Читать книгу Das Antikrebs-Buch - David Servan-Schreiber - Страница 19
Tierschutz
ОглавлениеIn diesem Buch und vor allem in diesem Kapitel ist von zahlreichen Versuchen die Rede, die an Labormäusen oder -ratten durch geführt wurden. Ich liebe Tiere und denke nicht gern daran, dass sie bei diesen Experimenten leiden müssen. Aber bislang haben weder Tierschutzorganisationen noch Wissenschaftler zufriedenstellende Alternativen für diese Experimente gefunden. Und dank der Experimente wird man viele Kinder, Männer und Frauen eines Tages effektiver und schonender behandeln können. Auch Tiere werden davon profitieren, da auch sie Krebs bekommen.
Eine junge Forschungsassistentin, Dr. Liya Qin (sprich »Tschin«), hatte einer Mäusegruppe die übliche Dosis von 200.000 S-180-Zellen injiziert. Doch eine Maus, Maus Nr. 6, reagierte nicht auf die Injektion, der Bauch des Mäuserichs blieb flach. Liya Qin wiederholte die Injektion, wieder ohne Erfolg. Auf Anraten Zheng Cuis, der ihre Forschung überwachte, verdoppelte sie die Dosis, aber es zeigte sich nach wie vor keine Wirkung. Daraufhin injizierte sie die zehnfache Dosis, also zwei Millionen Zellen. Zu ihrer großen Verwunderung entwickelte die Maus immer noch keinen Krebs und hatte auch keine Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle. Zheng Cui begann an der Befähigung seiner Assistentin zu zweifeln und beschloss, der Maus selbst eine Spritze zu verabreichen. Sicherheitshalber injizierte er 20 Millionen Krebszellen und vergewisserte sich, dass die Flüssigkeit auch wirklich in die Bauchhöhle gelangte. Zwei Wochen später war immer noch nichts zu sehen! Er versuchte es mit 200 Millionen Zellen – das Tausendfache der üblichen Dosis –, aber es tat sich weiterhin nichts.
Keine Maus im Labor hatte nach der Injektion von S-180-Zellen länger als zwei Monate gelebt. Maus Nr. 6 lebte nun bereits acht Monate, trotz der astronomisch hohen Dosen, die direkt in die Bauchhöhle gespritzt worden waren, weil sich die Krebszellen dort normalerweise am schnellsten vermehren. In Professor Zheng Cui keimte der Gedanke, ob er vielleicht das Unmögliche vor sich hatte – eine Maus, die resistent war gegen Krebs?
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wurde in der medizinischen und naturwissenschaftlichen Literatur immer wieder von Patienten berichtet, deren Krebserkrankung sich plötzlich zurückbildete und schließlich ganz verschwand, obwohl sie als unheilbar diagnostiziert worden war.1–7 Doch solche Fälle sind extrem selten, und sie lassen sich nur schwer untersuchen, weil sie unvorhersehbar sind und nicht nach Belieben wiederholt werden können. Normalerweise erklärt man sie mit einer Fehldiagnose (»wahrscheinlich war es gar nicht Krebs«) oder mit einer verspäteten Reaktion auf eine frühere konventionelle Behandlung (»wahrscheinlich hat die Chemotherapie vom letzten Jahr doch noch gewirkt«).
Ehrlicherweise muss man bei diesen ungeklärten Remissionen jedoch einräumen, dass hier Mechanismen am Werk sind, die wir zwar noch nicht verstehen, die aber dem Wachstum der Krebszellen entgegenwirken. In den letzten zehn Jahren wurde ein Teil dieser Mechanismen entdeckt und im Labor untersucht. Professor Zheng Cuis Maus Nr. 6 brachte einen Mechanismus ans Licht: die Kraft des Immunsystems, wenn es vollständig mobilisiert wird.
Nachdem Zheng Cui überzeugt war, dass die berühmte Maus (mittlerweile bekannt als »Mighty Mouse« oder »Supermaus«) resistent gegen Krebs war, tauchte eine neue Sorge auf. Es gab nur eine Supermaus, und eine Maus wird höchstens zwei Jahre alt. Wenn aber die Maus starb, wie konnte man dann ihre außergewöhnlichen Eigenschaften untersuchen? Und was, wenn sie sich einen Virus oder eine Lungenentzündung zuzog? Zheng Cui dachte darüber nach, die DNA der Maus zu konservieren oder die Maus zu klonen, denn kurz zuvor waren die ersten Mäuse erfolgreich geklont worden. Dann fragte ein Kollege: »Hast du schon daran gedacht, mit der Maus zu züchten?«
Abbildung 1: die »Supermaus«, Maus Nr. 6, die resistent gegen Krebs ist. Mit freundlicher Genehmigung von Zheng Cui, Wake Forest University.
Tatsächlich hatte der Supermäuserich nicht nur zahlreiche Nachkommen (mit einem normalen, nicht resistenten Weibchen), sondern vererbte auch der Hälfte seiner Enkel die Resistenz gegen S-180-Zellen.I Wie ihr Großvater verkrafteten die Mäuse zwei Millionen S-180-Zellen, eine Dosis, die im Labor mittlerweile völlig normal wirkte, ohne dass sie krank wurden. Sie tolerierten sogar zwei Milliarden S-180-Zellen, obwohl diese 10 Prozent ihres Körpergewichts ausmachten – bei einem Menschen würde das bedeuten, dass man ihm 6 bis 8 Kilo ultravirulente Tumormasse injiziert.