sind“ (Caspari 2014: 25). Caspari (ebd.) unterteilt neben den Schwerpunkten „Unterrichtsbeobachtung“ und umfassender subjektiver Theorien von Fremdsprachenlehrkräften die weiteren Forschungsschwerpunkte der Jahre 2000 bis 2013, auf die hier im Detail zumindest inhaltlich nicht in Gänze eingegangen werden kann, in die Bereiche „Bilingualer Sachfachunterricht“, „Grammatik und kommunikative Kompetenzen“, „Evaluation von Lernerleistungen“, „Mehrsprachigkeit – Mehrkulturalität – interkulturelles Lernen“ sowie „Prinzipien modernen Fremdsprachenunterrichts“ (ebd.: 25ff.), wodurch sich zeigt, dass besonders und zunehmend in methodisch-didaktischer Hinsicht subjektive Sichtweisen der Lehrerinnen und Lehrer als relevant eingeschätzt werden bzw. auch mehrperspektivisch die Lernendenseite berücksichtigt wird.4 Viebrock (2007) stellt ihrerseits methodologisch als eines der Fazits ihrer Rekonstruktion subjektiver didaktischer Theorien von Lehrpersonen zum bilingualen Erdkundeunterricht heraus, dass eine strenge Auslegung des Forschungsprogramms Subjektive Theorien, an das sich Caspari (2003) bewusst eher nur angelehnt hat5, speziell im Zusammenhang mit der kommunikativen Validierung von Daten, d.h. der Konfrontation der Probandinnen und Probanden mit den Analysen, „forschungsethische Probleme mit sich bringt“ (Viebrock 2007: 326). Gleichwohl betont sie als ein Ergebnis ihrer Untersuchung die auch für den bilingualen Unterricht geltende Bedeutung von Reflexion und der Bewusstmachung Subjektiver Theorien der Lehrpersonen als notwendigen Bestandteil im Professionalisierungsprozess und zur Bewusstmachung von individuell verfügbarem Wissen.

Schocker-von Ditfurths Studie (2001), die aufgrund des Erscheinungszeitpunkts vom Forschungsschwerpunkt Subjektive Theorien sowie Reflexion in Schönscher Tradition geprägt ist, wird durch ihr Design eines Fachpraktikums und dessen ethnographisch orientierter Evaluation als Interventionsansatz sichtbar (s.u.), fokussiert jedoch ebenfalls stark auf das berufliche Selbstverständnis und wie sich dieses im Rahmen eines entsprechenden Praktikumserlebens und -reflektierens entwickelt. So zeigt sie beispielsweise ein Zurückfallen der Studierenden in methodisch-didaktische Begründungszusammenhänge ihrer eigenen Schulzeit, die nur selten (oder gar nicht) mit den Ansprüchen und Konzepten eines modernen, d.h. schüler- und kommunikationsorientierten Fremdsprachenunterrichts zusammenzubringen sind, während das von ihr entwickelte Fachpraktikum hier eine deutliche Weiterentwicklung, vor allem reflektiert-nachvollziehbare Professionalisierung innerhalb des Studiums zur interdependenten Überbrückung der vermeintlichen Theorie-Praxis-Lücke sowie einen Zuwachs an Erfahrungs- und wissenschaftlichem Wissen bei den beforschten Subjekten erkennbar werden lässt. Dies gelingt innerhalb dieses Konzepts u.a. durch das konsequente Einholen des biographisch geprägten Selbstverständnisses und der Lehr- und Lernerfahrungen der angehenden Lehrkräfte innerhalb der Intervention.

Bezogen auf eine Vielzahl von englischunterrichtsrelevanten Fragestellungen untersucht Borg in mittlerweile fast 100 Publikationen und Metaanalysen die Beliefs von Englischlehrkräften in verschiedenen globalen Kontexten. Neben diesen umfassenden und einschlägigen Publikationen, die auch schon früh in umfassender Weise weitere Ergebnisse zu Lehrerkognitionsforschung zusammenfassen (z.B. Borg 2003), erarbeitet er selbst „A Framework for Studying Language Teacher Cognition“ (Borg 2006: 271ff.), um hierin seine eigenen Erkenntnisse münden zu lassen und für die verschiedenen, an Lehrerbildung beteiligten Personen und Institutionen nutzbar machen zu können. Er unterteilt einen potentiellen Forschungsansatz in zwei unabhängige Variablen: zum einen in die Teilnehmenden, welche noch in Ausbildung sein können (pre-service) oder schon Unterricht erteilen (in-service), zum anderen in Themen, welche generischer Natur sein können (Unterrichtsplanung, Didaktik, allgemeine Methodik) oder domänenspezifisch (Grammatik, fremdsprachliche Kompetenzen). Inwiefern sich dann Fremdsprachenlehrerkognition und das Beliefs-System konstituiert, stellt Borg mitsamt seinen Elementen und Prozessen mittels einer älteren Abbildung dar, die er aber in späteren Publikation weiter verwendet (s. Abbildung 7). Borg betont wiederholt die zeitlich andauernde Stabilität von Beliefs und Überzeugungen und damit ihre Trägheit und Innovationsresistenz (vgl. Borg 2003/2006). Dies bestätigt – interessanterweise zu Englischlehrkräften im Vorbereitungsdienst – Rossa (2017) in einem Werkstattbericht einer laufenden Studie. Er zeigt, dass deren Beliefs über den 18-monatigen Zeitraum in NRW erwartungsgemäß recht stabil bleiben und die strukturellen Schwierigkeiten des Vorbereitungsdienstes, die in Kapitel 4 noch ausführlich gewürdigt werden, die größten Herausforderungen bereiten. Manche Beliefs werden allerdings auch abgelöst oder um neue ergänzt. Rossa führt als neu adaptierte Beispiele auf: „a more structured approach in designing teaching sequences, breaking learning processes down to smaller steps, and the perceived importance of differentiated instruction” (ebd.: 205), didaktisch-methodische Wissensbestände also, die scheinbar erst mit der Übernahme eigener Klassen relevant zu werden scheinen.

