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Heirat

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Während seines Praktikums in Leipzig hatte Mengele 1936 Irene Schönbein kennengelernt, eine attraktive Neunzehnjährige und das einzige Kind des erfolgreichen Freiburger Geschäftsmanns Harry Schoenbein und seiner Frau Elise. Die Heirat war für einen SS-Angehörigen keine Privatsache. Am 31. Dezember 1931 hatte Heinrich Himmler den Verlobungs- und Heiratsbefehl erlassen, nach dem alle unverheirateten SS-Leute vor der Heirat eine Genehmigung einholen mussten. Als „rassische Elite“ hatte die SS ein Interesse daran, wen ihre Angehörigen heiraten wollten, und sie schuf eine ganze Bürokratie, um Eheverbindungen zu bewerten und zu genehmigen. Viel Papierkram war notwendig, dazu eine medizinische Untersuchung, die das Fehlen von Erbkrankheiten und vor allem die Gebärfähigkeit nachwies. Für die SS bedeutete Ehe die Vermehrung von zwei „rassisch wertvollen“ Menschen. In vieler Hinsicht war der gesamte Vorgang ein staatlich gefördertes Programm zur Menschenzucht.14

Während Mengele im Herbst 1938 seinen Wehrdienst in Tirol ableistete, unternahm Irene die ersten notwendigen Schritte, um seine Frau zu werden. Sie forderte die notwendigen Formulare für eine Untersuchung ihrer Familiengeschichte und ihrer körperlichen und rassischen Eignung an. Dabei brauchte sie Empfehlungen von zwei Personen, die sie gut kannten. Deren Fragebogen enthielt für jede Frage zwei alternative Antworten, die klarmachten, welche Qualitäten von einer SS-Braut erwartet wurden. Georg Schlick unterstützte die Heirat und gab an, Irene sei „sehr zuverlässig“ (nicht „unzuverlässig“), „sehr kinderlieb“ (statt „nicht kinderlieb“), „kameradschaftlich“ (nicht „herrschsüchtig“), „sparsam“ (nicht „verschwenderisch“), „häuslich“ (nicht „flatterhaft“ oder „putzsüchtig“) und „wirtschaftlich“ (nicht „unwirtschaftlich“). Weiterhin schrieb er, Irene stehe „geistig turmhoch über dem Durchschnitt“ und sei „seelisch und charakterlich ein Vorbild für jedes deutsche Mädchen“. Sie sei als Frau eines SS-Angehörigen „ganz besonders geeignet“.15 In ähnlicher Weise beschrieb Dr. Rudolf Schwarz Irene und ihre Eltern als „zuverlässige Verfechter der nationalsozialistischen Weltanschauung“ und nannte Irene „ein sehr gut und häuslich erzogenes, gebildetes und höchst begabtes Mädchen“, das sich „dem Vorbild ihrer Eltern gemäss nach einer harmonischen Ehe sehnt“.16

Am zweiten Weihnachtsfeiertag 1938 wurde Irene in Frankfurt vom SS-Arzt Dr. Schwarzweller untersucht. Ein Teil des Formulars führte ein Inventar von körperlichen Attributen mit den dazugehörigen Werten in absteigender Reihenfolge der Erwünschtheit auf. So konnte der Arzt beim „Körperbau“ zwischen „muskulös (athletisch), rundlich, schlank, schwächlich“ wählen, und das erste war offensichtlich am besten. Bei der Augenfarbe gab es die Kategorien „blau, grau, grünlich, hellbraun, dunkelbraun“. Diese körperlichen Merkmale, die als Ausdruck der Rassenmischung der jeweiligen Person galten, wurden beobachtet und notiert. Dr. Schwarzweller gab Irene bei neun von zehn Fragen die höchste Einstufung, nur bei einer, der „Haarform“ war ihr Haar „schlicht“, eine Stufe unter „straff “, aber besser als „weitwellig, engwellig, kraus“. Die Kombination dieser Attribute führte den Arzt zu dem Schluss, Irene sei von weitgehend „nordischer“ Rasse „mit dinarischem Einschlag“. Ihre Gesundheit wurde als ausgezeichnet befunden, und vor allem galt sie als gebärfähig, da sie ein breites Becken habe.17

Neben ihren körperlichen Eigenschaften, der offensichtlichen „rassischen Qualität“ und erwartbaren Vermehrungsfähigkeit musste Irene auch nachweisen, dass ihre Herkunft fleckenlos war. Das Formular, das diese entscheidende Information untersuchen sollte, fragte nach den Vorfahren des Antragstellers bis zurück zum Westfälischen Frieden 1648. Neben den genealogischen Informationen, soweit vorhanden, mussten dem Antrag Beweise in Form beglaubigter Kopien und ähnlicher Dokumente beigelegt werden, die von Gutachtern untersucht wurden. Jede Eintragung musste mit einem besonderen Stempel bestätigt werden. Weil Irenes Großvater väterlicherseits unehelich geboren war, ließ sich seine Herkunft nicht mit völliger Sicherheit angeben. Man findet in Irenes Akte ein Gerichtsdokument von 1886 über einen Vergleich zwischen Irenes Urgroßmutter väterlicherseits, Anna Schoenbein, und einem Mann namens Harry Lyons Dümler, nach dem Dümler sich verpflichtete, Annas Kind bis zum 14. Geburtstag zu unterstützen, unter der Bedingung, dass Anna ihn „völlig in Ruhe“ lasse. Außerdem wies Dümler „ausdrücklich“ zurück, „ein Anerkenntniß, daß er der Vater des Kindes sei, abzulegen oder je abgelegt zu haben“.18 Trotz Dümlers recht zweifelhafter Leugnung der Vaterschaft schrieb der für die Bewertung von Irenes Stammbaum zuständige SS-Beamte: „Zusammenfassend wird nach Rücksprache mit SS-Ostuf. [Obersturmbannführer] Osiander19 festgestellt, daß die Vaterschaft des Harry Lyons Dümler nicht einwandfrei nachgewiesen ist. Ahn Nr. 4 [d. h. der Großvater väterlicherseits] in der Ahnentafel der zukünftigen Braut muß also als unbekannt gelten.“20

Obwohl das für die Genehmigung von Eheschließungen zuständige Amt keine Einwände gegen Mengeles Heirat mit Irene erhob, hatte ihre etwas unklare Familiengeschichte eine ernste Folge. Der Verlobungs- und Heiratsbefehl sah vor, dass mit der Genehmigung der Heirat durch die SS die Namen der Familie des SS-Angehörigen ins Sippenbuch beim Rassenamt der SS eingetragen würden. Am 9. März 1939 wurde Mengele mitgeteilt, es werde keine Eintragung geben, weil Irenes Großvater unbekannt war. Da er die Genehmigung erhalten hatte und seine Wahl der Braut trotz des Schönheitsfehlers akzeptiert worden war, konnte Mengele sich mit dem Segen der SS am 21. April 1939 offiziell verloben.21

Mengele und Irene heirateten am 28. Juli in Oberstdorf, zuerst standesamtlich und gleich danach in einer kleinen katholischen Kapelle. Während der Zeremonie weinte Irenes Vater „in sein Taschentuch“.22 1984 schrieb Irene an zwei Forscher, die an einem Buch über Mengele arbeiteten: „Ich habe Josef Mengele als absolut ehrenwerten, anständigen, pflichtbewussten, sehr charmanten, eleganten und lustigen Menschen gekannt. Sonst hätte ich ihn wohl auch nicht geheiratet. Ich war in einem guten, wohlhabenden Haus aufgewachsen, und es fehlte mir nicht an Heiratsmöglichkeiten.“23

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