Abb. 7:

Fremdsprachenlehrerkognition und Beliefs konstituierende Elemente und Prozesse (Borg 2003: 82).

Im Feld der internationalen Forschung zu Reflexivität und Beliefs fällt auf, dass dort im Gegensatz zur deutschen Forschung überwiegend von Identitätskonstrukten ausgegangen wird, die primär im Anschluss und in Tradition von Meads Self zu sehen sind und zudem auf das Herausbilden und eine Bewusstseinsentwicklung von Persönlichkeitsstrukturen durch das Individuum fokussieren (vgl. Mead 1973; für eine Übersicht von Identitätskonstrukten in der Fremdsprachenlehrerbildung international vgl. Miller 2009 und Schultze 2018), während beispielsweise das Forschungsprogramm Subjektive Theorien explizit als Deutungspostulat aufstellt:

 Kognitionen der Welt- und Selbstsicht

 als komplexes Aggregat mit (zumindest impliziter) Argumentationsstruktur,

 das auch die zu objektiven (wissenschaftlichen) Theorien parallelen Funktionen

 der Erklärung, Prognose und Technologie erfüllt. (Groeben/Scheele 2010: 153)

Interessanterweise spielt ein offeneres Konstrukt von Identität und ihrer (Aus-) Bildung dann wiederum im Kontext der Entwicklung interkultureller (kommunikativer) Kompetenz im fremdsprachlichen Unterricht – allerdings eher auf Seiten der Lernenden – eine gewichtige Rolle, bei dem individuelle Haltungen, Vorwissen sowie Fremdverstehen mittels der Sprache und Begegnung fremdsprachlich geprägter Kulturen offengelegt und gefördert werden sollen (vgl. Byram 1997, Busse/Göbel 2017). In verschiedenen Reflexionsmodellen ist häufig Identitätsbildung angelegt (vgl. z.B. Abendroth-Timmer 2017), inter- bzw. transkulturelle Kompetenz wiederum hat z.B. Wilden (2013) bei angehenden Fremdsprachenlehrpersonen im Kontext des fremdsprachlichen Literaturunterrichts untersucht, Martinez (2008) beforscht die Subjektiven Theorien, ebenfalls von angehenden Lehrkräften, im Hinblick auf die Konzepte Sprachlernverständnis und Lernerautonomie.

Eine stärker berufsbiographisch orientierte Perspektive nehmen Valadez Vazquez (2014) und Schultze (2018) ein, wenn sie sich Identität als theoretisches und empirisches Konstrukt zunutze machen. Valadez Vazquez (2014) zeigt beispielsweise, „dass berufliche Identitätsprozesse von (angehenden) Spanischlehrenden stark von ihrer subjektiven Zufriedenheit mit dem (späteren) Spanischlehrberuf abhängen“ (ebd.: 416). Wie in ihren Fallrekonstruktionen deutlich wird, ist diese Zufriedenheit sowohl abhängig von der aktuellen Phase, in der die Spanischlehrkräfte sich befinden, aber auch von der Identifikation mit dem Fach sowie dem eigenen Erleben als „sprachkompetent“. Schultze (2018) untersucht auf der Grundlage verschiedener Identitätskonstruktionen (und ihrer kritischen Bewertung), wie sich professionelle Identitäten von angehenden Englischlehrpersonen – in ihrem Beispiel zwei Englisch-Lehramtsstudierende, die als ausführliche Fallrekonstruktionen dargestellt werden – entwickeln und wie diese beruflichen und berufsbiographisch wachsenden Identitäten beispielsweise auch mit den individuellen Sprachlernbiographien zusammenhängen.

Wird der Fremdsprachenlehrer*innenrolle mittels Subjektiver Theorien, Beliefs und Reflexivität besondere Beachtung geschenkt, werden diese Konstrukte selten zum Selbstzweck als zugrundeliegende Ansätze oder zur Erhebung der Innenperspektive der Lehrpersonen verwendet, sondern häufig zielgerichtet als Grundlage für Interventionen und Qualitätsoptimierungen eingesetzt, was der Schwerpunkt des nächsten Kapitels sein soll.

Zur Professionalität der Professionalisierenden

Подняться наверх